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Warum uns CBS kein Interview geben konnte

6 Min
Warum man bei einem großen USA-TV-Sender auf eine Mauer des Schweigen trifft, bleibt offen.
© Illustration: WZ

Unter US-Präsident Donald Trump verlieren kritische Medien den Zugang zum Weißen Haus, werden verklagt – oder sie verstummen aus Angst vor (weiteren) Repressalien. Pressefreiheit in den USA? Formal intakt. De facto unter Beschuss.


Eigentlich sollte dieser Text eine aktuelle Stimmungslage widerspiegeln. Nämlich wie Journalist:innen beim US-TV-Sender CBS mit der Klage umgehen, die Donald Trump gegen ihren Mutterkonzern Paramount angestrengt hat. Immerhin geht es um zehn Milliarden Dollar – ein massiver Angriff, der direkte Auswirkungen auf die Redaktion, die Berichterstattung oder sogar auf die Einladungspolitik des TV-Senders haben könnte. Grund für die Klage war ein Interview während des Wahlkampfs mit der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris in der Sendung „60 Minutes“, das Trump als irreführend bezeichnete.

Doch wer bei CBS nachfragt, stößt auf eine Mauer des Schweigens. Keine Stellungnahmen, keine Interviews, nicht einmal informelle Gespräche. „Wir dürfen nichts sagen“, heißt es. Warum, bleibt offen – aus juristischer Vorsicht, aus Angst oder weil die Strategie inzwischen darin besteht, keine Angriffsfläche mehr zu bieten.

CBS ist kein Einzelfall. Vielmehr steht der TV-Sender exemplarisch für eine tiefgreifende Veränderung in den USA: eine systematische Verdrängung kritischer Berichterstattung durch juristischen Druck, strukturelle Einschränkungen und ein Klima der Einschüchterung.

So etwas habe ich noch nie erlebt.
Journalist Arndt Peltner

„Die Angst sitzt tief – so etwas habe ich in 30 Jahren USA noch nie erlebt“, sagt der Journalist Arndt Peltner, der in Kalifornien lebt und unter anderem für den Deutschlandfunk und die WZ arbeitet. Die Atmosphäre sei geprägt von Unsicherheit und Selbstzensur. „Ich habe mit Professoren gesprochen, die sich weigern, Interviews zu geben – aus Angst, auf schwarzen Listen zu landen. Und Journalist:innen bekommen von ihren Arbeitgeber:innen E-Mails mit dem Hinweis: Kein Kommentar, keine Auskunft, nicht einmal off the record.“

Diese Stille ist kein Zufall. „CBS wurde bereits verklagt“, erklärt Peltner gegenüber der WZ. „Die Strategie lautet: Keine Angriffsfläche bieten.“ Auch andere Medienhäuser handeln vorsichtig – nicht aus Überzeugung, sondern aus Angst vor Prozessen, politischen Repressalien oder öffentlicher Hetze.

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Ein Insider aus New York City, der anonym bleiben möchte, bestätigt im WZ-Gespräch: „In den USA ist derzeit jeder extrem empfindlich, wenn es um Trump geht. Viele wollen einfach, dass mögliche Probleme verschwinden, man einigt sich außergerichtlich. Viele sind mit dieser Praxis nicht einverstanden – also dem Nachgeben gegenüber Trumps Forderungen –, aber die Situation ist im Moment einfach unübersichtlich und angespannt.“

Ausschluss statt Zugang

Neben juristischem Druck verändert die Regierung selbst die Spielregeln. Wie aus einem Bericht der APA vom 16. April hervorgeht, hat das Weiße Haus den privilegierten Zugang für Nachrichtenagenturen wie AP, Reuters und Bloomberg News aufgehoben. Der fest zugeordnete Platz im „White House Press Pool“ – dem Kernteam von Journalist:innen, das den Präsidenten auf Reisen oder Pressekonferenzen begleitet – entfällt. Stattdessen sollen Agenturen künftig rotieren. Das Präsidialamt unter Trump entscheidet täglich neu, wer Zugang erhält. Ein Willkürakt? Um einmal mehr Druck auf Medien ausüben zu können? Mit der Zusammensetzung dieses Kreises hat Trump schließlich Einfluss darauf, wer ihm Fragen stellen und direkt über seine Aussagen berichten kann.

Demokratie braucht unabhängige Nachrichten

Reuters warnte in dem APA-Bericht: Für die Demokratie sei es unerlässlich, dass die Öffentlichkeit Zugang zu unabhängigen Nachrichten über ihre Regierung hat. „Jeder Schritt der US-Regierung, den Zugang zum Präsidenten zu beschränken, bedroht dieses Prinzip, sowohl für die Öffentlichkeit als auch für die Medien weltweit.“

Im Fall der Associated Press (AP) lag der Ausschluss offenbar daran, dass die Agentur sich weigerte, Trumps umstrittene Bezeichnung „Golf von Amerika“ anstelle von „Golf von Mexiko“ zu übernehmen. Inzwischen hat Richter Trevor McFadden das Weiße Haus angewiesen, AP wieder Zugang zum Oval Office, zur Air Force One und anderen Bereichen zu gewähren, wenn diese auch für andere Journalist:innen geöffnet sind. Nun beruft die US-Regierung gegen die Entscheidung des Bundesrichters.

Zwei Lager, keine gemeinsame Faktenbasis

Die US-Medienlandschaft ist gespalten. „Die klassische Medienlandschaft zerfällt – stattdessen hast du parallele Informationsblasen“, sagt Peltner. „Die einen schauen nur noch Fox News, die Trump unterstützen, die anderen konsumieren linksliberale Nischenformate. Es gibt keine gemeinsame Faktenbasis mehr.“

Innerhalb der Redaktionen selbst ist die Lage nicht weniger angespannt. Der New Yorker Insider berichtet: „Ich kenne viele Kollegen, die Trump entschieden ablehnen, aber auch einige, die ihn voll und ganz unterstützen. Trotzdem ist es wichtig, Fakten gründlich zu prüfen – egal, ob es um Trump, Biden oder Obama geht.“

Doch Fakten allein reichen nicht mehr. Trump bezeichnet alles, was ihm nicht gefällt, als „Fake News“ – und schafft so systematisch Misstrauen gegenüber jeder Form unabhängiger Berichterstattung.

Eine gezielte Strategie

Clayton Weimers, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen USA in Washington, sieht im WZ-Gespräch eine bewusste politische Taktik: „Pro-Trump-Medien genießen neuen Zugang zum Weißen Haus, während kritische Medien ausgeschlossen oder öffentlich beleidigt werden.“ Trump habe die FCC (Federal Communications Commission), die die Kommunikationsbranche regelt, und das Justizministerium explizit angewiesen, Medienorganisationen zu untersuchen. Gleichzeitig habe er „über tausend Medienmitarbeiter bei den Sendern unter dem Dach der US Agency for Global Media entlassen“. Die US-Behörde ist für alle internationalen nicht-militärischen Hörfunk- und Fernsehprogramme der Regierung verantwortlich.

Besonders gefährdet seien ausländische Journalist:innen mit befristeten Arbeitsvisa. „Einige von ihnen müssten in sehr feindliche Länder zurückkehren, wo ihnen Verhaftung drohen würde“, warnt Weimers.

Auch wenn sich viele Redaktionen gegen den Druck behaupten – die Sorge bleibt, dass Konzernleitungen auf politische Drohungen reagieren. Welche Entscheidungen intern getroffen werden, bleibt intransparent. „Paramount befindet sich mitten in einem sehr bedeutenden Verkaufsprozess, der die Zustimmung der Regierung erfordert. Die Drohung seitens der Regierung ist offensichtlich – kooperiert, oder wir verhindern euren Verkauf“, analysiert Weimers den tieferen Grund für Trumps Klage gegen die CBS.

Und die Aufgabe der Presse?

Was bleibt Journalist:innen in einem Klima, das zunehmend auf Kontrolle, Druck und Polarisierung setzt?

Für Weimers ist die Antwort klar: „Die Presse hat dieselbe Verantwortung wie immer – die Wahrheit über das, was geschieht, zu berichten und sie für ihr Publikum richtig einzuordnen.“ Gerade jetzt, wo eine Regierung selbst zu einem der größten Verbreiter von Desinformation geworden sei, habe diese Aufgabe eine neue Dringlichkeit.

Auch Peltner sieht nur einen Weg: „Weiter berichten, beobachten, dokumentieren – auch wenn der Zugang erschwert ist.“ Es sei kein leichter Job, sagt er, aber ein notwendiger. „Denn was hier passiert, betrifft nicht nur Amerika, sondern die globale Pressefreiheit.“ Und diese ist laut Weimers in Gefahr: „Die Pressefreiheit ist aktuell der ernsthaftesten Bedrohung in der modernen amerikanischen Geschichte ausgesetzt, und Trump eröffnet ständig neue Fronten in seinem Krieg gegen die Pressefreiheit.“


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Infos und Quellen

Gesprächspartner

  • Clayton Weimers ist Executive Director von Reporter ohne Grenzen (RSF) USA in Washington. Er war zuvor stellvertretender Direktor der Advocacy-Abteilung. In dieser Zeit hat er mit Interessenvertreter:innen im Kongress, der US-Regierung, der NGO-Gemeinschaft und den Medien zusammengearbeitet, um den Einfluss von RSF in Amerika und weltweit voranzutreiben. Seine Artikel über die Pressefreiheit sind unter anderem in der Washington Post, The Hill und The Independent erschienen. Weimers studierte Internationale Beziehungen an der University of Chicago.

  • Arndt Peltner ist seit 1996 freier Korrespondent in den USA, u. a. für die WZ, Deutschlandfunk Kultur, SRF, Nürnberger Zeitung, Amnesty Journal und Publik Forum. 1996 gründete er Radio Goethe, eine „syndicated“, nicht-formatierte und nicht-kommerzielle Radioshow auf College- und Community-Stationen mit Musik aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Einmal im Monat moderiert Arndt die Nachtsendung „Klangwerk“ mit experimenteller und elektronischer Musik auf KKUP in San José.

  • Ein Insider (Name der Redaktion bekannt) lebt seit rund 35 Jahren in den USA und arbeitet als Freelancer für unterschiedliche europäische und US-amerikanische TV-Sender als Producer und Editor.

Fakten und Daten

  • Reporter ohne Grenzen (englisch: Reporters Without Borders, französisch: Reporters sans frontières – RSF) ist eine internationale Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich weltweit für die Pressefreiheit und den Schutz von Journalist:innen sowie die Verteidigung der Pressefreiheit einsetzt. Die Organisation dokumentiert Verstöße gegen die Medienfreiheit – darunter Zensur, Einschüchterung, Gewalt, Verhaftungen und Morde an Medienschaffenden – und veröffentlicht jährlich einen vielbeachteten Index zur Lage der Pressefreiheit in über 180 Ländern. Neben der Analyse und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt RSF bedrohte Journalist:innen auch konkret: durch juristische Hilfe, finanzielle Unterstützung, Sicherheitsberatung oder Notfallmaßnahmen wie Evakuierungen. Zudem setzt sich die Organisation gegenüber Regierungen und internationalen Institutionen für strukturelle Reformen und den Schutz unabhängiger Medien ein.

  • CBS – Columbia Broadcasting System – gehört zu den ältesten und einflussreichsten Fernsehsendern der USA. Gegründet 1927 als Radiosender, entwickelte sich CBS im 20. Jahrhundert zu einem der drei großen US-Networks neben NBC und ABC. Heute ist der Sender Teil des Medienkonzerns Paramount Global (früher ViacomCBS) und hat seinen Hauptsitz in New York City. Besonders bekannt ist CBS für sein Nachrichtenmagazin „60 Minutes“, das seit Jahrzehnten für investigativen, faktenbasierten Journalismus steht. Daneben produziert der Sender erfolgreiche Serien, Talkshows und Live-Übertragungen. In der politischen Berichterstattung gilt CBS traditionell als eher gemäßigt bis liberal und legt großen Wert auf sorgfältige Quellenprüfung.

Quellen

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