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Die Schlagzeilen sind voll mit Maßnahmen, die mit einer blau-schwarzen Regierung in Österreich kommen könnten. Wie sind junge Menschen davon betroffen und welche Pläne könnten sie im Alltag zu spüren bekommen?
Die Blauen und die Schwarzen verhandeln und es könnte nicht mehr lang dauern, bis FPÖ-Chef Herbert Kickl auf Österreichs Kanzlerstuhl sitzt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Zweiten Republik wären damit die Freiheitlichen an der Spitze der Regierung. Doch was genau kommt da auf uns zu? Die WZ hat bei den Politologinnen Katrin Praprotnik von der Uni Graz und Kathrin Stainer-Hämmerle von der FH Kärnten nachgefragt und jene Maßnahmen unter die Lupe genommen, die vor allem junge Menschen in Österreich betreffen. Denn auch wenn die Verhandlungen noch laufen und FPÖ und ÖVP durchaus ihre Streitthemen haben, sind sich beide Parteien in einigen Punkten schon einig.
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Sparen, sparen, sparen – auf Kosten des Klimas?
Fix ist vor allem eines: Die neue Regierung muss den Gürtel enger schnallen, es klafft ein großes Loch in Österreichs Budget. FPÖ und ÖVP haben diese Woche verkündet, heuer noch 6,4 Milliarden Euro einsparen zu wollen – und das ganz ohne neue Steuern. So hat Kickl beteuert, dass es zum Beispiel keine höhere Mineralölsteuer für Diesel oder Benzin geben soll.
Wegfallen soll dafür zum Beispiel aber der Klimabonus. „Das ganze Thema Klimaschutz wird hintangestellt“, sagt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Eine Maßnahme, die gerade die Jungen trifft, bedenkt man, dass sie die Auswirkungen des Klimawandels noch deutlich länger spüren werden. Neben dem Klimabonus fällt auch das einmalige, kostenlose Klimaticket für Unter-18-Jährige weg, das kostenpflichtige Klimaticket soll zwar bleiben, wie viel es kosten wird, ist aber unklar. FPÖ und ÖVP haben sich ohnehin schon des Öfteren als „Autofahrer-Parteien“ dargestellt und sich im Vorfeld dafür ausgesprochen, Straßen im „Autoland“ Österreich auszubauen. Umweltförderungen wie Förderungen für Photovoltaikanlagen, für Gebäudesanierungen oder E-Autos sollen gekürzt werden, der Heizkesseltausch wird ebenso weniger gefördert.
Beim Sparen helfen soll außerdem die Abschaffung der Bildungskarenz – die berufliche Auszeit zugunsten der Weiterbildung könnte also bald nicht mehr möglich sein. Außerdem werden etwa Führerscheine teurer und Tabak- und Glücksspielsteuer höher werden. Arbeitslose sollen nichts mehr dazuverdienen dürfen und bei den Sozialleistungen soll eingespart werden, etwa bei den Leistungen für kinderreiche Familien.
Deutschpflicht und tägliche Turnstunde in der Schule?
Darüber, wie sich Zuwander:innen in Österreich zu integrieren haben, sind sich FPÖ und ÖVP einig. So sehen sie zum Beispiel eine Deutschpflicht in Schulen vor, sprich: Im Unterricht und in den Pausen soll ausschließlich Deutsch gesprochen werden. Wie das genau umgesetzt beziehungsweise kontrolliert werden soll, steht nicht fest. Noch vor dem Schuleintritt sollen die Deutschkenntnisse von Kindergartenkindern überprüft werden. Jene Kinder, die nicht ausreichend abschneiden, könnten noch einmal extra gefördert werden. Außerdem dürfte es Lehrerinnen (so wie allen Frauen im öffentlichen Dienst) bald untersagt sein, ein Kopftuch zu tragen; die blau-schwarze Landesregierung in der Steiermark hat das schon beschlossen. Unabhängig davon sieht die FPÖ eine Meldestelle vor, bei der Schüler:innen „linke“ Lehrkräfte melden können. Wie das genau gemeint ist, haben die Freiheitlichen noch nicht ausgeführt. Ob die ÖVP mitzieht, ist die Frage.
Wofür sich wiederum beide Parteien schon des Öfteren ausgesprochen haben, ist die tägliche Turnstunde. „Die Maßnahme ist aber schwierig umzusetzen“, sagt Politologin Katrin Praprotnik. So mangelt es oftmals noch an der Infrastruktur oder an Turnlehrer:innen an den Schulen.
Neben mehr Bewegung wollen FPÖ und ÖVP mehr Demokratie in die Schule bringen. Die konkrete Umsetzung ist unklar, die ÖVP hat aber schon einmal den Vorschlag gebracht, Tages- und Wochenzeitungen via App in die Klassenzimmer ab der siebten Schulstufe zu bringen.
Mehr Volksbefragungen?
Die neue Regierung könnte mehr direkte Demokratie bringen. FPÖ und ÖVP haben sich im Vorfeld beispielsweise dafür ausgesprochen, dass es eine verpflichtende Volksbefragung unter den Österreicher:innen geben soll, wenn ein Volksbegehren von zehn Prozent der Wahlberechtigten im Land unterschrieben wurde.
Wird Wohnen leistbarer?
In Zeiten von hohen Lebenshaltungskosten ist es nicht weiter verwunderlich, dass Blaue und Schwarze in ihren Wahlprogrammen versprochen haben, sich für leistbares Wohnen einzusetzen. Die Freiheitlichen wollen mehr Wohnraumförderung, die ÖVP will auch Sonderkreditprogramme. Da es sich hier aber um teure Maßnahmen handelt, ist laut Politologin Praprotnik nicht sicher, wann oder ob es zu Umsetzungen kommen wird.
12-Jährige vor Gericht?
Eine Maßnahme, die sich direkt auf junge, straffällig gewordene Menschen auswirken würde: Blau-Schwarz will das Alter für die Strafmündigkeit von 14 auf 12 Jahre herabsetzen. Das bedeutet, dass schon bald 12-Jährige sich in einem Prozess vor Gericht verantworten müssen und bestraft werden könnten. Die Maßnahme sorgt für viel Aufregung, haben sich doch Expert:innen aus der Jugendhilfe oder der Richtervereinigung dagegen ausgesprochen. Ihr Argument: Ein Herabsetzen der Altersgrenze würde Straftaten nicht verhindern und nicht abschrecken, es brauche stattdessen mehr Prävention.
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Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Apropos Strafen: FPÖ und ÖVP plädieren auch für härtere Strafen für Klimakleber:innen. Zwar hat die „Letzte Generation“ ihre Klebeproteste vergangenen Sommer für beendet erklärt, Blaue und Schwarze wollen sich aber dennoch vorbehalten, all jene zu bestrafen, die sich künftig auf Straßen festkleben, um Klimaschutz zu erwirken.
Ab in die konservative Gesellschaft?
Eine blau-schwarze Regierung würde ihr eigenes Bild von der Gesellschaft mitbringen, sagen die Politologinnen Praprotnik und Stainer-Hämmerle. „Es spielt schon eine Rolle für junge Menschen, in welcher Gesellschaft man aufwächst: eher rückwärtsgewandt, konservativ oder weltoffen?“
Die FPÖ ist eine rechte Partei, Chef Kickl gilt als rechtsextrem, EU-kritisch und russlandfreundlich. Die ÖVP ist ähnlich konservativ und pocht auf traditionelle Werte. „Es geht hin zu einem konservativen Gesellschaftsbild, zum Beispiel mit dem Bild einer Familie, die aus Mann, Frau und Kind besteht“, vermutet Praprotnik. Stainer-Hämmerle fürchtet Nachteile für junge Frauen, ist es doch die Frau, die sich im Weltbild der FPÖ um die Kinder zu kümmern hat und „dem Mann daheim den Rücken freihält“.
Auch das Bild, wie sich Österreich nach außen präsentiert, würde sich mit Blau-Schwarz ändern: „Was die Offenheit angeht, stehen wir schon anders da jetzt“, sagt Stainer-Hämmerle. Sie hält für möglich, dass Fremdenfeindlichkeit salonfähiger wird und ein „Klima der Ablehnung“ entsteht. Im Bereich Asyl und Migration planen FPÖ und ÖVP schließlich auch mehr Abschiebungen und größere Hürden für den Erwerb der Staatsbürgerschaft. Angesichts der „Wissenschaftsskepsis“ und der „Intellektuellenfeindlichkeit“ der FPÖ schließt Stainer-Hämmerle auch Einsparungen für Unis und Fachhochschulen künftig nicht aus.
Was die Maßnahmen der neuen Regierung angeht, so vermutet Politologin Praprotnik, dass FPÖ und ÖVP sich gerade angesichts der begrenzten finanziellen Mittel genau anschauen müssen, was sie umsetzen. Dass Pläne für junge Menschen hier im Fokus stehen, ist unwahrscheinlich. „Die ältere Wählerschaft stellt in Österreich die größere Gruppe dar und hat so mehr Relevanz für die Parteien.“
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Infos und Quellen
Gesprächspartnerinnen
Katrin Praprotnik ist Politikwissenschafterlin an der Universität Graz und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Strategieanalysen
Kathrin Stainer-Hämmerle ist Professorin für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Kärnten
Daten und Fakten
Bei der Nationalratswahl siegte die FPÖ mit 28,85 Prozent, die ÖVP belegte den zweiten Platz mit 26,7 Prozent und die SPÖ den dritten Platz mit 21,14 Prozent. Es folgen die Neos mit 9,14 Prozent und die Grünen mit 8,24 Prozent. Eine Koalition der ÖVP mit der SPÖ hätte einen ganz knappen Überhang von einem Mandat gehabt. FPÖ und ÖVP haben mit 108 Sitzen eine komfortable Mehrheit.
Auch bei den Jungen ist die FPÖ klare Nummer eins gewesen: 27 Prozent der unter 35-Jährigen stimmten bei der Nationalratswahl für die FPÖ.
Quellen
FPÖ: Wahlprogramm
ÖVP: Programm
Wahlkabine: Standpunkte der Parteien