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In Europa sorgen Drohnen immer öfter für Verwirrung und Alarm. Aber welche Gefahren gehen von Drohnen wirklich aus und was will die Politik dagegen tun? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Drohnen sind momentan in aller Munde. Immer wieder sind in den letzten Wochen in verschiedenen europäischen Ländern Drohnen aufgetaucht und haben den Flugverkehr gestört oder kritische Infrastruktur überflogen. Davon betroffen waren Dänemark, Deutschland, Moldau, Norwegen, Polen und Rumänien.
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Während in diesen Ländern bisher noch keine Menschen zu Schaden gekommen sind, zählen Drohnen weiter östlich mittlerweile zu den wichtigsten Waffen. Allein im September beschoss Russland die Ukraine mit 5600 Drohnen, wie die französische Nachrichtenagentur AFP analysiert hat.
Auf EU-Ebene ist man sich der Gefahr, die von Drohnen ausgehen kann, bewusst. Zu den Bemühungen rund um Verteidigung und Sicherheit zählt daher auch der Aufbau eines Systems zur Abwehr von Drohnen – der sogenannte „Drohnenwall“.
Doch kann ein Drohnenwall Europa tatsächlich schützen? Welche Gefahren gehen von Drohnen wirklich aus und wie viel Geld nimmt Österreich zur Abwehr von Drohnen in die Hand?
Was sind Drohnen?
Drohne ist die landläufige Bezeichnung für ein unbemanntes Luftfahrzeug (englisch: Unmanned Aerial Vehicle, UAV oder Uncrewed Aircraft System, UAS). Der Begriff umfasst sowohl zivile als auch militärische Systeme.
Welche Drohnen gibt es und wofür werden sie eingesetzt?
Drohnentypen unterscheiden sich nach Zweck, Reichweite und Einsatzszenario. Zu den zivilen zählen kleine Multicopter für Foto und Video, die militärisch kaum Relevanz haben.
„First Person View-Racer“ sind wendige Quadrokopter, welche mithilfe von Video-Brillen aus der „Ich-Perspektive“ gesteuert werden. In Konflikten können diese auch mit Sprengstoff bestückt und für Angriffe verwendet werden – sie sind auch als „Kamikaze-Drohnen“ bekannt.
Für das Militär wurde diese Idee fortgeführt: sogenannte „Loitering Munitions“, also lenkende Waffen, stürzen autonom oder ferngesteuert ins Ziel.
Darüber hinaus gibt es Vertikal-startende und -landende Drohnen („VTOL-Fixed-Wing-Systeme“), welche im Aussehen an Modellflugzeugen erinnern. Sie sind besonders auf Langstrecken effizient und eignen sich für die Kartierung und Überwachung.
Aufklärungs- und Überwachungsdrohnen (englisch: Intelligence, Surveillance and Reconnaissance, „ISR“) liefern Echtzeit-Überwachung an Land und am Wasser. Dazu gehören vor allem große Aufklärungsdrohnen mit einer Flügelspannweite von bis zu 20 Metern, die in Höhen von bis zu neun Kilometern fliegen („MALE“- und „HALE-Systeme“).
Wofür werden Drohnen in Österreich eingesetzt?
Zivil finden Drohnen Anwendung bei Katastrophenschutz, Vermessung, Infrastrukturinspektion oder im Transport sensibler Güter wie Medikamente.
Das österreichische Bundesheer setzt Drohnen vor allem zur Aufklärung und Lagebilddarstellung ein. Der Auftrag umfasst Überwachung, Führungsunterstützung, Gefahren- und Schadenserkundung sowie die Unterstützung ziviler Behörden bei Katastrophen, etwa um sich einen Überblick zu verschaffen oder Personen zu finden. Bewaffnete Systeme gehören nicht zum regulären Einsatzspektrum. Derzeit prüft das Bundesheer jedoch die Anschaffung von Kollisionsdrohnen (Loitering-Typen).
Warum gewinnen Drohnen gerade jetzt an Bedeutung?
Unbemannte Flugobjekte haben seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine an Bedeutung gewonnen. Vorteilhaft aus Sicht des Angreifers ist, dass bei einem missglückten Angriff nur die Drohne Schaden erleidet, nicht aber der oder die Drohnenführer:in.
Russland setzt derzeit auf Drohnenfabriken, die etwa 1.500 Drohnen pro Monat bauen. Sogenannte Schwarmangriffe werden deshalb in der Ukraine immer mehr zum Phänomen. Seit 2023 hat Russland seine Fertigungskapazitäten für Einweg-Kamikaze-Typen stark ausgebaut.
Schätzungen über Produktionsraten schwanken stark: Ukrainische Militärdienste und Analysten nennen Werte von Dutzenden bis mehreren hundert Einheiten pro Tag, andere Quellen sprechen von Tausenden pro Monat.
In der Ukraine stammen laut eigener Angaben im vergangenen Jahr ungefähr 96 Prozent der Drohnen aus eigener Produktion.
Wo werden die meisten Drohnen produziert?
Gemessen an Stückzahlen, ist China der weltweit größte Drohnen-Produzent – vor allem bei kommerzielle Mediendrohnen. Marktführer wie DJI machen China zum weltweiten Zentrum für Massenfertigung und Komponentenlieferketten.
Im militärischen Bereich hält sich Europa mit Bestellungen in China zurück, weil immer wieder der Verdacht im Raum steht, dass China auf Daten zugreift. Das österreichische Bundesheer rät dezidiert von der Verwendung solcher Drohnen ab.
Weitere Hersteller produzieren in den USA, Israel, der Türkei und zunehmend auch in Russland sowie in der Ukraine – je nach Einsatzbereich. Länder mit starker Rüstungsindustrie liefern die technologisch anspruchsvolleren und exportfähigen Systeme.
Auch in Österreich gibt es Produktion und Zulieferer: Schiebel, einer der bekanntesten Hersteller, baut das marine-taugliche „VTOL-System CAMCOPTER S-100“.
Daneben liefern österreichische Firmen technische Ergänzungen und Sensorik, etwa Hersteller wie RIEGL oder Luftfahrtzulieferer wie FACC.
Woher kommen die Drohnen, die in den letzten Wochen zum Beispiel in Dänemark aufgetaucht sind?
Die Herkunft der Drohnen ist noch nicht geklärt, die Behörden in den betroffenen Ländern ermitteln. Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) sagte, der „Verdacht liegt nahe, dass Russland daran nicht unbeteiligt ist“.
Damit schlägt Stocker in dieselbe Kerbe wie einige seiner EU-Amtskolleg:innen, etwa Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen.
Dänemarks Behörden gehen dem Verdacht nach, dass die Drohnen von einem russischen Schiff gestartet wurden, welches allerdings unter der Flagge des westafrikanischen Staates Benin fährt. Dieses lief im September aus dem Hafen von St. Petersburg aus. Im Zuge der Ermittlungen wurden Crewmitglieder vor der französischen Küste festgenommen.
Warum wurden die Drohnen nicht sofort abgeschossen?
Bevor ein bewaffneter Einsatz gegen Drohnen erfolgen kann, wird über die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes entschieden. Bei einem Einsatz mit lebensgefährdenden Waffen muss deshalb überlegt werden, ob die Drohnen aktuell eine Gefahr für die Bevölkerung oder die kritische Infrastruktur darstellen. Auch gezielter Abschuss stellt ein großes Risiko für die Bevölkerung dar, da beispielsweise herabfallende Teile Menschen treffen könnten.
Zusätzlich befindet sich die EU in einem Zustand des gesicherten Friedens. Ein militärischer Einsatz würde an diesem Zustand rütteln.
Die vielfach zitierten Abfangnetze dienen der Abwehr von Hobby- und Kleinstdrohnen und können keine militärischen Zwecke erfüllen.
Wie wahrscheinlich sind Drohnenangriffe in Österreich?
Drohnenangriffe können auch in Österreich nicht ausgeschlossen werden. Da Österreich jedoch von NATO-Mitgliedstaaten umgeben ist, ist das Eindringen einer Drohne in den österreichischen Luftraum eher unwahrscheinlich.
Allerdings warnt Oberst Markus Reisner eindringlich davor, dass Drohnen auch in „vermeintlich sicheren Staaten“ erheblichen Schaden anrichten könnten: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die erste von Terroristen gelenkte Drohne ein Fußballstadion oder eine kritische Infrastruktur in vermeintlich sicheren Staaten ansteuert.“
Sind wir in Österreich in der Lage, uns gegen Drohnen zu verteidigen?
Ja, aus dem Bundesheer heißt es, dass Österreich Drohnen relativ schnell mit Aufklärungs- und Zielzuweisungsanlagen erkennen kann. In Folge eines Drohnenangriffs können Leichtflugzeuge wie der Eurofighter zum Einsatz kommen. Auch die elektronische Drohnenabwehr durch Störsysteme kann Drohnen zur Landung zwingen.
Kann meine private Drohne zur militärischen Bedrohung werden?
Ja, wenn die Drohne in militärisches Gebiet eindringt oder den öffentlichen Luftraum gefährdet. Generell gelten auch für kleine Hobbydrohnen strikte Regeln, welche auf der Website der Austro Control eingesehen werden können.
Wie viel investiert Österreich in Drohnen bzw. Drohnenabwehr?
Der österreichische Aufbauplan 2032 ist ein zehnjähriger Plan des Bundesheeres zur Steigerung seiner Verteidigungsfähigkeit. Er sieht Investitionen von über 16 Milliarden Euro vor, die in Mobilität, Schutz und Wirkung fließen.
Laut „Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union“ sind 40 Millionen Euro zur Beschaffung von Drohnen und Dienstleistungen vereinbart. Auf Nachfrage der WZ heißt es von Seiten der Bundesbeschaffung GmbH, dass seit August 2025 rund 31.000 Euro abgerufen wurden.
Was steckt hinter dem Vorhaben, einen „Drohnenwall“ aufzubauen?
Die EU-Kommission drängt auf den sogenannten „Drohnenwall“. Abfangsysteme, Detektoren und Radare sollen dafür sorgen, dass keine russischen Drohnen mehr in den europäischen Luftraum eindringen.
In einem ersten Schritt ist der Aufbau des Walls über Osteuropa geplant. Der Aufbau soll laut Andrius Kubilius, EU-Kommissar für Verteidigung, ein Jahr dauern. Geht es nach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und einigen südeuropäischen EU-Mitgliedstaaten, soll das Projekt erweitert werden, sodass der Wall Europa von allen Seiten schützt. Die Teilnahme von EU-Mitgliedstaaten soll jedenfalls freiwillig sein.
Und bis dahin?
Nachdem sich letzte Woche die Staats- und Regierungschefs der EU mit EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in Kopenhagen ausgetauscht und ihre Standpunkte geteilt haben, treffen sich die Politspitzen der EU Ende Oktober zum nächsten Europäischen Rat. Dort sollen Details zum Aufbau des „Drohnenwalls“ endgültig beschlossen werden.
Bis dahin sollte es auch mehr Klarheit über die militärisch-technische Ausgestaltung geben. Denn auch das Österreichische Bundesheer hat noch keine genaueren Informationen über die Kosten des Walls.
Inwiefern Österreich sich am Aufbau des Walls beteiligen wird, ist also noch nicht entschieden. Jedenfalls äußerte sich Bundeskanzler Christian Stocker am Rande des Treffens in Kopenhagen positiv zu gemeinsamen Beschaffungen zur Verteidigung des Luftraums.
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Infos und Quellen
Genese
Im September dieses Jahres drangen immer wieder Drohnen in den europäischen Luftraum ein. Daneben wurde auch der Luftverkehr durch kleinere Drohnen stillgelegt. Da diese Drohnen ein Risiko für die Bevölkerung darstellen, hat sich die WZ die wichtigsten Fragen zu Drohnen und Drohnenabwehr gestellt.
Gesprächspartner:innen
Generalmajor Gerfried Promberger, Kommandant der Luftstreitkräfte und „Air Chief“ des Österreichischen Bundesheeres
Daten und Fakten
- Drohnen umfassen zivile wie militärische unbemannte Luftfahrzeuge, die sich vor allem nach Funktion, Größe und Einsatzprofil unterscheiden. In Europa sind dafür zwei Systeme zur Einordnung gängig: Im militärischen Bereich die NATO-Klassen I–III, die nach Gewicht und Flughöhe unterscheiden, und im zivilen Bereich die Kategorien der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) – Open, Specific und Certified –, die sich nach dem jeweiligen Einsatzrisiko richten.
- VTOL-Systeme gibt es auch maritim als VTOL-UAS: für Seebeobachtung und Such-und-Rettung.
- Der oft verwendete Begriff „FPV“ (First Person View) bezeichnet keine eigene Drohnenklasse, sondern eine Steuerungstechnik – die Pilot:innen über eine Videobrille direkt aus der Perspektive der Drohne steuern.
- Wichtige Drohnentypen und ihre Rollen: kleine Multicopter für Foto/Inspektion (zivil, geringe militärische Relevanz); wendige FPV-Racer/Cine-FPV, die oft improvisiert als Angriffsplattformen genutzt werden; VTOL-Fixed-Wing für senkrechten Start und effiziente Langstreckenüberwachung; kleine taktische ISR-Systeme für Echtzeitaufklärung auf Bataillons-/Brigadeebene; maritime VTOL-UAS für Seebeobachtung und SAR; MALE-Systeme für persistente ISR und mögliche Bewaffnung; HALE-Plattformen für strategische, hochfliegende Aufklärung sowie Schwärme aus günstigen FPV/DIY-Drohnen zur Überlastung der Flugabwehr oder zum Angriff auf Infrastruktur.
- Für die Einordnung von „Drohnenangriffen“ ist entscheidend, ob es sich um Loitering Munitions oder Schwärme handelt (direkter Angriff) oder um ISR-, MALE- oder HALE-Systeme (Aufklärung und gezielte Schläge) – das bestimmt Wirkung, Reichweite und Abwehrbedarf.
- „Kamikaze-Drohne“ ist ein umgangssprachlicher Sammelbegriff für jede Drohne, die als Einwegwaffe in ein Ziel gesteuert wird. Loitering Munitions sind technisch spezialisierte Kamikaze-Systeme, von Anfang an als Einweg-Waffe mit Sprengkopf konstruiert, die Ziele erfassen und durch Einschag zerstören sollen. Improvisierte Kamikaze-Angriffe erfolgen hingegen mit umgebauten FPV-, Consumer- oder DIY-Drohnen. FPV (First Person View) bezeichnet primär eine Steuerungstechnik (Steuerung aus Sicht der Drohne), nicht eine eigene Klasse.
- Bei Drohnen liefern österreichische Firmen technische Ergänzungen und Sensorik, wie etwa LiDAR-Sensoren, Avionik und Luftfahrtkomponenten.
Quellen
- Airbus, Eurodrone: https://www.airbus.com/en/products-services/defence/uas/eurodrone
- AeroVironment, Switchblade: https://www.avinc.com/lms/switchblade
- Ausschreibungen der EU, TED-Datenbank: https://ted.europa.eu/
- Austro Control, Drohneninformationen: https://www.austrocontrol.at/drohnen
- Baykar, Bayraktar TB2: https://baykartech.com/en/uav/bayraktar-tb2/
- Bundeswehr Mediathek, „Ukraine-Dossier Reisner – Drohnen”: https://zms.bundeswehr.de/de/mediathek/ukraine-dossier-reisner-drohnen-5986698
- Business Insider, Russland startet 2000 Shahed-Drohnen in einer Nacht (2025-07): https://www.businessinsider.com/russia-shahed-drones-launch-2000-one-night-german-general-analysis-2025-7
- FACC, Aerospace-Komponenten: https://www.facc.com/en/
- Israel Aerospace Industries, Heron TP: https://www.iai.co.il/p/heron-tp
- Northrop Grumman, Global Hawk: https://www.northropgrumman.com/what-we-do/aircraft/global-hawk
- Österreich.gv.at, Drohnenkategorien open, specific, certified (Anwendungsszenarien): https://www.oesterreich.gv.at/themen/freizeit_und_strassenverkehr/flugverkehr/Seite.2304100.html
- Quantum Systems, UAV-Systeme: https://quantum-systems.com/
- Reuters, Russland produziert neue Kamikaze-Drohne mit chinesischem Motor (2024-09-13): https://www.reuters.com/world/europe/russia-produces-new-kamikaze-drone-with-chinese-engine-say-european-intel-2024-09-13/
- Reuters, Russische TV-Bilder aus Drohnenfabrik (2025-07-21): https://www.reuters.com/business/media-telecom/russian-tv-shows-teenagers-worlds-biggest-drone-factory-making-arms-hit-ukraine-2025-07-21/
- Schiebel, Camcopter S-100: https://schiebel.net/products/camcopter-s-100/
- Wikipedia, STC Orlan-10: https://en.wikipedia.org/wiki/STC_Orlan-10
Das Thema in der WZ
Das Thema in anderen Medien
- Kleine Zeitung: Darf das Bundesheer von sich aus Drohnen abschießen?
- Bayrischer Rundfunk: Ab nächstem Jahr: Drohnen liefern Medikamente ans Fensterbrett
- Euractiv: EU defence chief says ‘drone wall’ could be ready within one year
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