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Genauso wie manche Menschen Lehrer:innen neun Wochen Sommerferien neiden, heißt es über die Mandatar:innen im Hohen Haus oft, sie würden in der sitzungsfreien Zeit nichts arbeiten. Doch das stimmt nicht.
In der ersten Juliwoche verabschiedete sich der Nationalrat in die Sommerpause und damit heuer fast schon aus der aktuellen Legislaturperiode. Die begann im Parlament am 23. Oktober 2019, mit der konstituierenden Sitzung, die der damaligen Nationalratswahl folgte. Bis zum heurigen Wahltag am 29. September ist nur noch eine reguläre Sitzung geplant, eine Sondersitzung wird wohl auch noch dazukommen, aber das war es dann.
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Heißt es für die Abgeordneten also jetzt fast drei Monate Urlaub? Oder was machen Mandatar:innen, wenn im Parlament nicht getagt wird? In der Regel nicht mehr Urlaub als der oder die normale Österreicher:in. Denn die Teilnahme an Nationalratssitzungen und die Abstimmung über Gesetze ist nur ein kleiner Teil ihrer Arbeit, der größere ist, wenn nicht gerade ein Wahljahr mit Wahlkampftour ist, für Außenstehende unsichtbar.
Ausschüsse, Sitzungen und das Plenum
Grünen-Mandatar David Stögmüller beschreibt das so: „Das Plenum ist der Abschluss des parlamentarischen Prozesses, wo auch der Bevölkerung noch einmal mitgeteilt wird, wie sich die Parteien in einzelnen Gesetzesfragen entschieden haben.“ Die Vorarbeit dafür ist der eigentliche Hauptjob, das untermauert ein Blick auf die von der Parlamentsdirektion zum Finale im Juli vorgelegte Statistik: 1.454 Sitzungen gab es seit Beginn der Legislaturperiode, nur 269 davon waren reguläre Plenarsitzungen. 1.025-mal tagten dafür die parlamentarischen Ausschüsse.
In diesen werden alle Gesetzesentwürfe diskutiert, bevor sie im Plenum beschlossen werden. 39 solcher Ausschüsse gibt es aktuell, vom Ausschuss für Arbeit und Soziales bis zum Wissenschaftsausschuss sind sie den verschiedenen inhaltlichen Themen gewidmet, dazu kamen die diversen Untersuchungsausschüsse.
Nicht jede:r der 183 Abgeordneten hat freilich dasselbe Pensum an Ausschussarbeit. Das variiert je nach Größe der jeweiligen Fraktion und ist auch in Regierungs- und Oppositionsparteien unterschiedlich. Stögmüller gehört mit neun Ausschüssen zu den aktiveren Parlamentarier:innen. Für ihn ist die Aufgabe im Nationalrat daher auch „ein Fulltime-Job“, wie er sagt. Das ist nicht bei allen Abgeordneten so, viele haben neben dem Mandat einen Zivilberuf, einige sind Bürgermeister:innen. „Die sind dann in weniger Ausschüssen vertreten, haben ein anderes Aufgabenprofil und konzentrieren sich mehr auf die Arbeit im Wahlkreis“, so Stögmüller. Wieder andere profilieren sich als Vielredner:innen im Plenum: Die Statistik sieht den scheidenden Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker mit 299 Redebeiträgen in dieser Legislaturperiode an der Spitze.
Wie ein Gesetz von der Idee zum Beschluss kommt
Einer von Stögmüllers wichtigsten Ausschüssen ist der Landesverteidigungsausschuss. Wie alle Bereichssprecher:innen des Juniorpartners war er stets schon auf Ministeriumsebene bei Vorbereitungen von Gesetzesentwürfen eingebunden, und da gab es einige. „Das bedeutet verhandeln, Stakeholder treffen, wieder verhandeln, mit Expert:innen reden, mit der Opposition, alles noch bevor ein Gesetz in den Ausschuss kommt“, sagt er.
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Wie lang dauert es, bis ein Gesetz von der Idee zum Beschluss kommt? „Das ist ganz unterschiedlich, ich habe schon an Gesetzen mitgearbeitet, die haben drei Jahre gebraucht, das Krisensicherheitsgesetz zum Beispiel. Und manchmal ist ein Initiativantrag in zwei, drei Tagen fertig.“ In der Regel ist es aber eher ein monate-, wenn nicht jahrelanger Prozess.
Stögmüller kennt sowohl die regierungsseitige Arbeit im Nationalrat als auch die Rolle als Oppositionsvertreter. Eine Zeit lang war er als Bundesrat mit einer Kollegin sogar einzige Vertretung der Grünen im Parlament. Dessen Vorteil sei, dass in den Ausschüssen, anders als im Nationalrat, nicht die Minister:innen Rede und Antwort stehen, sondern Sektionschef:innen und Beamt:innen, „da kann man viel mehr inhaltlich und sachlich diskutieren“.
Der Unterschied zwischen Regierungs- und Oppositionsarbeit
Als Oppositionsabgeordnete:r ist man bei den Gesetzesverhandlungen naturgemäß nicht dabei, seine Standpunkte bringt man dann im Ausschuss ein, wo mit den Fachminister:innen über die Gesetzesvorschläge diskutiert wird. Obwohl abseits der Öffentlichkeit, „wird auch da schon manchmal heftig gestritten“, sagt Stögmüller, „aber das gehört dazu, es ist Aufgabe der Opposition, kritisch zu hinterfragen, solang es respektvoll geschieht“, sagt er. Dass im Plenum bei den öffentlichen Debatten oft der Eindruck entsteht, es werde nur gestritten, verteidigt er: „Das Streiten und Diskutieren ist wichtig, weil es der Bevölkerung zeigt, wie sich die Parteien zu den Gesetzen positioniert haben.“
Apropos Opposition: Eine der häufigsten Tätigkeiten in dieser Funktion ist das Einbringen parlamentarischer Anfragen an die Regierung. Damit können die Parteien von Minister:innen Auskunft zu jedem Thema begehren, für das diese zuständig sind. Serienanfragen zu Mitarbeiter: innenkosten oder Werbeausgaben sind ein beliebtes Instrument. Mit Anfang Juli wurden in dieser Legislaturperiode 19.054 Anfragen gezählt.
Egal ob Regierungspartei oder Opposition, als Abgeordnete:r hat man Anspruch auf eine:n parlamentarischen Mitarbeiter:in zur Unterstützung. Welche Aufgaben diese übernehmen, können die Mandatar:innen frei entscheiden: Von Buchhaltung über inhaltliche Recherchen bis zu Terminkoordination oder Social-Media-Betreuung reicht die Palette.
Was machen Abgeordnete im Sommer?
Nun tagen im Sommer aber weder Ausschüsse noch das Plenum, was machen Stögmüller und seine 182 Kolleg:innen also in dieser Zeit? „Natürlich auch Urlaub und dann viel im Wahlkreis unterwegs sein, Leute treffen und Termine machen, für die sonst keine Zeit ist“, sagt Stögmüller − von Bürgermeister:innen bis zu Gemeindegruppen, vom Feuerwehrfest bis zu NGOs. Denn in Tagungszeiten haben die meisten einen ziemlich durchgetakteten Terminplan: Neben Ausschuss- und Plenarsitzungen stehen unter anderem auch regelmäßige Klubsitzungen, etliche Medientermine und verschiedenste Jours Fixes an. „Im Sommer zeigt man sein Gesicht mehr zuhause“, so Stögmüller. Von Wahlkampf will er zumindest für Juli und August nicht sprechen: „Da sind die Menschen nicht aufnahmebereit, das geht im September los.“
Und was passiert im Hohen Haus selbst, wenn nicht getagt wird? „Wir haben zwar reduzierten, aber aufrechten Betrieb“, erklärt der Sprecher der Parlamentsdirektion, Karl Heinz Grundböck. Auch wenn in der Parlamentsdirektion im Sommer Haupturlaubszeit sei, „ist in den wesentlichen Abteilungen immer jemand da“. Das liegt einerseits daran, dass man immer auf eine etwaige Sondersitzung vorbereitet sein müsse, die im Nationalrat stattfinden könne. Andererseits laufe der Besuchsbetrieb samt Führungen „auch im Sommer ganz normal weiter, das Parlament ist also offen“. Eine einzige Ausnahme gibt es: Die erste Augustwoche ist „Schließwoche für technische Wartungsarbeiten“, erklärt Grundböck. Alle anderen notwendigen Bau- und Adaptierungsarbeiten werden nach Plan im Juli und August begleitend zum Betrieb im Hohen Haus durchgeführt.
Das Parlament wird für die Wahl zum Medienzentrum
Das Wahljahr bedeutet auch für die Mitarbeiter:innen der Parlamentsdirektion zusätzliche Aufgaben: Am Wahltag, dem 29. September, dient das Parlament heuer als Medienzentrum. „Das bedeutet, dass rund 1.000 Medienvertreter:innen an diesem Tag aus dem Parlament berichten werden“, sagt Grundböck. Rund um die Säulenhalle, dem Zentrum am Wahltag, müssen die Ausschusslokale technisch für TV-Übertragungen vorbereitet und temporäre Arbeitsplätze für Journalist:innen geschaffen werden. Von Interviews bis zu den Elefantenrunden soll sich diesmal am Wahltag alles im Parlament abspielen.
Weitere Vorbereitungen trifft die Parlamentsdirektion auch schon für die konstituierende Sitzung des Nationalrats im Oktober und die damit einhergehende Ankunft neuer Abgeordneter. „Für die wird es ein Servicecenter geben, mit allen Informationen, die sie für ihre neue Rolle brauchen“, sagt Grundböck. Bei weitem nicht alle derzeitigen Mandatar:innen kandidieren wieder, oder haben, wenn doch, einen sicheren Listenplatz wie Stögmüller.
In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner
David Stögmüller, Nationalratsabgeordneter (Grüne)
Karl Heinz Grundböck, Sprecher der Parlamentsdirektion
Daten und Fakten
Der Nationalrat hat 183 Abgeordnete.
Regulär dauert eine Legislaturperiode und damit eine Amtszeit der Mandatar:innen fünf Jahre.
Da es sich bei der Nationalratswahl nicht um eine Direktwahl handelt, können nur Listen bzw. Parteien gewählt werden, die über die Reihung ihrer Kandidat:innen und damit ihre Chance auf einen Einzug in den Nationalrat selbst bestimmen. Das ist ein recht kompliziertes Spiel, da es neben der Bundesliste auch noch die Landesliste und Wahlkreisergebnisse gibt, aus denen sich die von einer Partei erreichte Mandatsverteilung ergibt.
Die Verteilung der 183 Sitze auf die einzelnen Parteien entsprechend ihres Wahlergebnisses erfolgt über ein mathematisches Modell, das d’Hondtsche System.
Eine Vorreihung auf der Wahlliste können Kandidat:innen via Vorzugsstimmen erreichen. Je nachdem, ob die Vorzugsstimmen via Bundes-, Landes- oder Regionalwahlliste vergeben wurden, ist eine unterschiedliche Prozentzahl an den gesamten Stimmen einer Partei für eine Vorreihung nötig.
Kandidieren kann jede:r Österreicher:in über 18 Jahre. Eine Beschränkung, wie oft man kandidieren kann, gibt es nicht.
Die Anzahl und Bezeichnungen der Ausschüsse, in denen die Abgeordneten über vorbereitete Gesetzesentwürfe diskutieren, wird in jeder Legislaturperiode neu festgelegt. Wer von einer Partei in welche Ausschüsse geht, legen diese selbst fest.
Das monatliche Bruttogehalt liegt derzeit bei 10.351,39 Euro.
Quellen
Parlament: Wahlrecht
RIS: Gesamte Rechtsvorschrift für Nationalrats-Wahlordnung 1992
NEOS: Nationalratsabgeordnete
Parlament: Abgeordnete zum Nationalrat
SPÖ: Nationalrat
Grüne: Die grünen im Parlament