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Nächste Woche hält Finanzminister Markus Marterbauer (SPÖ) seine erste Budgetrede im Parlament. Er wird tiefrote Zahlen und einen Sparkurs präsentieren – dessen Notwendigkeit hatte er in seiner Funktion im Fiskalrat schon im Vorjahr vorausgesehen.
Mehr außer öffentlich davor zu warnen, kann dieser Fiskalrat trotz seiner eigentlich gewichtigen Rolle nicht.
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Nicht nur das kommende Budget ist tiefrot. Auch 2024 hat der Staat viel mehr ausgegeben als eingenommen – um satte 22,5 Milliarden Euro. Daraus ergab sich im Saldo ein Budgetdefizit von 4,7 Prozent der Wirtschaftsleistung (gemessen als Bruttoinlandsprodukt, BIP) unseres Landes.
Marterbauer war einer der ersten, der das hatte kommen sehen. Und zwar schon zu einem Zeitpunkt, als sein Vorgänger Magnus Brunner (ÖVP) noch versicherte, dass das Staatsdefizit in dem nach EU-Regeln definierten Rahmen von unter drei Prozent des BIP bleiben würde. Denn Marterbauer war bis zu seinem Wechsel in die Politik Vizepräsident des Fiskalrats. Dessen Defizitprognose lag schon im Juni 2024 mit 3,4 Prozent über dem EU-Ziel, nach dem Sommer kratzte sie an der 4-Prozentmarke. „Wir können nicht nachvollziehen, was das Finanzministerium da rechnet“, war nur eine von vielen kritischen Anmerkungen, die Fiskalrats-Präsident Christoph Badelt damals äußerte. Letztlich zeigte sich: Er und seine Experten sollten weit näher an der Wahrheit liegen als Brunner. Aber wie kommt es, dass Finanzministerium und Fiskalrat so unterschiedliche Zahlen errechnen – und was kann bzw. soll der Fiskalrat eigentlich tun?
Budgetplanung
Dazu eine kurze Erklärung, wie so ein Staatsbudget überhaupt zustande kommt: Grundsätzlich ist die Budgetplanung Aufgabe der Finanzministerin, des Finanzministers. Sie oder er berät mit seinen oder ihren Regierungskolleg:innen über die in ihren Ressorts notwendigen Ausgaben und stellt das mit den erwarteten Staatseinnahmen – im Wesentlichen aus Steuern – gegenüber. Über den sogenannten Finanzausgleich bekommen Länder und Gemeinden, die selbst keine wesentlichen Steuern einnehmen, für ihre Ausgaben ebenfalls Geld aus dem Staatshaushalt. Im Idealfall sollte der Staat insgesamt nur so viel ausgeben, wie er auch einnimmt, tatsächlich gelingt das so gut wie nie. Gibt er mehr aus, entsteht ein Defizit.
Ob die Regierung ihre Budgetziele erreicht, zeigt sich aber immer erst im Nachhinein, denn alle Zahlen basieren auf Annahmen, besonders über die wirtschaftliche Entwicklung. Geben die Menschen weniger aus, als das Finanzministerium erwartet, bleiben die Einnahmen aus der Umsatzsteuer unter Plan. Steigt die Arbeitslosigkeit, sinken die erwarteten Einnahmen aus der Lohnsteuer, um nur zwei Beispiele zu nennen. Große Ausgabenbrocken wie etwa Pensionen oder auch Lehrer:innen- bzw. Beamt:innengehälter sind dagegen Fixkosten. Das Budget enthält also alle geplanten Ausgaben bzw. die erwartete Entwicklung variabler Ausgaben und alle erwarteten Einnahmen.
Fiskalrat überprüft Budgetannahmen
Eine der wesentlichen Aufgaben des Fiskalrats, der aus 15 Mitgliedern besteht, ist es nun, diese Budgetannahmen der Regierung „auf Plausibilität zu überprüfen“, wie Hanno Lorenz, Wirtschaftsexperte von der Agenda Austria, erklärt. Was das konkret umfasst, ist gesetzlich geregelt, unter anderem genannt wird die „Einschätzung der finanzpolitischen Lage mit Vorschau“, ein analytischer Blick auf die Staatsschulden, aber auch die Analyse der „Nachhaltigkeit und Qualität der Budgetpolitik“.
Und diese Aufgabe nimmt der weisungsfreie Fiskalrat sehr ernst, wie die Wortmeldungen Badelts in den vergangenen Monaten zeigten. Aber warum kamen die Expert:innen schon im Vorjahr zu anderen Zahlen als die Beamt:innen des Finanzministeriums? Die Basis, nämlich die Prognosen über die wirtschaftliche Entwicklung, beziehen beide unter anderem aus den Daten des Wirtschaftsforschungsinstituts – doch welche Auswirkungen auf die einzelnen Budgetposten dann tatsächlich angenommen werden, ist in der Modellrechnung auch eine Einschätzungssache. Oder, wie Badelt im Gespräch mit der WZ erklärt: „Prognosen werden in den Wirtschaftswissenschaften nie ganz genau sein können, da gibt es immer Interpretationsspielraum und das ist nichts Unmoralisches“. Tatsächlich schätzen die zwei bis drei Expert:innen des Fiskalrats die Entwicklung jedes einzelnen Budgetpostens hoch, da können sich schnell Abweichungen zu den Einschätzungen des Finanzministeriums ergeben. Es sei aber auch „offenkundig“ gewesen, „dass Finanzminister Brunner im Wahljahr lieber den Eindruck erwecken wollte, wir erfüllen, was Brüssel will“. Weil die Unterschiede derart frappant waren, verlangten Badelt und Brunner sogar Aufklärung, wie der Fiskalrats-Chef verrät: „Unsere Leute haben sich mit den Beamt:innen des Finanzministeriums zusammengesetzt, um das zu klären, aber es ist einfach nix herausgekommen“.
Datenquellen
Zum Teil lassen sich die Unterschiede aber auch aus unterschiedlichen Herangehensweisen bei der Berechnung erklären – und dadurch, dass die Einnahmen und Ausgaben der Länder, Gemeinden und Sozialversicherung, die ja ebenfalls Teil des gesamtstaatlichen Budgets sind, bis zum Abschluss des Budgetjahres nur geschätzt werden können, während die Zahlen des Bundes monatsweise abgerechnet werden. Hier sieht Agenda Austria-Ökonom Lorenz auch einen Ansatz für Verbesserungen bei der Budgetplanung: „Wenn es zumindest quartalsweise Einblick in die Zahlen von Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung gäbe, hätte man früher genauere Daten“.
Und wie kommt es, dass für heuer, 2025, das WIFO in seiner offiziellen Prognose im März noch von einem Defizit von 3,3 Prozent ausging, und der Fiskalrat wenige Wochen später mit erwarteten 4,4 Prozent eine weitere Hiobsbotschaft zu vermelden hatte? „Das liegt daran, dass zum Zeitpunkt unserer Prognose schon die offiziellen Wirtschaftsdaten 2024 vorlagen, die das WIFO bei seiner Prognose noch nicht hatte. Und die Zahlen waren noch einmal wesentlich schlechter, als alle angenommen hatten“, erklärt Badelt.
Der Fiskalrat hat eine überaus eine gewichtige Rolle – immerhin ist seine Einrichtung als Wächter über die Staatsfinanzen sogar EU-Verpflichtung. Eine Handhabe, wenn seine Mitglieder zum Schluss kommen, dass das Budget aus dem Ruder läuft, hat das Gremium aber nicht. Weshalb Badelt auf die Frage, ob er seine Aufgaben erfüllen kann, zunächst auf die Gesetzeslage verweist: „Wir sind nicht demokratisch legitimiert, sondern sind eine Fachinstanz, die beratend tätig ist, was auf der politischen Ebene passiert, dafür ist die Politik verantwortlich“. Es folgt ein großes Aber: „Man braucht schon eine dicke Haut, wenn man das Gefühl hat, man hat Erkenntnisse, die zwar in den Medien mit Interesse aufgenommen werden, die aber nicht immer zu Handlungskonsequenzen in der Regierung führen. Die letzte Regierung hat wirklich große Fehler gemacht, was das Zulassen des Auseinanderklaffens von Einnahmen und Ausgaben betrifft“.
Lorenz spricht sich daher für mehr Kompetenzen des Fiskalrats aus: „Es wäre hilfreich, mehr Abstimmungsmöglichkeiten zu haben, das könnte der Fiskalrat oder der Rechnungshof übernehmen, mit der EU gemeinsam, dass es eine Art Verpflichtung gibt, grobe Unplausibiltäten im Budget zu erklären“.
In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner
- Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats
- Hanno Lorenz, Ökonom, Agenda Austria
Daten und Fakten
- Der Fiskalrat ging nach Österreichs EU-Beitritt 1995 im Jahr 2013 als Weiterentwicklung aus dem Staatsschuldenausschuss hervor. 1997 trat der Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU in Kraft, dessen Ziel ist, die Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten zu koordinieren. Eine der wichtigsten Vereinbarungen dabei ist, dass sich die EU-Länder verpflichtet haben, ihr gesamtstaatliches Budgetdefizit unter drei Prozent nach Maastricht-Kriterien zu halten. Der Fiskalrat übernimmt unter anderem die Aufgabe, die finanzpolitische Entwicklung zu beobachten und bei drohendem Verfehlen der EU-Defizite frühzeitig zu warnen. Ausdrücklich gehört auch die „Mitwirkung bei der öffentlichen Meinungsbildung“ zu den Aufgaben des Fiskalrats. 2021 wurde das Gesetz über Aufgaben und Besetzung angepasst.
- Bestellt werden die 15 Mitglieder, die ihre Tätigkeit nebenberuflich ausüben, für jeweils sechs Jahre von Bundesregierung (sechs Mitglieder) in Abstimmung mit Wirtschafts- und Landwirtschaftskammer (drei Mitglieder) und Arbeiterkammer (drei Mitglieder), je ein, nicht stimmberechtigtest Mitglied stellen Gemeindebund, Städtebund und der Landeshauptleutekonferenz.
- Die EU-Staaten haben sich mit der Einführung des Euro zur Einhaltung der sogenannten, im Vertrag von Maastricht festgelegten, Maastricht-Kriterien verpflichtet. Diese sehen vor, dass das gesamtstaatliche Defizit drei Prozent des BIP nicht übersteigen darf, zudem soll der Staatsschuldenstand nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen – letzteres verfehlt Österreich seit Jahren, 2024 lag die Staatsschuldenquote bei 81,7 Prozent.
Quellen
- fiskalrat.at: Aufgaben
- fiskalrat.at: Berichte über die öffentlichen Finanzen