Mario Kunasek ist der erste steirische Landeshauptmann, der nicht aus der ÖVP oder der SPÖ kommt. Was ein FPÖ-Landeshauptmann für das Machtgefüge in der Republik bedeutet und vor allem, was so ein:e Landeschef:in überhaupt machen muss. Ein Überblick.
„Er oder sie muss die Menschen mögen“ – das ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um als Landeshauptmann oder Landeshauptfrau erfolgreich zu sein. Und das sagt nicht irgendwer, sondern Josef Pühringer (ÖVP). Er war selbst 22 Jahre Landeshauptmann in Oberösterreich. Was wie eine Banalität klingt und sich auch in keinem Gesetz finden lässt, beschreibt doch die Grundanforderung an das Amt bestens, sagt er. Denn wenn „der LH“ – oder „die LH“ – das nicht mitbringt, „wird er oder sie nie die Nähe erreichen, die es braucht, um ein guter Landeshauptmann oder eine gute Landeshauptfrau zu sein“. Im Grund bestätigt Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle diese Innensicht auch von außen: Eine der wichtigsten Aufgaben sei, „eine verbindende Figur“ zu sein.
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Nun denn. Ob Kunasek ein Menschenfreund ist, wird er ab sofort beweisen müssen. Fest steht, dass er der erste blaue Landeshauptmann in der Steiermark ist – nach Jörg Haider in Kärnten der erst zweite in Österreich. Was das für das Zusammenspiel der neun Länderchef:innen in der Landeshauptleute-Konferenz bedeutet, folgt am Schluss.
Der Landeshauptmann/die Landeshauptfrau muss das Land zusammenhalten
Zunächst zu den Aufgaben im eigenen Bundesland. Auch da verweist Pühringer erst einmal nicht auf die Gesetze, sondern auf Atmosphärisches: „Wichtigste Aufgabe ist, das Land zusammenzuhalten. Ein Land ist bunt, der Landeshauptmann ist einer, der den Zusammenhalt stärken muss, der nicht spaltet. Die zweite Aufgabe ist, die Zukunft des Landes im Blick zu haben – nicht nur, was die Anliegen der Bürger:innen angeht, sondern auch, wie man das Land nach vorn bringt.“ Da kommen wir schon eher zum gesetzlichen Rahmen. Dazu muss man wissen: In Österreich gibt es die mittelbare Bundesverwaltung. Das bedeutet im Kern, dass viele Gesetze, die vom Bund vorgegeben werden, von den Ländern vollzogen werden. Der Landeshauptmann, die Landeshauptfrau, steht der Landesregierung vor, dieser unterstehen wiederum die Landesbehörden. Kunasek wird einerseits der oberste Chef in dieser Kette, andererseits ist er inhaltlich bei der Vollziehung von Bundesgesetzen den jeweils ressortzuständigen Minister:innen unterstellt, ja sogar weisungsgebunden. Stainer-Hämmerle erklärt: „Die Ministerien können den Ländern über die Landeshauptleute vorschreiben, wie gewisse Gesetze vollzogen werden.“
Tatsächlich sind derartige Weisungen die Ausnahme. „Mir hat in 22 Jahren nie ein Minister eine Weisung gegeben“, sagt Pühringer, „ich kann mich überhaupt nur an ganz wenige Fälle erinnern, wo das vorgekommen ist.“ Einer ereignete sich rund um den 8. Dezember 1984: Der damalige Salzburger Landeshauptmann, Wilfried Haslauer Senior, erlaubte per Verordnung die Öffnung der Geschäfte am Feiertag – entgegen dem Ladenschlussgesetz (ein Bundesgesetz) und der Weisung von Sozialminister Josef Dallinger, dieses zu achten. Der Verfassungsgerichtshof stellte fest, dass Haslauer im Unrecht war.
Zu Landesvätern kamen Landesmütter – heute sind alle Krisenmanager
Dass er sich bewusst einem Bundesgesetz widersetzte, liegt auch an der faktischen Macht, die ein Landeshauptmann, eine Landeshauptfrau hat. Diese Macht war vor Jahrzehnten noch viel ausgeprägter. Da war der Nimbus des „Landesvaters“ – oder, mit Waltraud Klasnic 1996 in der Steiermark erstmals der „Landesmutter“ – noch fest in den Köpfen der Bürger:innen verankert. Er oder sie galt als eine:r, der oder die alles richten kann. „Ich bin oft konfrontiert worden mit der Situation, dass die Leute geglaubt haben, der LH kann das eh regeln. Ich konnte es aber nicht, weil ich mich nicht über Bundesgesetze hinwegsetzen konnte. Im Bild der Bürger:innen hat der Landeshauptmann eine ungeheuer starke Position“, sagt Pühringer. Wobei er einen Wandel sieht: „Die Rolle hat sich ein wenig verändert, hin zum Landesmanager, aber der Landesvater ist deswegen nicht ganz abhandengekommen.“ Auch Stainer-Hämmerle konstatiert: „Das Image des Landesvaters, der Landesmutter, ist ein bisschen abhandengekommen, die Landeshauptleute sind mehr Krisenmanager geworden.“ Verantwortlich für den gefühlten Machtverlust seien die knapperen Mehrheitsverhältnisse und, dass SPÖ oder ÖVP ihre Erbpacht auf den Landeshauptmann-Posten in immer mehr Bundesländern verloren haben – vor Kunasek gab es in der Steiermark schon VP- und SP-Landeshauptleute. In Wien etwa hält die rote Vormacht noch, ebenso die schwarze in Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich.
Die Macht im Land
Landeshauptleute sind also formal Erfüllungsgehilfen des Bundes, informell haben sie durch ihre Position im Land aber große Macht. Zumeist auch innerhalb der eigenen Bundespartei – legendär ist die Achse Michael Häupl-Erwin Pröll zwischen dem früheren Wiener SPÖ-Bürgermeister und dem niederösterreichischen ÖVP-Landeshauptmann; die hielt manchmal sogar entgegen der jeweils eigenen Parteimeinung.
Ganz offiziell gibt es überdies einige Bereiche, die über Landesgesetzgebung geregelt werden, und wo der Landeshauptmann, die Landeshauptfrau, als Chef:in der Landesregierung den Ton angibt. Zu den Länderkompetenzen gehören etwa große Teile der Raumordnung und Raumplanung, Jugendschutz, Spitalswesen oder die Sozialhilfe – alles Themen, die in Wahlkämpfen oft eine große Rolle spielen. Stainer-Hämmerle verweist etwa auf die Diskussion um die Landesspitäler, die bei der steirischen Wahl eine große Rolle gespielt hat, „oder die immer wiederkehrende Diskussion, ob die unterschiedlichen Sozialhilfe-Regelungen manche Bundesländer attraktiver für Zuwanderer machen.“
Für Pühringer ergibt sich aus dem Zusammenspiel von gesetzlichen Kompetenzen und Ideen, die über den eigenen Kompetenzbereich hinausgehen, das eigentliche Tätigkeitsfeld: „Ein Landeshauptmann kann weit mehr, als rein gesetzlich geregelt ist, die gestalterische Kraft liegt nicht nur auf der Gesetzesebene. Da geht’s um Zukunftsideen, wie man den Wirtschaftsstandort absichert, um Kultur, und ein Gesamtpaket. Man muss die Kraft haben, diese Zukunftsvisionen umzusetzen – das kann keiner allein, da muss man auch die Kraft haben, die richtigen Mitstreiter:innen zu überzeugen“, sagt er.
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Apropos Mitstreiter:innen: Gegenüber dem Bund bei der Vertretung von Länderinteressen sind das die Kolleg:innen in der Landeshauptleutekonferenz. Dass mit Kunasek wohl der einzige Landeshauptmann hinzustößt, dessen Partei nicht in der Bundesregierung vertreten ist, könnte das Gremium schwächen, denn es herrscht Einstimmigkeitsprinzip. „Wenn er sich querlegt, kann er Beschlüsse blockieren“, sagt Stainer-Hämmerle. „Sehr oft wird das aber wohl nicht vorkommen“, ist sie überzeugt. Und auch Pühringer bestätigt: „Zwischen die Landeshauptleute passt selten ein Blatt Papier“ – vor allem, wenn es ums Geld geht, das über den Finanzausgleich vom Bund verteilt wird.
In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner:innen
Kathrin Stainer-Hämmerle, Politikwissenschaftlerin
Josef Pühringer, ehemaliger Landeshauptmann von Oberösterreich
Daten und Fakten
Die Republik Österreich basiert auf einem föderalistischen System, die neun Bundesländer haben jeweils eigene Landesregierungen, denen der/die Landeshauptmann/Landeshauptfrau vorsteht.
Über die mittelbare Bundesverwaltung vollziehen die Länder einerseits Bundesgesetze, andererseits legen die Landesgesetze die eigenen Kompetenzen fest.
Die Landesregierungen werden unterschiedlich gebildet – in den meisten Bundesländern wird die Landesregierung, so eine Partei nicht die absolute Mehrheit hat, nach erfolgter Landtagswahl über Koalitionen gebildet.
In Ober- und Niederösterreich gibt es noch ein Proporzsystem, das dazu führt, dass alle im Landtag vertretenen Parteien einen Sitz in der Landesregierung haben; ähnlich läuft das in Wien, hier haben die nicht-amtsführenden Stadträt:innen aber nicht einmal eine Ressortzuständigkeit.
In der Regel ist der/die Landeshauptmann/Landeshauptfrau auch Landesparteichef und hat als solche:r auch in der jeweiligen Bundespartei eine gewisse Machtposition.
Quellen
parlament.gv.at: Die Landeshauptleute
parlament.gv.at: Landesregierungen und Landesverwaltung
RIS: Bundesverfassung