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Was machen eigentlich die Volksanwält:innen?

6 Min
Die Volksanwaltschaft zählt zu den „Obersten Organen“ der Republik Österreich und kontrolliert seit 1977 auf Grundlage der Bundesverfassung die öffentliche Verwaltung.
© Illustration: WZ

Bis zu seiner Kür zum Nationalratspräsidenten war Walter Rosenkranz (FPÖ) einer von drei Volksanwält:innen. Sie sind Ombudsstelle für Bürger:innen, die Probleme mit der Verwaltung haben – rund 20.000 Beschwerden langen jährlich bei ihnen ein.


Gesperrte WC-Anlagen auf einem Wiener Friedhof: Damit befasste sich Gaby Schwarz, seit Juli 2022 von der ÖVP nominierte Volksanwältin, erst unlängst. „Ja, auch das ist ein wichtiges Thema, denken Sie zum Beispiel an ältere Menschen, die die Gräber ihrer Verwandten besuchen“, sagt sie. Der Fall – laut Friedhöfen Wien ist das WC wegen mehrfachem Vandalismus nur noch während Begräbnissen geöffnet – war bis zum Erscheinen dieses Beitrags ungelöst.

Es sind kleine und größere Dramen, mit denen sich Schwarz, ihr von der SPÖ nominierter Kollege Bernhard Achitz und künftig Elisabeth Schwetz, von der FPÖ nominiert, befassen. Die Volksanwaltschaft ist ein unabhängiges Kontrollorgan für die Verwaltung – alles, was Bürger:innen im Kontakt mit welchen Behörden auch immer widerfährt, kann ein Fall für das Trio werden. Ausgenommen sind Gerichtsverfahren; hier ist die Volksanwaltschaft nur für das Prüfen bei vermuteter überlanger Verfahrensdauer zuständig.

Weil das heimische Behördenwesen durchaus ausgeprägt ist, hat jeder Volksanwalt und jede Volksanwältin einen ihm oder ihr zugewiesenen Geschäftsbereich. Schwetz übernimmt Rosenkranz‘ Agenden und damit unter anderem jenen Bereich, aus dem im Vorjahr die meisten Beschwerden an die Volksanwaltschaft herangetragen wurden: innere Sicherheit. Von den rund 7.800 Beschwerden betreffend die Bundesverwaltung fielen mehr als 2.000 in diesem Bereich an.

Eine Übersicht über die Beschwerden, die die Volksanwaltschaft erreichten.
© Illustration: WZ

Dass ausgerechnet ein FP-Politiker Betroffenen von Missständen im Asyl- und Fremdenpolizeibereich zu ihrem Recht verhelfen muss, war schon bei Rosenkranz bemerkenswert – schlechte Nachrede hat er sich aber keine gemacht. Eine allzu lange Einarbeitungszeit sollte sich Schwetz nicht nehmen: Die Funktionsperiode der aktuellen Volksanwält:innen läuft bis Juli 2025, dann wird neu bestellt. Das Nominierungsrecht haben die drei stimmenstärksten Parteien im Parlament, gewählt werden die Volksanwält:innen im Hauptausschuss für sechs Jahre – nachdem alle derzeitigen in ihrer ersten Amtszeit sind, wäre eine – einmalige – Wiederwahl möglich.

Die Aufgabenverteilung der Volksanwält:innen

Wofür sind Schwetz‘ Kolleg:innen zuständig? Achitz ist unter anderem für Fälle aus den Bereichen Soziales und Gesundheit zuständig, in Schwarz‘ Prüfbereich gehört etwa die Justiz, Finanzverwaltung oder das Baurecht in Gemeinden. „Da geht es oft besonders heftig zu“, sagt sie. Etwa, wenn nach Jahrzehnten mit mehreren Eigentümer:innenwechseln plötzlich Grundstücksgrenzen hinterfragt werden und sich herausstellt, dass dabei einst von Gemeindeseite geschlampt wurde bzw. eine tatsächliche Verschiebung auf dem Papier nicht korrigiert wurde.

Neben den eigenen Aufgabenbereichen treffen sich die Volksanwält:innen einmal im Monat zu einer, wie Schwarz sagt, „kollegialen Sitzung, bei der wir uns über die größten Missstände in unseren Bereichen austauschen und planen, was wir gemeinsam öffentlich ansprechen wollen“. Und dann müssen sich Schwarz, Achitz und künftig Schwetz noch die Sprechtage in den Bundesländern und die Auftritte in der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ aufteilen. Im Schnitt sind die Volksanwält:innen zweimal pro Jahr in den Bezirkshauptstädten in jedem Bundesland, „da nehmen wir alle Fälle mit, nicht nur die aus unseren jeweiligen Geschäftsbereichen“, sagt Schwarz. Abwechselnd werden auch die ORF-Auftritte abgehalten, „jeder von uns schaut, dass er da Fälle zeigt, die exemplarisch auch für andere sein können. Und natürlich ist die Öffentlichkeit oft nochmal ein Turbo, dass etwas weitergeht.“

Wie läuft ein Verfahren in der Volksanwaltschaft überhaupt ab?

„Die meisten Beschwerden kommen per Telefon oder Mail, wir haben online auch ein Beschwerdeformular, das kommt alles in unseren digitalen Postordner und wird dann gleich nach Zuständigkeitsbereichen verteilt“, erklärt Schwarz.

Von den derzeit 99 Mitarbeiter:innen der Volksanwaltschaft sind rund ein Dutzend in jeder Abteilung Jurist:innen, „die prüfen dann die Fälle erst einmal“, sagt sie. Also ob die Volksanwaltschaft überhaupt zuständig ist, ob es Unterlagen zum Beschwerdefall gibt, die schon geschickt wurden und ob weitere Unterlagen angefordert werden müssen.

An den meisten Beschwerden „ist etwas dran“, sagt Schwarz, „auch wenn die österreichische Verwaltung gerade im internationalen Vergleich sehr gut funktioniert“. Dass sich Menschen ungerechtfertigterweise von den Behörden unfair behandelt fühlen, komme zwar vor, „aber so richtigen Suderanten bin ich in meiner Tätigkeit hier selten begegnet.“ Auch wenn es nicht immer ein Bescheid ist, der zu Unrecht ausgestellt wurde, manchmal sei auch der Ton der Behörden gegenüber den Bürger:innen verfehlt oder der Umgang: „Ich würde mir wünschen, dass es mehr Information seitens der Behörden gibt, wenn jemand kommt. Niemand soll sich abgeschasselt fühlen.“

Somit ist nach der Prüfung der Beschwerde der nächste Schritt meist, die betroffene Behörde um eine Stellungnahme zu bitten – und dann lässt sich über Vermittlung das Problem manchmal lösen, manchmal braucht es länger, und manchmal gibt es keine Lösung – „in einer Grundstücksangelegenheit an einem Baggersee mussten die Betroffenen auch noch vor Gericht gehen und haben in erster Instanz jetzt auch Recht bekommen. Aber der Prozess geht weiter“, berichtet Schwarz.

Jeden einzelnen Fall aus ihrem Bereich kennt sie nicht, „das ist bei der Zahl auch gar nicht möglich, und wir haben exzellente Jurist:innen, auf die wir uns zu 100 Prozent verlassen können, das Um und Auf ist das Team.“ Einzelne Fälle schaut sie sich aber immer wieder im Detail an und ganz besonders solche, die den Straf- und Maßnahmenvollzug betreffen. „Das ist so ein bisschen ein Schwerpunkt von mir, damit kann man politisch nix gewinnen, aber ich bin ja auch keine Politikerin mehr“, sagt sie.

Im Rahmen ihrer Kontrollfunktion für die Einhaltung der Menschenrechte lässt die Volksanwaltschaft regelmäßig Kontrollen in Justizanstalten, Polizeiinspektionen, Alten- und Pflegeheimen oder Kinder- und Jugendeinrichtungen durchführen. Von den 481 Kontrollen im Vorjahr gab bei fast zwei Dritteln Beanstandungen.

Aus ihren Beobachtungen und Prüfungen erstellen die drei Volksanwält:innen jedes Jahr einen Bericht mit Kritik und Verbesserungsvorschlägen, der dem Parlament vorgelegt wird. In der Bevölkerung genießt die Volksanwaltschaft hohes Ansehen: Im APA-OGM-Vertrauensindex der Institutionen liegt sie aktuell auf Platz zwei hinter dem Bundesheer. Und was sollte Schwetz mitbringen, um den Job gut machen zu können? Schwarz: „Die Fähigkeit, gut zuhören zu können, Empathie, die Bereitschaft, Menschen helfen zu wollen, und Unvoreingenommenheit.“

In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.


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Infos und Quellen

Gesprächspartnerin

  • Gaby Schwarz, Volksanwältin

Daten und Fakten

  • Die Volksanwaltschaft zählt zu den „Obersten Organen“ der Republik Österreich und kontrolliert seit 1977 auf Grundlage der Bundesverfassung die öffentliche Verwaltung. Seit 1. Juli 2012 hat die Volksanwaltschaft den verfassungsgesetzlichen Auftrag, im Rahmen eines Mandats der UNO die Einhaltung von Menschenrechten zu schützen und zu fördern.

  • Ihre Kompetenzen bei der Kontrolle der Verwaltung und die Ausgestaltung sind in der Bundesverfassung geregelt.

  • Nach den verfassungsgesetzlichen Bestimmungen kann sich jede:r bei der Volksanwaltschaft wegen behaupteter Missstände in der Verwaltung, einer behaupteten Verletzung in Menschenrechten oder wegen Säumnis eines Gerichts beschweren. Die Volksanwaltschaft hat jede Beschwerde zu prüfen.

  • Die drei Volksanwälti:nnen werden von den stimmenstärksten Parteien im Nationalrat vorgeschlagen und im Hauptausschuss für sechs Jahre bestellt. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich.

Quellen

Das Thema in der WZ

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