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Wehrpflicht für Frauen? Das sagen die Betroffenen

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In einigen europäischen Armeen sind Frauen bereits zum Wehrdienst verpflichtet.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Tobias Hase / dpa / picturedesk.com

Die russische Bedrohung und die Tatsache, dass junge Männer immer öfter untauglich sind, führt auch hierzulande zu einer Debatte über die Einführung der Wehrpflicht für Frauen. Wie finden das junge Frauen in Österreich?


In Norwegen und Schweden gilt sie schon länger, Dänemark hat sie jetzt eingeführt: Die Wehrpflicht für Frauen. Somit können dort alle Bürgerinnen ab 18 Jahren zwangsweise zum Wehrdienst eingezogen werden – was in der Realität derzeit nicht praktiziert wird, aber in Kraft treten würde, wenn sich zu wenige freiwillig zum Militärdienst melden. In Österreich ist die Lage anders. Hier können Frauen seit 2023 zwar freiwillig den Präsenzdienst beim Bundesheer ableisten oder sich seit 1998 für eine Karriere als Berufssoldatin entscheiden, Zwang darf es keinen geben. Das will Erich Cibulka, der Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft, ändern. Er hat eine Debatte darüber angestoßen, ob Frauen in Österreich so wie Männer gesetzlich zum Präsenzdienst verpflichtet werden sollen.

Laut Gallup-Umfrage kann sich ein Drittel der Österreicher:innen eine Wehrpflicht für Frauen vorstellen. Die, die hier „Ja“ sagen, sind allerdings vorwiegend männlich und älter. Wie sieht es aber mit denen aus, die von einer Reform selbst betroffen wären – junge Frauen? Die WZ hat sich aufgemacht, um die Stimmung zu erkunden.

„Frauen sollen zeigen, dass sie stark sind“

In der Favoritenstraße im zehnten Wiener Gemeindebezirk sitzen drei Schülerinnen einträchtig zusammen und unterhalten sich. Dass Frauen zum Bundesheer dürfen, findet eine von ihnen, Annabella, gut. Sie würde sogar selbst gerne als Soldatin dienen, sagt die junge Frau mit österreichischer Staatsbürgerschaft und serbischem Migrationshintergrund. Warum? „Frauen sollen zeigen, was sie können. Und dass sie stark sind“. Das sei die Antwort auf männlich-sexistisches Verhalten. Aber: Der Wehrdienst für Frauen sollte freiwillig sein, von Zwang hält Annabella nichts.

Ihre jüngere Schwester, Anastasia, denkt da anders. Keine zehn Pferde brächten sie dazu, dem Bundesheer beizutreten, sagt sie. Von weiblichen Soldaten hält sie überhaupt wenig. Für sie ist wichtig, „dass eine Frau so wertgeschätzt wird, wie sie ist“. Sie müsse sich dafür nicht künstlich verbiegen und in den militärischen Bereich gehen, wo sie eigentlich nicht hingehöre, meint sie. Scarlett, die Dritte im Bunde, ist für Gleichberechtigung. In dieser Frage heißt das für sie, dass Frauen die Möglichkeit haben sollten, zur Armee zu gehen. Aber nur, wenn sie das wollen.

Zu schwere Rucksäcke

Am Zugang zur Wirtschaftsuniversität Wien unweit des Messegeländes steht eine Studentin auf ihrem Posten und verteilt Äpfel. Es geht um die Hochschüler:innenschaftswahlen und sie macht Werbung für die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft. Eigentlich habe sie vorgehabt, nicht gleich zu studieren, sondern zum Bundesheer zu gehen, sagt sie zur WZ. Dann seien aber eine Verletzung des Knies und drei Operationen dazwischengekommen, damit sei es vorbei mit dem Dienst an der Waffe. Sie ist gegen eine verpflichtende Einführung des Wehrdienstes für Frauen, „weil wir physisch schwächer sind. Das ist eine Tatsache“. Man könne Frauen aber zu einem sozialen Dienst vergleichbar mit dem Zivildienst durchaus verpflichten, sagt sie.

Zwei Kolleginnen, die um Stimmen für den sozialdemokratischen VSStÖ (Verband Sozialistischer Student_innen) werben, stimmen ihrer Kollegin und Konkurrentin lebhaft zu. Sie habe männliche Bekannte, sagt die eine, die gerade ihren Präsenzdienst abgeleistet hätten. „Die haben erzählt, dass sie bei Gewaltmärschen mit ihren Rucksäcken fast zusammengebrochen sind. Also schaffen es Frauen garantiert nicht.“ Und außerdem ist für sie klar, dass eine Wehrpflicht für Frauen den Weg zur gesellschaftlichen Gleichberechtigung nicht ebnen würde.

Nur mit Vorbedingungen

Marlene war nie Soldatin, trägt aber ein Uniformhemd. Allerdings ein blaues und das nur am 1. Mai – sie ist Mitglied bei der Sozialistischen Jugend (SJ) und steht am Rathausplatz. Marlene ist gegen Krieg und gegen das Aufrüstungsprogramm, das jetzt von der Bundesregierung unter SPÖ-Beteiligung vorangetrieben wird. Dass eine Wehrpflicht Frauen auf dem Weg zur Gleichberechtigung vorwärts bringen würde, glaubt sie auch nicht. „Es gibt immer noch den Gender Pay Gap“, pflichtet ihr Sarah, ebenfalls bei der SJ, bei. „Frauen müssen Job und Kinder schultern“ und kämpften jetzt schon an zwei Fronten. „Solange sich daran nichts ändert, kann es keine Wehrpflicht für Frauen geben.“ Klar, dass Männer zuerst zu 50 Prozent bei der Care-Arbeit mit anpacken müssten, die Lohnschere geschlossen werden müsse, dann könne man darüber reden. Dann wäre eine Wehrpflicht für Frauen auch fair.

„Gut als Vorbereitung für die Arbeitswelt“

Die junge Gewerkschafterin Jana, die am 1. Mai zum Tag der Arbeit auch am Rathausplatz aufmarschiert, sieht das etwas anders. Sie ist als einzige der Befragten für Zwang. Ein verpflichtender Dienst im Heer oder im zivilen Bereich sei „super für Frauen, die sozial im Abseits stehen“, sagt sie, „die nicht in Ausbildung sind und keinen Job haben“. Eine Maßnahme, diese „Problemfälle“ in die Arbeitswelt zu integrieren, sie an Regeln und Disziplin zu gewöhnen, die dann im Job nötig wären.

Unterdessen flaniert mit Lehrerbegleitung eine Gruppe Schülerinnen aus dem schweizerischen Zug durch die Wiener Innenstadt. „In der Schweiz wird genau die gleiche Debatte geführt“, weiß eine, sie persönlich „will nicht im Krieg sterben“. Auf der anderen Seite habe sie ein schlechtes Gewissen, wenn die Verteidigung der Heimat den Männern allein aufgebürdet wird. Eine ambivalente Gefühlslage, an deren Auflösung sie noch arbeite.






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Infos und Quellen

Genese

Im April hat der Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft, Erich Cibulka, eine Debatte über die Einführung der Wehrpflicht für Frauen losgetreten. Es gibt viele Meinungen dazu, am wenigsten werden die gehört, die es in erster Linie betrifft: Junge Frauen. Redakteur Michael Schmölzer hat sich auf die Suche nach Reaktionen aus dieser Bevölkerungsgruppe gemacht. Zumal die Debatte zuverlässig immer wieder virulent wird.

Gesprächspartnerinnen

  • Annabella, Anastasia und Scarlett, Schülerinnen mit serbischem Migrationshintergrund, mit denen der Autor in Favoriten gesprochen hat
  • Drei WU-Studentinnen, die im ÖH-Wahlkampf für VSStÖ und AG geworben haben
  • Marlene, Sarah und Jana, die am 1. Mai am Rathausplatz in Wien waren
  • Schülerin einer höheren Lehranstalt – „Klasse 4 C“ – aus dem schweizerischen Zug

Daten & Fakten

  • Lange Erfahrung mit der Wehrpflicht für Frauen hat Israel, wo sie seit 1948 gilt. Frauen müssen dort zwei Jahre, Männer 30 Monate in der Armee dienen. Studien belegen, dass Frauen in der israelischen Armee diskriminiert werden, so sind manche Eliteeinheiten für sie nicht zugänglich. Israelische Soldatinnen werden im Gaza-Krieg nicht direkt in den Straßen- und Nahkampf geschickt.
  • Seit dem 1. April 2023 können Frauen in Österreich freiwillig einen Grundwehrdienst leisten. Gemeldet haben sich bisher knapp 500 Frauen, rund 280 sind bereits eingerückt.
  • Soldatinnen gibt es beim Bundesheer seit 1998. Insgesamt dienen derzeit 810, der Frauenanteil liegt damit bei 4,6 Prozent. Das Ziel ist, diesen Anteil auf 15 Prozent anzuheben.
  • Noch sieht es nicht danach aus, als müssten Österreichs Frauen bald verpflichtend einen Präsenzdienst leisten. ÖVP-Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ist derzeit gegen eine Wehrpflicht für Frauen, solange diese in wesentlichen gesellschaftlichen Bereichen benachteiligt sind. Das ist auch die Position der Grünen. Für die SPÖ ist eine Wehrpflicht für Frauen kein Thema, die Neos gehen in Richtung Freiwilligen-Armee, zu der auch Frauen zugelassen sind. Die FPÖ befürwortet Frauen im Heer, für eine Wehrpflicht sei es aber noch zu früh, heißt es hier. Verschärft sich die internationale Gefahrenlage weiter, ist ein politischer Meinungsumschwung nicht auszuschließen. Eine Aufrüstung des Bundesheeres ist schon fix, eine Verlängerung des Präsenzdienstes steht im Raum.
  • In Norwegen gilt seit 2015 eine Wehrpflicht für Frauen, in Schweden seit 2018, in Dänemark können mit 2026 alle tauglichen Frauen ab 18 auch zwangsweise eingezogen werden.
  • Laut Gallup-Umfrage sind 34 Prozent der Österreicher:innen für eine Wehrpflicht für Frauen. Fast die Hälfte der befragten Männer kann sich das vorstellen, aber nur ein Fünftel der befragten Frauen. Ältere Menschen sind eher für den Zwang als jüngere.

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