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3,3 Prozent und immer teurer

5 Min
Georg Renner schreibt jede Woche einen sachpolitischen Newsletter. Am Samstag könnt ihr den Beitrag online nachlesen.
© Illustration: WZ

Am vergangenen Dienstag hat die Statistik Austria eine neue Inflationseinschätzung abgegeben. Georg Renner hat sich die neuen Zahlen genauer angeschaut.


    • Österreichs Inflation lag im Juni 2025 bei 3,3 Prozent, deutlich über dem EU-Schnitt von 2,0 Prozent.
    • Haupttreiber sind Dienstleistungen, insbesondere Gastronomie, und hohe Lohnabschlüsse heizen Preise weiter an.
    • Indexierte Löhne, Mieten und Verträge verstärken Inflationsspirale und machen Österreich zum EU-Ausreißer.
    • Inflationsrate Österreich (Juni 2025): 3,3 %, EU-Durchschnitt: 2,0 %
    • Dienstleistungen stiegen um 4,3 %, Beitrag zur Inflation: 2,0 Prozentpunkte
    • Gastronomiepreise: +6,0 %, Energie und Industriegüter: +0,3 %
    • Lohnwachstum Österreich 2024: über 8 %, Euroraum-Durchschnitt: 3,4 %
    Mehr dazu in den Infos & Quellen

Die Statistik Austria hat am Dienstag, wie das die statistischen Anstalten der zivilisierten Welt zum Monatsersten so tun, ihre Inflationsschätzung für den gerade zu Ende gegangenen Juni vorgelegt – und die Zahlen sind dann doch eher unbehaglich. Mit 3,3 Prozent im Vergleich zum Juni 2024 liegt die österreichische Teuerungsrate weiterhin deutlich über dem Euroraum-Durchschnitt von 2,0 Prozent. Während andere EU-Länder ihre Inflation allmählich in den Griff bekommen, scheint Österreich weiter in einer Teuerungsspirale gefangen.

Der neue Preistreiber: Dienstleistungen

Was treibt diese Entwicklung? Warum liegt Österreich so deutlich über dem EU-Schnitt? Und welche strukturellen Besonderheiten unseres Landes verstärken das Problem? Schauen wir uns die Ursachen genauer an.

Die Inflationsdynamik hat sich grundlegend gewandelt. Waren es 2022 noch die explodierenden Energiepreise, die unsere Geldbörsen belasteten, sind es heute vor allem die Dienstleistungen. Mit einer Jahressteigerung von 4,3 Prozent treiben sie die Gesamtinflation mit einem Beitrag von 2,0 Prozentpunkten nach oben – das ist mehr als die Hälfte der gesamten Teuerung.

Besonders stark schlägt die Gastronomie zu Buche: Restaurants und Hotels verteuerten sich um satte 6,0 Prozent. Das hat mehrere Gründe: Einerseits nutzen viele Betriebe die nach der Pandemie wieder starke Nachfrage für Preiserhöhungen. Andererseits wirken sich die hohen Lohnabschlüsse der vergangenen Jahre direkt auf die Preise aus – Personal ist in der Dienstleistungsbranche nun einmal der größte Kostenfaktor.

Auch, wenn es das Leben insgesamt teurer macht, in einer Hinsicht gibt es einen Silberstreif am Horizont: mit 0,3 Prozent steigen die Kosten für Energie und Industriegüter nur moderat – und nachdem die ziemlich unmittelbar relevant für den Standort sind, ist das zumindest ein Lichtblick.

Bei den Wohnkosten zeigt sich ein differenziertes Bild. Die neue Koalition hat mit dem Mietrechtslinderungsgesetz die Richtwertmieten bis März 2028 auf dem Stand von April 2024 eingefroren. Das mag zwar etwa 750.000 Mieter:innen in Altbauwohnungen und gemeinnützigen Wohnungen entlasten, aber die langfristige Entwicklung bleibt schwierig: Seit 2006 haben sich die durchschnittlichen Mieten von 3,78 Euro auf 7,40 Euro pro Quadratmeter fast verdoppelt.

Lohnpolitik macht einen Unterschied

Im EU-Vergleich zeigt sich das Ausmaß des Problems.

Wir sehen: Während die Teuerung in Osteuropa hoch ist – und dort aber auch mit beträchtlichem Wirtschaftswachstum einhergeht – kommen andere westeuropäische Staaten, mit denen Österreich konkurriert, weit besser davon. Frankreich etwa kommt gerade einmal auf eine Inflation von 0,8 Prozent, Deutschland liegt mit zwei Prozent exakt auf dem Zielwert, den Österreich gerne hätte.

Der Hauptunterschied liegt in der Lohnpolitik. Mit einem Lohnwachstum von über 8 Prozent im Jahr 2024 lag Österreich weit über dem Euroraum-Durchschnitt von 3,4 Prozent. Die Nationalbank hat errechnet, dass Löhne für 67 Prozent der Preissteigerungen im zweiten Halbjahr 2023 verantwortlich waren.

Während andere EU-Länder die Energiekrise hauptsächlich über direkte Preismaßnahmen wie Steuersenkungen auf Energie abfederten, setzte Österreich stärker auf Transfers und Lohnerhöhungen. Das mag sozialpolitisch verständlich sein – wenn alles teurer wird, sollen auch die Löhne steigen, kann man argumentieren -, heizt aber die Inflation zusätzlich an.

Was Österreich von anderen Ländern unterscheidet, ist unser umfassendes System der Indexierung. Mehr als 95 Prozent aller Arbeitnehmer:innen sind durch Kollektivverträge abgedeckt – das ist OECD-Weltspitze. Und in deren Rahmen verhandeln Arbeitgeber:innen und Gewerkschafter:innen eben jährlich Lohnerhöhungen, die so gut wie immer über der Inflation liegen. Und dank der Reformen der türkis-grünen Koalition werden auch die meisten Sozialleistungen inzwischen automatisch an die Teuerung angepasst.


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Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.

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Aber nicht nur Löhne und Sozialleistungen sind indexiert. Auch viele Verträge im privaten Bereich – von Mieten über Handytarife bis zu Versicherungen – enthalten Wertsicherungsklauseln. Das schafft eine Spirale: Höhere Preise führen zu höheren Löhnen, die wiederum zu höheren Preisen führen.

International ist dieses System fast einzigartig. Nur Belgien, Luxemburg, Malta und Zypern haben noch ähnliche automatische Anpassungen – zusammen betreffen diese Systeme nur 3 Prozent aller EU-Privatbeschäftigten. Italien und Frankreich schafften ihre Indexierungssysteme in den 1980er und 1990er Jahren ab. Die Europäische Zentralbank kritisiert solche Mechanismen regelmäßig als Inflationstreiber.

Die inzwischen nicht mehr ganz neue Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos hat weitere Maßnahmen vor. Die bereits erwähnte Mietpreisbremse soll 2025 noch verschärft werden: Nicht nur bei regulierten, sondern erstmals auch bei freien Mieten soll es Begrenzungen geben, wenn die Inflation über 3 Prozent liegt, Details stehen aber noch aus.

Der Knackpunkt werden aber wohl die Lohnverhandlungen werden – besonders, ob es beim politischen Versprechen der vorigen Regierung bleibt, öffentlich Bediensteten mit Anfang 2026 die Gehälter, um die Inflationsrate plus 0,3 Prozent zu erhöhen, wird für viele Branchen Signalwirkung haben – und wohl auch auf den weiteren Lauf der Teuerung durchschlagen.

WIFO und IHS prognostizieren für Österreich eine Inflation von 2,5 Prozent für 2025 – das Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank wird erst Mitte 2026 erreicht. Wenn die Prognosen halten.


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Infos und Quellen

Genese

Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.

Quellen

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