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Georg Renner analysiert, was die geplante Mietpreisbremse der neuen Regierung für Mieter:innen bedeutet.
Die neue Bundesregierung Stocker/Babler/Meinl-Reisinger ist seit Montag im Amt, ihre dauerhafte Form nimmt sie aber erst nach Inkrafttreten eines neuen Bundesministeriengesetzes an. Selbiges wurde im Nationalrat und wird kommende Woche im Bundesrat beschlossen, bis zum Inkrafttreten und der Angelobung der Minister:innen auf ihre endgültigen Plätze (z. B. betreffend der Aufspaltung des Klimaministeriums und der Wiedereinführung eines Frauen- sowie des Familienministeriums) wird es dann noch ein paar Tage dauern.
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Trotzdem hat sich die schwarz-rot-pinke Mannschaft schon an die Arbeit gemacht – und in ihrem ersten Ministerrat unter anderem den „Mietendeckel“ auf den Weg gebracht. Das war eine der Maßnahmen, bei denen sich die SPÖ in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt hat – ÖVP und Neos war das eher kein so großes Anliegen.
Der Mietendeckel
Im Regierungsprogramm – z. B. hier zum Download – stand dazu folgender Plan:
Für den Vollanwendungsbereich des MRG sowie Kategorie- und WGG-Mieten wird die Indexierung des Mietzinses auf Basis des VPI für 2025 ausgesetzt, für 2026 mit max. 1 Prozent und 2027 mit max. 2 Prozent festgesetzt. Ab 2028 findet der neue Index für Wohnraumvermietung Anwendung.
Da steckt viel drin, wir zerlegen das gleich ein Stück weit – aber klären wir am Anfang, warum so eilig mit der Umsetzung; warum steht gerade dieses Vorhaben als erstes auf der Agenda?
Nun: Weil es schnell gehen muss. Denn seit der letzten Reform der Richtwertmieten unter der türkis-grünen Koalition werden diese jährlich an den Verbraucherpreisindex angepasst – und zwar immer mit 1. April.
Würde die Koalition das Thema also noch länger liegenlassen, müsste sie in drei Wochen selbst die Mieten erhöhen – und ihre schöne Aussetzung der Anpassung wäre beim Teufel. Darum: Ministerrat, Nationalrat, wohl schon kommende Woche Bundesrat, ähnlich wie beim Ministeriengesetz.
Hauptwohnsitzunterkünfte in Österreich
Worum geht es da konkret? Fangen wir einmal damit an, wie wir hier in Österreich wohnen. Das zeigt sich zum Beispiel im Mikrozensus der Statistik Austria, einer regelmäßigen repräsentativen Befragung von Menschen in Österreich, die da unter anderem über ihre Wohnsituation Auskunft geben. Die folgende Grafik zeigt, wie sich die Hauptwohnsitzunterkünfte – Achtung, nicht: Hauptwohnsitze, es geht um die Unterkünfte, nicht ihre Bewohner:innen – in Österreich aufteilen:
Wir sehen: Das Haus im eigenen Eigentum (hellgrau) ist zwar die häufigste Form von Wohnunterkunft, macht aber nur etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Dazu kommen (unter „sonstige“, dunkelgrau) noch Häuser zur Miete. In den unterschiedlichen Violett-Schattierungen sind die unterschiedlichen Formen von Wohnungen gruppiert: an die 500.000 Eigentumswohnungen, 276.000 Gemeindewohnungen, fast 700.000 im gemeinnützigen Wohnbau – und, vor allem, knapp 800.000 private Mietwohnungen.
Richtwertmiete
Für jeden dieser Bereiche gibt es eine Reihe unterschiedlicher Regelungen – wie in den meisten europäischen Staaten ist der Mietsektor stark staatlich reglementiert, was Rechte und Pflichten von Mieter:innen und Vermieter:innen angeht. Bei der aktuellen Diskussion geht es primär um jenes Drittel der Mietwohnungen in Genossenschaften und die privaten Mietwohnungen. Für letztere gibt es dann noch einmal unterschiedliche Regeln: Wer im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) oder der Richtwertmiete liegt – österreichweit rund 300.000 Altbauwohnungen –, dessen Miete steigt nach der gesetzlichen Vorgabe; im Neubau ist man dagegen frei bei der Vereinbarung des Mietzinses.
Und bei der neuen Regelung geht es eben um diese geregelten Wohnverhältnisse: Sie sollen nach dem Willen der Koalition heuer gar nicht, kommendes Jahr um maximal ein, 2027 dann um maximal zwei Prozent steigen.
Die Agenda Austria – ein liberaler Thinktank, der diese „Bremse“ ablehnt, hat das so visualisiert:
Die Ökonom:innen der Agenda Austria verweisen darauf, dass durch die Inflation – den Verbraucherpreisindex – Kosten und Gehälter im Schnitt deutlich stärker gestiegen sind als die Richtwertmieten; vereinfacht gesagt sind Wohnungen aus Vermieter:innensicht so deutlich schneller entwertet worden als z. B. Einkommen im selben Zeitraum. Generell warnen Vertreter:innen von Vermieter:innen – etwa auch die gemeinnützigen Wohnbauträger:innen – vor einer zu starken Deckelung, weil diese sie davon abhalten könnte, neue Wohnungen zu errichten.
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Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Auf der anderen Seite wenden Konsumentenschützer:innen wie jene von der Arbeiterkammer ein, dass die Steigerungen bei den Mieten besonders ärmere Menschen – die tendenziell eher zur Miete als im Eigentum wohnen – stärker belasten würden, weil der Anteil der Miete an deren Ausgaben in den vergangenen Jahren überproportional gestiegen ist.
Es ist also eine politische Frage – wie hoch oder wie niedrig sollen hunderttausende Mieten steigen? Die neue Koalition hat ihre Antwort gegeben.
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Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
Der Standard: Schellhorn übernimmt "Deregulierung", wenn niemand anders dafür zuständig ist
Statistik Austria: Wohnsituation