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Steigende Paketmenge, lange Wartezeiten, überlastete Zusteller:innen und geschlossene Filialen: Die Post steht unter Druck. Was bedeutet das für die Postler:innen und uns, die Kund:innen?
Bernhard kannte alle in der Ortschaft. Auf seinem Fahrrad mit den prall gefüllten Taschen und einem freundlichen „Grüß Gott!“ strampelte er von Haus zu Haus. „Wie geht’s dem Knie?“, fragte er hier, „Hat das Enkelkind schon Geburtstag gefeiert?“ dort. Die Menschen freuten sich auf ihn – er brachte nicht nur Briefe und Päckchen, sondern auch Vertrautheit.
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Doch eines Tages war Schluss mit der Idylle: Sein Fahrrad musste Bernhard gegen ein E-Auto eintauschen, die Strecken wurden länger, die Pakete schwerer. Kurz vor Neujahr hielt er es nicht mehr aus. Heute rollt ein anderer Postler durch die Straßen der kleinen niederösterreichischen Gemeinde – gehetzt, still, manchmal fahrig. Die Pakete landen oft am falschen Ort, ein Stück Vertrautheit ist verschwunden.
Aber nicht nur in Bernhards ehemaligem Zustellgebiet wächst der Frust.
Lena steht in der Warteschlange in einer Wiener Postfiliale. Heute ist es tatsächlich still hier, denkt sie. Vor Weihnachten sah das noch ganz anders aus: Da wurde geschimpft, weil nur ein Schalter besetzt war, eine Wartezeit von 45 Minuten war keine Seltenheit. Die Post-Angestellten arbeiteten an ihrem Limit – zwischen Beschwerden, beschädigten Paketen oder fehlenden Angaben. In einem Bezirk in Wien wurde die Post von einer ganzen Woche überreicht, weil der Postler überlastet war, hat ihr ein Mitarbeiter gesagt.
Die Post hat sich verändert: Filialen schließen, das Personal wird weniger, die Mitarbeiter:innen schneller ausgetauscht. „Früher waren wir in einer Filiale mehrere Angestellte und wir hatten einen Filialleiter“, erklärt ein Angestellter der Österreichischen Post der WZ. „Und dann werden wir auch noch beschimpft“, sagt eine weitere Post-Angestellte.
Hat die Post ein Personalproblem?
Pakete über Pakete
„Ein:e Verbundzusteller:in liefert bis zu 150 Pakete am Tag aus. Paketzusteller:innen haben noch ein weit höheres Tagespensum abzuwickeln“, sagt Richard Köhler, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) und Vorsitzender des Zentralbetriebsrats der Österreichischen Post AG, im Gespräch mit der WZ. 224 Millionen Pakete wurden insgesamt im vergangenen Jahr hierzulande von der Österreichische Post AG transportiert – ein Zuwachs von zwölf Prozent gegenüber 2023. Weltweit erreichte das Unternehmen mit 508 Millionen Paketen einen neuen Rekord. „Vor zehn Jahren waren es knapp 100 Millionen Pakete, seither haben sich die Mengen verfünffacht. Das unterstreicht beeindruckend unsere internationale Marktpräsenz und das Vertrauen unserer Kund:innen“, wird Peter Umundum, Generaldirektor-Stellvertreter und Vorstand für Paket & Logistik der Post kürzlich in einer Presseaussendung zitiert.
An einem durchschnittlichen Tag im Jahr 2024 transportierte die Post österreichweit rund 800.000 Pakete. Im Dezember stieg diese Zahl auf mehr als eine Million, der Tageshöchstwert lag bei 1,56 Millionen Paketen. 80 Prozent dieser Pakete kommen aus dem Ausland.
Der Weg des Pakets, die letzte Meile
GLS, DPD, DHL, UPS, FedEx, Hermes, Post etc. liefern mit unterschiedlicher Kundenzufriedenheit. Oft hört man Beschwerden – vor allem in großen Wohnsiedlungen – wie: Der Postler hätte nicht geklingelt und nur die Benachrichtigung hinterlassen. Man wäre aber zu Hause gewesen. „Für viele Kunden ist es immer der Postler, der das Paket bringt. Sie differenzieren nicht zwischen GLS, Post, DPD oder den anderen. Unsere Zustellquote ist sehr hoch, wir haben immerhin an die 9.000 Zusteller in Österreich“, sagt Köhler.
Um die Zustellung effizienter zu gestalten, setzt die Post verstärkt auf Selbstbedienungsstationen. Kund:innen holen ihre Pakete zunehmend am Automaten ab. „Der Übergang von Filialen zu SB-Abholstationen dauert, aber das ist die Entwicklung in ganz Europa“, sagt Köhler. Dazu kommen alternative Zustellformen: „In Städten gibt es reine Paketzustellung, am Land sogenannte Verbundzusteller:innen, die zusätzlich zur Brief- und Werbepost auch Pakete bis zu 31,5 kg liefern.“
Privat versus Staat
Während die Post als mehrheitlich staatliches Unternehmen an gesetzliche Arbeitszeiten und Tarifverträge gebunden ist, können private Anbieter wie DPD oder GLS deutlich flexibler agieren. „Sie arbeiten mit Quasi-Selbstständigen, die von früh bis spät zustellen – ohne geregelte Arbeitszeiten“, kritisiert Köhler. „Das drückt die Preise und setzt uns unter Druck.“
Die Missstände unter den privaten Lieferunternehmen mit teils katastrophalen Arbeitsbedingungen von selbstständigen Paketdienst-Frächtern wurden vom Finanzministerium bereits im Dezember 2022 in einer Großkontrolle aufgedeckt: bis zu 77 Arbeitsstunden pro Woche, Nächtigungen auf Autobahnparkplätzen oder in überfüllten Matratzenlagern sowie Strafzahlungen von bis zu 500 Euro für Ausfälle aufgrund von Krankheit oder Urlaub. Köhler fordert daher klare Regeln für alle: „Die Konkurrenz muss gezwungen werden, faire Arbeitsbedingungen zu bieten. Es kann nicht sein, dass tarifgebundene Unternehmen benachteiligt werden, während andere mit fragwürdigen Methoden arbeiten. Das führt zu einem ungleichen Wettbewerb.“
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt die Zusammenhänge der österreichischen Politik.
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Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Die Paketbranche befindet sich im Wandel, und mit ihr ändern sich die Arbeitsbedingungen der Zusteller:innen – sowohl bei der Österreichischen Post als auch bei privaten Anbietern. Während die einen unter steigendem Konkurrenzdruck stehen, setzen die anderen auf flexiblere, aber oft prekäre Beschäftigungsmodelle. Die wachsende Paketflut erfordert effizientere Lösungen, doch diese dürfen nicht zulasten der Mitarbeiter:innen gehen.
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Infos und Quellen
Genese
„Was ist eigentlich bei der Post los?” Diese Frage stellte sich die WZ aufgrund vieler Beobachtungen insbesondere in der Weihnachtszeit. Nach den Feiertagen begaben sich die WZ-Redakteurinnen Ina Weber und Verena Franke sowie WZ-Trainee Daniela Pirchmoser deshalb auf Recherche.
Gesprächspartner
Richard Köhler ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) und Vorsitzender des Zentralbetriebsrats der Österreichischen Post AG.
Jörg Borrmann ist Außerordentlicher Universitätsprofessor am Institut für Finanzwirtschaft an der Universität Wien.
Daten und Fakten
Ein Paket darf bei der Österreichischen Post AG bis zu 31,5 Kilogramm wiegen. Früher konnten Zusteller:innen aufgrund der jahrelangen körperlichen Belastung bereits vor dem 60. Lebensjahr in Pension gehen, heute als Angestellte ist das erst mit 65 möglich. Das ist für viele nicht machbar. Seit Jahren versucht die Post deshalb, die Verbundzusteller:innen auf die Schwerstarbeiterliste setzen zu lassen, wo schon die Paketzusteller:innen vermerkt sind. Bisher jedoch erfolglos.
Der Hauptaktionär der Österreichischen Post AG ist die Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG), die 52,8 Prozent der Anteile treuhänderisch für die Republik Österreich hält. Der Rest liegt im Streubesitz, darunter internationale Investmentfonds. Der Börsengang erfolgte 2006.
Seit 2002 baut die Österreichische Post AG ihr internationales Logistiknetzwerk beachtlich aus,- etwa mit Beteiligungen in Serbien, der Slowakei und der Türkei. So versucht sie, in Wachstumsmärkte zu expandieren und ihre Position im Paketgeschäft zu stärken.
Nachdem 2017 die langjährige Kooperation mit der BAWAG P.S.K. endete, gründete die Österreichische Post AG am 1. April 2020 die bank99, um ihr Filialnetz weiterhin für Bankgeschäfte nutzen zu können. 2021 übernahm sie das Privatkundengeschäft der ING in Österreich, um ihre Marktpräsenz weiter auszubauen.
2024 stiegen laut Daten des Handelsverbands die E-Commerce-Ausgaben um fünf Prozent auf 10,6 Milliarden Euro. Besonders stark ist der Trend beim Smartphone-Shopping, das um 36 Prozent zunahm. Bestellt werden per Handy vor allem Bekleidung (2,4 Milliarden Euro Umsatz), Elektrogeräte (1,3 Milliarden Euro) und Möbel (0,9 Milliarden Euro). 54 Prozent der Online-Ausgaben fließen ins Ausland. 42 Prozent der bestellten Waren werden wieder zurückgeschickt.
Quellen
Bundesministerium für Finanzen: Massive Gesetzesübertretungen bei Paketzustellern aufgedeckt
AK-Studie: Paketdienste und die letzte Meile des Paketes auf dem Weg zum Verbraucher
Österreichische Post AG: Der gesetzliche Hintergrund
Das Thema in der WZ
Black Friday oder: Wir schaffen uns selbst ab
Das Thema in anderen Medien
Der Standard: Studie zeigt prekäre Arbeitsbedingungen der Paketboten auf
Der Standard: Paketpost sichert Gewinn der gelben Post
Süddeutsche Zeitung: „Ich liefere auch mal bis ans Krankenbett“
Deutschlandfunk Nova: Lieferdienste: Ist es okay, faul zu sein?