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Wer kann sich den Black Friday eigentlich leisten?

6 Min
Wir konsumieren. Alle. Und zwar meistens zu viel.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Der Tag führt zum Kauf vieler sinnloser Produkte und schwächt kleine Unternehmen.


Das vergangene Jahr war das heißeste seit 125.000 Jahren. Vor 1.000 Jahren war grad tiefstes Mittelalter. Und das ganze nochmal 125 Mal zurückrechnen. Ist dann doch eher länger her. Die Entwicklungsorganisation Oxfam präsentierte kürzlich eine Studie, wonach das reichste Prozent der Weltbevölkerung für doppelt so viele CO2-Emissionen verantwortlich ist wie die ärmere Hälfte der Welt, also mehr als fünf Milliarden Menschen. Diese Emissionen setzen sich unter anderem hauptsächlich aus Mobilität, Wohnfläche und Konsumverhalten zusammen.

Zu viel Konsum, Überproduktion und Ressourcenverschwendung

Nicht nur konsumieren viele von uns zu viel, es herrscht unglaubliche Überproduktion, deren Ressourceneinsatz zu Lasten unseres Planeten geht. Aber dieses Konsumrad vielleicht mal verlangsamen oder gar stoppen? Na, wo denken wir hin, die Wirtschaft muss doch laufen! Jede Möglichkeit, Produkte marktschreierisch auf den Markt zu werfen und damit bei den Kund:innen Nachfrage überhaupt erst zu erzeugen (oder glaubt jemand von uns, es gab mal eine so starke Nachfrage nach Mozzarellaschneidern, dass diese daraufhin entwickelt wurden?), wird genutzt. Im Gegenteil, aus einem Black Friday ist inzwischen bei den meisten Läden die Black Week geworden, bei manchen Firmen wie etwa Bosch dauert die Black Week gleich mal zwei Wochen.

Die Diskussion, dass am Black Friday Produkte als Sonderangebot in den Auslagen stehen, die zuvor künstlich verteuert wurden, um sie nun „günstig“ anbieten zu können, kennen wir seit Jahren. Gefühlt ebenso lang wird sich an den immergleichen Positionen abgearbeitet:

  • Man muss den Black Friday boykottieren, weil er zu sinnlosem Konsum verführt.

  • Man darf Menschen, die am Black Friday neue Küchengeräte kaufen, weil sie sich diese zum Normalpreis nicht leisten können, nicht verteufeln.

Kennen wir, wissen wir. Und die Diskussion ist einfach sinnlos, weil vom jeweiligen Sprechort aus die Realitäten zu unterschiedlich sind. Na klar wird die Bezieherin von Mindestsicherung sagen, wenn der neue Kühlschrank nur zum Black Friday geht, dann ist der Black Friday was Gutes. Und der Besserverdiener mit dem erhobenen Zeigefinger sagen, dass man ja nicht so viel braucht. Alle Besserverdiener:innen möchte ich übrigens an die obengenannte Oxfam-Studie verweisen: Ihr gehört vielleicht nicht zu dem obersten Prozent, aber sicher auch nicht zur weltweit unteren Hälfte. Denkt mal drüber nach, ob so ein erhobener Zeigefinger auch nur irgendwem außer eurem eigenen Gewissen irgendwas bringt (sagte sie mit erhobenem Zeigefinger – ja, ich bin mir der zarten Ironie dieser Zeilen bewusst).

Große Konzerne profitieren

Tatsache ist: Wir konsumieren. Alle. Und zwar meistens zu viel. Unsere große Aufgabe ist es, den eigenen Konsum zu reduzieren und uns klarzumachen, was wir wirklich brauchen. Doch es gibt nicht nur diese individuelle Ebene, sondern auch die Ebene der globalen Wirtschaft, die – siehe Mozzarellaschneider – inzwischen ständig Nachfrage erzeugt, anstatt darauf zu reagieren und so den klassischen freien Markt komplett aushebelt.

Mein Problem mit dem Black Friday ist daher ein anderes: Ich möchte nicht mehr diskutieren, ob für die Einzelnen Einkaufen am Black Friday verwerflich ist oder nicht. Ich hätte viel lieber eine Aufrechnung, welche Unternehmen vom Black Friday so richtig profitieren. Meine Vermutung: nur die großen, die Konzerne, die Filialisten. Klar, bei denen ist der Black Friday bereits Anfang des Jahres einbudgetiert, denen tun die Verringerungen der Margen nicht weh und sie machen großen Reibach, und die können so nebenbei ihren Lieferant:innen die Bedingungen einfach mal diktieren – selbst, wenn denen dann das Weiße aus den Augen kommt. Und sie können sehr laut kommunizieren. Sehr rot blinkend. Sehr aggressiv.

Kleine Unternehmen verlieren

Daraus entsteht eine Erwartungshaltung an den gesamten Handel, dass es Black-Friday-Angebote geben muss. Die kleinen Unternehmer:innen, die einen einzelnen Laden führen, die Mittelständler:innen, die mit ihrer regionalen Wertschöpfung zwar nachhaltiger agieren, aber mit der globalisierten Produktion einen Gegner in Goliath-Größe haben – die sind Verlierer:innen am Black Friday. Die müssen nämlich auch Angebote machen, die sich auf ihre eigenen Margen auswirken. Und ganz oft können sie das nicht wirklich, weil wenn man sich als kleines verkaufendes Unternehmen von Sommerschlussverkauf über Schulstartangebote und den Black Friday zum Winter Sale im Jänner hangeln muss, bleibt nicht mehr viel Zeit für Verkauf von Produkten mit Margen, von denen man überleben kann.

Black Friday wird zu größerer Marktkonzentration führen

In weiterer Folge heißt das, dass der Black Friday über kurz oder lang zu einer noch größeren Marktkonzentration führen wird. Wenn kleine Unternehmen gegen überregionale Konzerne nicht mehr mithalten können, wird es immer weniger kleine Unternehmen geben. Das hat massive Auswirkungen.

Im Verhältnis zum Umsatz zahlen internationale Konzerne teilweise signifikant weniger Steuern als heimische Unternehmen. Im heimischen KMU-Bereich ist vielerorts Nachhaltigkeit bereits ein großes Thema, das von Amazon und Co. plattgemacht wird. Vor allem die Verlagerung auf die großen Onlinekonzerne – Amazon, Temu und Co. – bedeutet einen Verlust an Arbeitsplätzen sowie massive Umweltschäden (nein, der sinnlose Plastikmist um drei Euro von Temu wird nicht klimaneutral geliefert).

Schon seit Jahren gibt es immer wieder Kampagnen von NGOs, genau diese Marktkonzentration zu verhindern – denn sie bedeutet auch eine Machtkonzentration. Besonders gut sah man das vor einigen Jahren im Fall des Saatguts: Mächtige Konzerne wie Bayer hatten bereits großen Einfluss auf die EU, und es entstand der Vorschlag einer Richtlinie, die derartig strenge Hygienebedingungen für Saatgut vorsah, dass es das Ende für alte Sorten bedeutet hätte – und den Konzernen noch mehr Macht im Verhältnis zur Landwirtschaft gegeben hätte. Glücklicherweise konnte diese Richtlinie verhindert werden.

Achten wir auf reduziertes Konsumverhalten, stellen wir uns die Frage, was wir brauchen.

Aus konsumpsychologischer Sicht ist es natürlich spannend, als einfaches Gegenprogramm „Am Black Friday kaufen wir gar nix“ zu fordern (eine Forderung, die schwierig wird, wenn es inzwischen zur Black Week geworden ist). Konsum ist sowieso Tatsache, wir können nicht ohne, sonst würden wir hungern, kein Dach über dem Kopf haben und nackt sein. Mein Vorschlag ist daher: Achten wir weiterhin auf gutes, reduziertes Konsumverhalten, stellen wir uns immer die Frage, was wir wirklich brauchen, und lassen wir uns von den Black-Friday-Angeboten nicht verführen.

Und wenn es finanziell nicht anders geht als in diesen Wochen, um an ein wichtiges Teil wie einen Kühlschrank oder ein neues Handy zu kommen, weil das alte kaputt ist: Dann ist das so. Kein Grund, sich gegenseitig zu beschämen. Was zählt, sind die restlichen 51 Wochen, die restlichen 51 Freitage im Jahr und wie wir da konsumieren. Und zwar wir, die es sich leisten können.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • Der Black Friday entstand in den USA. Am Freitag nach Thanksgiving, ein immer am Donnerstag stattfindender Feiertag, startet der Handel traditionell die Weihnachtseinkaufssaison mit vielen Sonderangeboten. Den Namen bekam der Black Friday von der Polizei in Philadelphia, die mit „Black“ die von Autos vollen Straßen und von Menschen vollen Gehsteige meinten. Inzwischen hat der Black Friday (bzw. die Black Week) auch außerhalb der USA wirtschaftliche Bedeutung.

Quellen

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