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Wer wird Minister:in?

9 Min
Das Rennen um mögliche Minister:innenposten hat längst begonnen.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Im Wahlkampf stehen die Spitzenkandidat:innen im Vordergrund. In den Koalitionsverhandlungen geht es um das Personal dahinter. Wer sind die Favorit:innen für die Ministerien? Wir haben uns umgehört.


Nehammer, Babler, Kickl, Kogler, Meinl-Reisinger. Die Parteispitzen sind omnipräsent. Doch wie der Name schon sagt, sind sie nur die Spitzen ihrer Organisationen. Unter ihnen hat das Rennen um mögliche Minister:innenposten längst begonnen. Die WZ hat hinter die Kulissen geschaut.

ÖVP: Bleibt Karoline Edtstadler?

Die Volkspartei hat es kurz vor der Wahl geschafft, sich in Umfragen der FPÖ anzunähern. Vor allem durch den Umgang mit der Hochwasserkatastrophe konnte die Partei unter Kanzler Karl Nehammer bei den Wähler:innen punkten. Nehammer präsentierte sich als souveräner Krisenkommunikator, während FPÖ-Chef Herbert Kickl in seinem Haus in Purkersdorf festsaß. Einige sehen die ÖVP nun sogar auf Platz eins. Nehammer wäre wieder Kanzler. Doch welche schwarzen Politiker:innen würden neben ihm auf der Regierungsbank sitzen?

Fix sind die Abgänge von Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher sowie Finanzminister Magnus Brunner. Kocher wird Chef der Nationalbank, Brunner wird EU-Migrationskommissar. EU-Kommissarin wollte auch Karoline Edtstadler werden. Ihr Weg war geebnet. Der ehemalige Parteichef Sebastian Kurz nahm vor fünf Jahren die EU-Agenden aus dem Außenministerium und schuf ein eigenes EU-Ressort für Edtstadler. Kurz musste gehen. Dann kam Nehammer. Er sah die Salzburgerin im EU-Parlament und nicht als EU-Kommissarin. Doch Edtstadler lehnte die Kandidatur bei der EU-Wahl im Frühling ab.

Seither ist ihr Verhältnis zu Nehammer zerrüttet, auch weil sie sich zu oft nach vorn drängte – „sie antwortete auch dann, wenn sie nicht gefragt wurde“, heißt es aus dem ÖVP-Umfeld. Als Ministerin könnte ihr Abgang bevorstehen.

Ein gutes Verhältnis zu Nehammer hat hingegen eine andere Kurz-Vertraute, die Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab. Ihr fehlt jedoch der Rückhalt in den Landesorganisationen. Weggehen könnte auch Außenminister Alexander Schallenberg, nämlich dann, wenn es doch zu einer Koalition mit der FPÖ unter Herbert Kickl kommt. Innenminister Gerhard Karner wird als Nationalratspräsident gehandelt, als Nachfolger von Wolfgang Sobotka, der bereits ankündigte, die Politik nach der Wahl zu verlassen.

Gesetzt ist also nur Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle sagte zuletzt, er sei ein „durchsetzungsstarker Umsetzer“ und forderte, „dass er auch zukünftig unser Tiroler im Ministerium sein muss.“ Auch der Bauernbund setzt auf Totschnig.

Gute Chancen als Minister hat Wirtschaftsbund-Chef Kurt Egger, der die steirische Liste für die Nationalratswahl anführt, auch ÖVP-Nachwuchshoffnung Claudia Plakolm gilt als Fixstarterin.

Im Gespräch sind zudem Florian Tursky, der sein Amt als Digital-Staatssekretär aufgab und für die ÖVP bei den Innsbruck-Wahlen im Frühjahr in die Bresche sprang.

Auch Karin Jeitler ist ministrabel. Sie holte bei der vergangenen Nationalratswahl 3.820 Vorzugsstimmen, zog an vielen vorbei – und in den Nationalrat ein. In der aktuellen Regierung liegen die Ressorts Klima und Justiz bei den Grünen. „Das tat uns weh“, sagt ein ÖVP-Funktionär zur WZ. Die Partei wolle beide Ministerien zurückholen – oder sie in ihren Kompetenzen einschränken. Nehammer kündigte das im ORF-Duell mit Herbert Kickl (FPÖ) schon an.

SPÖ: Andreas Babler oder Peter Hanke?

Die SPÖ ist eine Blackbox. Wer im Fall einer Regierungsbeteiligung als Minister:in zur Verfügung steht, hängt von einer Frage ab: Bleibt Andreas Babler nach der Wahl Parteichef? Geht Babler gestärkt aus der Wahl, wird er weiter versuchen, die Partei zu demokratisieren? Dafür braucht er frische Gesichter. Zu einer Reformbewegung – zu der die SPÖ werden soll – passen keine altgedienten Parteisoldat:innen.

Schneidet die SPÖ schlecht ab, könnten genau die mitreden. Vor allem die Genoss:innen aus Wien treiben eine Koalition mit der ÖVP an. Dabei fällt immer wieder ein Name – Peter Hanke. Der Wiener Finanzstadtrat kann gut mit Nehammer. Hinter den Kulissen wird den beiden ein fast freundschaftliches Verhältnis nachgesagt. Der Verfechter des Lobautunnels wird als möglicher Finanzminister gehandelt – oder eben als Vizekanzler und Nachfolger Bablers. Eine wichtige Rolle in Koalitionsverhandlungen dürfte Doris Bures spielen. Die mächtige Funktionärin der Wiener SPÖ wird von manchen als mögliche Vizekanzlerin sogar favorisiert.

In einer Neuauflage der großen Koalition plus Neos oder Grüne würde die SPÖ Anspruch auf das Sozialministerium stellen – und innerhalb der Sozialdemokratie die Gewerkschaften. Der aussichtsreichste Kandidat dafür ist wohl Josef Muchitsch. Im Frühjahr forderte der SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschaftschef eine wirtschaftsfreundlichere Haltung von Parteichef Babler. Im Wahlkampf stand er hinter dem roten Obmann.

In Hintergrundgesprächen mit der WZ wurde auch Barbara Teiber als mögliche Sozialministerin genannt. Teiber ist seit 2018 Bundesvorsitzende der Gewerkschaft GPA und Vizepräsidentin der Wiener Arbeiterkammer. Auch der Name von Wolfgang Katzian, Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), fällt immer wieder.

Die beiden stellvertretenden Klubvorsitzenden des roten Parlamentsklubs, Julia Herr und Eva-Maria Holzleitner, haben ebenfalls Chancen auf ein Minister:innenamt. Und dann ist da noch Muna Duzdar. Die ehemalige Staatssekretärin kommt aus der SPÖ Donaustadt. Duzdar gehört zum linken Parteiflügel. Sie nimmt sich kein Blatt vor den Mund. 2016 kritisierte sie Parteichef Werner Faymann öffentlich, 2020 forderte sie den Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy heraus und kandidierte für den Parteivorsitz im Bezirk. 2023 war Duzdar schon auf Bablers Seite, als die Wiener SPÖ noch hinter Pamela Rendi-Wagner stand. Dafür wurde sie von der Landesgruppe abgestraft. Auf der Wiener Liste für die Nationalratswahl steht sie auf dem aussichtslosen zwölften Platz. Als mögliche Ministerin dürfte sie weiter im Rennen sein.

Aber wie gesagt: Die SPÖ ist eine Blackbox. Niemand weiß, wohin die Reise geht. Auch die Partei selbst nicht.

FPÖ: Geht Kickl in die zweite Reihe?

Herbert Kickl ist die unumstrittene Nummer eins bei den Blauen. Schließlich führte er die Partei nach dem Ibiza-Fiasko unter Vorgänger HC Strache zu neuen Höhenflügen. Seit knapp zwei Jahren liegt die FPÖ in Umfragen auf Platz eins, teilweise lag sie sogar über 30 Prozent.

Doch bleibt Kickl auch nach der Wahl die Nummer eins? Nach Informationen der WZ gibt es in der Partei ein Szenario mit Kickl als Parteiobmann in der zweiten Reihe. Dort, wo er seine Stärke als Denker im Hintergrund am besten ausspielen kann. Ein Spitzenkandidat müsse leutselig sein, auch einmal ein paar Bier mit den Wähler:innen trinken und nicht wie Kickl gleich wieder das Weite suchen, heißt es in Hintergrundgesprächen mit der WZ. Zudem hat der einzig mögliche Koalitionspartner, die ÖVP, glaubhaft versichert, dass eine Regierungsbeteiligung mit Kickl undenkbar ist.

Sollte es zu einer Koalition mit der FPÖ kommen, gehört Arnold Schiefer zu den wahrscheinlichsten Ministerkandidaten. Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der ÖBB schrieb am FPÖ-Wirtschaftsprogramm mit und soll dafür sorgen, dass die FPÖ auch abseits von Migrationsthemen wahrgenommen wird. Schiefer könnte Infrastrukturminister werden.

Auch FPÖ-Verfassungssprecherin Susanne Fürst hat gute Karten; auf der Bundesliste für die Wahl steht sie auf Platz zwei, gleich hinter Herbert Kickl. Zuletzt forderte sie die ÖVP dazu auf, gemeinsam die „Festung Österreich“ zu bauen. Ein Angebot an die ÖVP und gleichzeitig ein Hinweis darauf, wie sie ihre Rolle in der FPÖ wahrnimmt. Sollte Kickl in die zweite Reihe rücken, könnte sie ihm nachfolgen.

Ministrabel gelten auch Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch, die zum engen Kreis von Kickl zählt, ebenso wie FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. Die ehemalige Vizepräsidentin der Nationalbank, Barbara Kolm, wird als Ministerin für Wirtschaft oder Finanzen gehandelt.

Grüne: Was wird aus Alma Zadic?

Werner Koglers neue Mannschaft ist seine alte. Die kritische – oft auch zerstrittene – Partei steht diesmal hinter ihrem Personal. Erzielen die Grünen ein akzeptables Ergebnis über zehn Prozent, würde der Parteiobmann als Minister (oder Vizekanzler) weiter zur Verfügung stehen. Stürzen sie ab, könnte Umweltministerin Leonore Gewessler übernehmen. Ansonsten dürfte sich bei den Grünen wenig ändern.

Von den derzeit vier Minister:innen der Grünen – Kogler (Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst, Sport), Gewessler (Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), Alma Zadic (Justiz), Johannes Rauch (Soziales, Gesundheit, Pflege, Konsumentenschutz) – gelten drei als gesetzt. Einzig Rauch könnte in Pension gehen.

Neben ihnen wird Stefan Kaineder als neue Minister-Option gehandelt. Der oberösterreichische Landesrat für Klimaschutz und ehemalige Nationalratsabgeordnete sitzt im Parteivorstand der Grünen.

Eine Neuauflage von Schwarz-Grün ist nahezu ausgeschlossen. Laut Umfragen fehlen den Regierungsparteien fast 20 Prozent auf eine Mehrheit. Selbst in einer Dreierkoalition sehen viele die Grünen nicht. Auch innerhalb der Partei gehen viele Funktionär:innen von der Opposition aus. Sie blicken bereits auf die Wien-Wahl im kommenden Jahr. Hier könnte die Spitzenkandidatin Alma Zadic heißen.

Neos: Der Traum von Beate Meinl-Reisinger

Schaffen es die Neos in die Regierung, wird Beate Meinl-Reisinger Ministerin. Die Frage ist nur, welche. Angeblich wünscht sie sich das Finanzministerium. Realistisch ist das nicht. Seit Anfang der 2000er-Jahre ist es in der Hand der Volkspartei. Ohne Not wird sich das nicht ändern. Wahrscheinlicher ist, dass das Bildungsressort an die Neos geht. Bildung ist Kernthema der Partei. Auch als Außenministerin ist Meinl-Reisinger denkbar.

Neben Meinl-Reisinger wird der Wirt Sepp Schellhorn als möglicher pinker Minister gehandelt. Schellhorn ist in der Bevölkerung beliebt. Seine Kochvideos erreichen Hunderttausende. In der Partei gilt er als Eigenbrötler, der gern sein eigenes Süppchen kocht. Bei vielen Funktionär:innen kommt das weniger gut an. Sein Brotberuf würde ihn für das Tourismus-Ressort qualifizieren.

Neben Meinl-Reisinger und Schellhorn kommt Neos-Mitbegründer Veit Dengerl als Minister in Frage. Der zweite Mitbegründer der Partei, Matthias Stolz, trat fünf Tage vor der Nationalratswahl aus der Partei aus. Kurz davor liebäugelte Strolz gegenüber der Kronen Zeitung noch mit dem Posten des Bildungsministers. Dass eine Absage Meinl-Reisingers mit dem Austritt zusammenhängt, dementierte Strolz.


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Infos und Quellen

Quellen

Daten und Fakten

Am 29. September 2024 findet die 28. österreichische Nationalratswahl statt. Bundesweit treten ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne, Neos, Bier, Keine, KPÖ und LMP an, in einzelnen Bundesländern zusätzlich Gaza, MFG und die Gelben. Rund 6,35 Millionen Menschen sind wahlberechtigt (Bundesministerium für Inneres).

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