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Georg Renner hat sich diese Woche die Wehrbereitschaft in Österreich angesehen.
Wärst du bereit, dein Heimatland mit der Waffe zu verteidigen? Diese Frage rückt besonders in Deutschland gerade ein Stück weit ins Zentrum der politischen Debatte.
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Die Proto-Koalition aus Union und SPD hat dort gemeinsam mit den Grünen mit den Stimmverhältnissen des alten Bundestags ein Sonderbudget für Aufrüstung in die Verfassung geschrieben (ob das auch in Österreich möglich wäre, hat übrigens Philipp Aichinger in der „Presse“ aufgeschrieben). Gleichzeitig erklimmt in Deutschland die Streitschrift „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde: Gegen die Kriegstüchtigkeit“ des linken Journalisten Ole Nymoen die Bestsellerlisten.
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Einfach Politik.
Innenpolitik-Journalist Georg Renner über Österreichs Politiklandschaft.
Im Kern der Debatte steht die eher banale Erkenntnis, dass ein Land, wenn es Wehrbereitschaft ausstrahlen will, nicht nur moderne Waffen braucht – sondern eben auch Leute, die bereit sind, diese Waffen im Ernstfall zu bedienen. In Österreich haben wir unseren deutschen Freund:innen dahingehend ja voraus, dass wir die Wehrpflicht beibehalten haben. Das heißt, dass jedes Jahr Tausende junge Männer nach § 41 Abs 7 Wehrgesetz ihre Bereitschaft geloben:
„Nach erstmaligem Antritt des Wehrdienstes hat jeder Soldat ein Treuegelöbnis zu leisten. Das Treuegelöbnis lautet: ‚Ich gelobe, mein Vaterland, die Republik Österreich, und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen. Ich gelobe, den Gesetzen und den gesetzmäßigen Behörden Treue und Gehorsam zu leisten, alle Befehle meiner Vorgesetzten pünktlich und genau zu befolgen und mit allen meinen Kräften der Republik Österreich und dem österreichischen Volke zu dienen.‘“
Nur mehr die Hälfte geht zum Wehrdienst
Bekanntlich müssen sie das aber nicht, sondern können sich stattdessen für den waffenfreien Zivildienst melden. Aktuell tut das etwas weniger als die Hälfte der grundsätzlich zum Wehrdienst tauglichen jungen Österreicher, wie aus der aktuellsten (2023er) Bilanz zu Wehrpflicht und Zivildienst hervorgeht:
(Ich habe die vorübergehende Untauglichkeit, die rund 3.400 Männer betroffen hat, bei dieser Grafik einmal außer Acht gelassen – die Betroffenen müssen später noch einmal zur Stellung und können dann eventuell ihren Dienst antreten. Überhaupt ist die zunehmende Untauglichkeit – nicht zuletzt wegen Übergewichts – eine interessante Geschichte, aber bleiben wir heute bei der Wehrbereitschaft.)
Die Zahl der Grundwehrdiener stagniert seit Jahren – ähnlich wie jene der Zivildiener. Seit Mitte der Zehnerjahre treten jährlich um die 15.000 Männer ihren jeweiligen Dienst an, was man im Heer durchaus als verbesserungsfähig erachtet. Im Landesverteidigungsbericht 2023 heißt es dazu:
„Die Zahl der GWD stagniert derzeit bei etwa 15.000 bis 16.000 jährlich. Hier ist im Rahmen der ULV (Umfassende Landesverteidigung, Anm.) der Wehrwille der österreichischen Bevölkerung zu stärken und der Grundwehrdienst als ein wertvoller Dienst an der Gesellschaft zu etablieren.“
62% sind nicht bereit, Österreich zu verteidigen
Der „Wehrwille“ also. In Österreich haben wir über die Zahl der Grundwehrdiener hinaus eine ziemlich belastbare Quelle, wie stark beziehungsweise wie schwach der ausgeprägt ist: Seit Jahren lässt das Verteidigungsministerium seriöse Institute ein „sicherheitspolitisches Meinungsbild“ erheben, eine repräsentative Umfrage unter rund 1.400 Menschen in Österreich zu verteidigungspolitischen Fragen. Die aktuelle Erhebung hat im Herbst 2024 stattgefunden, alle Ergebnisse findest du hier auf der Seite des Ministeriums.
Unter anderem wissen wir daher ziemlich genau, wie hoch der Anteil der Österreicher:innen ist, die das Land im Ernstfall mit der Waffe verteidigen würden:
36 Prozent, ein gutes Drittel der Befragten, wären also bereit, die Republik gegen einen militärischen Angriff zu verteidigen. Wobei es in der demografischen Aufschlüsselung signifikante Unterschiede gibt: Von den befragten Männern sagte fast die Hälfte (47 Prozent) Ja. Dagegen erklärten von den befragten Frauen 71 Prozent, von den befragten Ausländer:innen 77 Prozent, dass sie Österreich nicht verteidigen würden. Tendenziell am höchsten ist die Verteidigungsbereitschaft in der Altersgruppe von 40 bis 49 Jahren, am geringsten in jener ab 60 Jahren.
Wehrbereitschaft steigt langsam
Jetzt kann man diese 36 Prozent aus verteidigungspolitischer Sicht tragisch niedrig oder aus pazifistischer Sicht noch immer zu hoch finden: Im Verlauf der Jahre, seitdem das Bundesheer diese Umfrage führt, hat sich da durchaus etwas getan.
Die Wehrbereitschaft steigt zwar nicht in lichte Höhen, aber doch signifikant und über die Schwankungsbreite einer solchen Umfrage hinaus. Das hat höchstwahrscheinlich mit der Weltlage und dem Krieg in unserer Nachbarschaft zu tun– aber es ist wohl etwas, wo man ansetzen kann, wenn man zum Beispiel ein Regierungsprogramm hat, in dem man sich vorgenommen hat, die Umfassende Landesverteidigung zu stärken:
„Erarbeitung eines Planes zur Umsetzung der Umfassenden Landesverteidigung (ULV) als gesamtstaatliche Kernaufgabe und dabei Festlegung der erforderlichen Maßnahmen für die zivile, wirtschaftliche, geistige und militärische Landesverteidigung und Sicherheitsvorsorge“.
ps: Unser Deal ist ja, dass meine persönliche Einstellung in diesem Newsletter keine Rolle spielen soll. Aber weil erfahrungsgemäß bei solchen Themen sehr schnell die Nachfrage „haben Sie gedient?“ kommt: Ja, ich war acht Monate lang Soldat; MG-Schütze in einer Aufklärerkompanie – und ja, ich fühle mich an mein Gelöbnis selbstverständlich noch immer gebunden.
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Infos und Quellen
Genese
Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.
Quellen
dievolkspartei.at: Regierungsprogramm 2025
bmlv.gv.at: Österreichische Sicherheitspolitik im Trend
bmlv.gv.at: Landesverteidigungsbericht 2025
Die Presse: Zahl der tauglichen Grundwehrdiener nimmt ab
Bundeskanzleramt: Tanner und Plakolm präsentieren Bilanz 2023 zu Grundwehrdienst & Zivildienst
Die Presse: Ein neues Parlament „auszutricksen“ wäre in Österreich möglich