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Wie hat sich die Wirtschaft seit der letzten Wahl entwickelt?

5 Min
Auf die nächste Regierung warten einige Baustellen.
© Illustration: WZ, Bildquelle: Adobe Stock

Die vergangenen fünf Jahre waren geprägt von Wirtschaftsskandalen, Krisen und Teuerung. Ein Überblick über die wichtigsten Entwicklungen und Baustellen, die auf die nächste Regierung warten.


Zwei Monate alt war die aktuelle österreichische Regierung, bevor ein Ereignis nicht nur die Gesellschaft, sondern auch die Wirtschaft nachhaltig prägte. Die Pandemie stellte das Wirtschaftssystem der vergangenen Jahrzehnte auf den Kopf: Lockdowns, Kurzarbeit, Homeoffice, Coronahilfen. Die Folgen dieses Ausnahmezustandes sind noch heute deutlich zu spüren. Doch auch ohne Covid-19 gäbe es für die nächste Regierung viele Herausforderungen. Wie sich die Wirtschaft in dieser Legislaturperiode verändert hat, und welche Baustellen auf die neue warten:

Wirtschaftswachstum

Die Wirtschaftsleistung brach im ersten Pandemiejahr 2020 um 6,5 Prozent ein. Zum Vergleich: Im Jahr davor wuchs die Wirtschaft um 1,5 Prozent. Ein Jahr darauf gab es Erholung mit einem Plus von 4,6 Prozent, wobei das Bruttoinlandsprodukt, mit dem die gesamte Wirtschaftsleistung gemessen wird, noch immer nicht das Vorkrisenniveau erreichte. Mit einem Plus von 4,8 Prozent endete das kurzfristige Wirtschaftswunder mit dem Jahr 2022, denn 2023 kam mit einem Minus in Höhe von 0,8 Prozent die befürchtete Rezession. Und auch dieses Jahr dürfte das Wirtschaftswachstum noch bescheiden ausfallen.

Eine Herausforderung für die neue Regierung wird deshalb sein, die Wirtschaft wieder zu stabilisieren. Während der Dienstleistungssektor positiv ist, kämpft die Industrie – vor allem die Baubranche und die Produktion. Diese Entwicklung hängt unter anderem mit der Inflation zusammen: Denn um die außergewöhnlichen Teuerungsraten in den Griff zu bekommen, hat die Europäische Zentralbank den Leitzins stetig angehoben. Das wiederum bremst Investitionen: Wird die Finanzierung eines Bauprojektes teurer, geht das Projektvolumen zurück. Das kostet nicht nur Wirtschaftsleistung, sondern letztendlich auch Arbeitsplätze.

Arbeitsmarkt

Die nächste Baustelle ist der Arbeitsmarkt. Im ersten und zweiten Regierungsjahr lag die Arbeitslosenquote über sechs Prozent. 2023 waren 5,1 Prozent der Erwerbstätigen auf Arbeitssuche, Entspannung gibt es allerdings nicht. Im August 2024 waren laut dem Arbeitsmarktservice fast zehn Prozent mehr Menschen arbeitslos gemeldet als im Vormonat. Besonders betroffen sind Beschäftigte in der Industrie und der Baubranche. Das Institut für Höhere Studien prognostiziert für 2024 eine Arbeitslosenquote von 6,7 Prozent, auch die nächsten Jahre dürfte die Quote nicht unter sechs Prozent sinken.

Nicht nur die Beschäftigtenzahlen sollten auf der Agenda der neuen Regierung stehen, auch andere Themen prägen den Arbeitsmarkt: Fachkräftemangel, Integration und eine vor allem bei Frauen hohe Teilzeitquote mit rund 50 Prozent. Wirtschaftsforscher:innen warnen, dass der Trend zu weniger Arbeiten den Wohlstand des Landes gefährden könnte. Ein weiterer Trend, der sich während der Pandemie durchgesetzt hat: Arbeiten von zuhause – oder sogar überall. 2021 kam das Homeoffice-Gesetz; mittlerweile wird es als Telearbeit bezeichnet und regelt, wie Mitarbeiter:innen ortsungebunden arbeiten dürfen.

Korruption und Pleiten

Abseits des gesamtökonomischen Geschehens dominierten einige Einzelfälle die Schlagzeilen der Wirtschaftsberichterstattung: Im Juni 2020 flog der Betrug beim deutschen Konzern Wirecard auf, dessen österreichische Manager Markus Braun und Jan Marsalek hauptverdächtig sind. Letzterer ist noch immer untergetaucht, in den vergangenen Jahren wurden seine Verbindungen in die österreichische Politik aufgedeckt. Ähnlich gut vernetzt war Signa-Gründer Rene Benko, sein Immobilienimperium ging vergangenes Jahr in die Brüche. Mit Forderungen in Höhe von fünf Milliarden Euro war es die größte Firmenpleite der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Fast vergessen ist hingegen der Skandal um die Commerzialbank Mattersburg. Mit Betrugsgeschäften soll Ex-Vorstand Martin Pucher einen Schaden in Höhe von 70 Millionen Euro verursacht haben.

Alle erwähnten Fälle sind deshalb politisch relevant, weil die handelnden Personen gute Kontakte in die Politik pflegten. Keine Überraschung also, dass Österreich im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International mit Platz 20 als „zweitklassig“ gilt. Nicht zuletzt tragen diese Wirtschaftskrimis zu Frust und Verdrossenheit bei den Bürger:innen bei. Mehr Transparenz und weniger Wirtschaftskriminalität sollten darum ebenfalls im Fokus der neuen Regierung stehen.

Entlastung und Vermögen

400 Superreiche besitzen in Österreich laut dem aktuellen Global Wealth Report der Boston Consulting Group zwei Drittel des gesamten Finanzvermögens. Diese Ungleichverteilung hat schon die aktuelle Regierung beschäftigt, die Rufe nach einer Vermögens- oder Erbschaftssteuer wurden lauter und werden im Wahlkampf wieder von der SPÖ aufgegriffen. Neben dem Klimabonus führte die schwarz-grüne Regierung mit der Abschaffung der Kalten Progression eine weitere Maßnahme zur Entlastung der privaten Haushalte ein. Das Ende der schleichenden Steuererhöhung soll dieses Jahr eine Ersparnis von 3,65 Milliarden Euro für die Steuerzahler:innen bringen.

Der Plan, den privaten Vermögensaufbau mit der Kapitalertragsteuerbefreiung zu fördern, ging nicht auf. Dafür startete der Staat mit dem Bundesschatz sein eigenes Anlageprodukt.

Nicht jede Legislaturperiode bringt eine Pandemie und mehrere Kriege. Doch die Gesellschaft und Umwelt verändern sich, und das bringt wirtschaftliche Herausforderungen: steigende Arbeitslosigkeit, Armutsgefährdung, kriselnde Industrie und die Insolvenzwelle. Die nächste Regierung muss nicht nur den Wirtschaftsstandort Österreich stärken, sondern auch für soziale Gerechtigkeit sorgen.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.


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Infos und Quellen

Daten und Fakten

  • Österreichs Wirtschaft war in der aktuellen Legislaturperiode zum Teil rückläufig, eine Erholung prognostizieren Ökonom:innen erst in den nächsten Jahren.

  • Die Arbeitslosenquote könnte dieses Jahr 6,7 Prozent betragen und auch 2025 hoch bleiben.

  • Die Inflationsrate liegt mit 2,4 Prozent noch immer über dem durchschnittlichen Niveau der Eurozone, normalisiert sich aber nach drei Jahren Teuerungswelle wieder.

  • Mit der Abschaffung der Kalten Progression einigte sich die aktuelle Regierung auf eine Entlastungsmaßnahme, andere Pläne gegen die ungleiche Vermögensverteilungen wurden bisher nicht umgesetzt.

Quellen