Ein Interview mit Christian Kdolsky, Mitgründer und Sprecher der Zukunftsallianz: „Die Klimakrise muss anders erzählt werden.“
Herr Kdolsky, die Klimabewegung stand lang still. Was hat sich geändert?
Die Klimabewegung war tatsächlich in alten Mustern festgefahren. Proteste, Unterschriftenaktionen und mediale Kampagnen haben kaum etwas bewegt. Dieses Jahr sind wir einen anderen Weg gegangen. Wir haben uns gezielt an die „pragmatische Mitte“ gewandt – das sind vor allem Jungfamilien und Menschen, die von der Klimakrise betroffen sind, aber keine Antworten darauf bekommen, wie sie konkret handeln können.
Welche Bedürfnisse hat diese Zielgruppe?
Wir haben in 50 Gemeinden Gespräche geführt und Marktforschung betrieben. Dabei haben wir klare Aussagen gehört: „Ich würde gern mit dem Fahrrad fahren, aber der Weg ist zu gefährlich.“ Oder: „Ohne Zweitauto geht es nicht, weil es keine Busverbindungen gibt.“ Viele Menschen möchten nachhaltig leben, aber die Voraussetzungen fehlen. Es geht also nicht um fehlenden Willen, sondern um fehlende Alternativen.
Zu viele Orte sind zugepflastert und verwaist.Christian Kdolsky, Zukunftsallianz
Was ist der „Zukunftsplan der Bevölkerung“ und was soll er erreichen?
Der Zukunftsplan ist das Ergebnis unserer Auswertung. Es ist ein Katalog von konkreten Anliegen, die aus der Mitte der Gesellschaft stammen und einen positiven Impact auf die Klimabilanz haben. Wir sehen das als Hilfestellung für die Politik – ein Angebot zur Selbsthilfe. Die Menschen möchten Teil der Lösung sein, aber sie brauchen Rahmenbedingungen, die ihnen das ermöglichen. Wir brauchen viel mehr Bürgerbeteiligung, weil wir brauchen die Mitte der Bevölkerung, um das Morgen zu gestalten. Mit der Zukunftsallianz versuchen wir, der Politik zu zeigen, dass es einen breiten Wunsch nach Veränderung gibt – in jeder Gemeinde, in jedem Bundesland, in jeder Partei.
Was sind die drei wichtigsten Anliegen aus diesem Plan?
Die ersten drei Punkte, die uns am häufigsten begegnet sind, sind:
Mobilität: der Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln, Dorftaxis und Gemeindebussen. Viele würden gern auf das Zweitauto verzichten, aber die Wahlfreiheit existiert derzeit nicht.
Belebte Ortskerne: Es braucht kurze Wege, Nahversorgung und soziale Treffpunkte. Zu viele Orte sind zugepflastert und verwaist.
Gerechte Kostenverteilung: Eine ökosoziale Steuerreform muss nachhaltiges Verhalten belohnen und die Verursacher stärker in die Pflicht nehmen. Fairness und klare Regeln sind hier entscheidend.
Was macht es so schwierig, diese Wünsche umzusetzen?
Viele Hürden sind hausgemacht. Ein Beispiel ist die Sanierungsförderung. Sie gilt nur für Hausbesitzer. Mieter können kaum etwas tun, um nachhaltige Heizsysteme zu installieren. Oder die Stop-and-Go-Förderpolitik. Die Unsicherheit, ob ein Gesetz oder eine Förderung auch in der nächsten Legislaturperiode gilt, hält viele davon ab, zu investieren.
Der Eisbär am Nordpol als Symbol der Klimakrise funktioniert nicht mehr.Christian Kdolsky, Zukunftsallianz
Warum reichen moralische Botschaften nicht aus?
Die Zeiten, in denen der Eisbär am Nordpol als Symbol der Klimakrise funktioniert hat, sind vorbei. Marktforschungen des Integral Instituts zeigen, Menschen wollen keine moralischen Vorhaltungen, sondern konkrete Vorteile. Ein Beispiel: Erneuerbarer Strom ist nicht nur klimafreundlich, sondern auch günstiger. Oder durch die Gemeinden mitgetragene Carsharing-Angebote: Das spart Geld und schafft Freiheit, weil man sich nicht um Benzin oder Reparaturen kümmern muss.
Welche Rolle spielt die Politik? Ist der Einzelne oder die Regierung verantwortlich?
Einzelne können viel tun, aber die Politik hat die größeren Hebel. Es geht um Rahmenbedingungen, die nachhaltiges Verhalten erleichtern. Die Menschen sind weiter als die Politik. Sie haben Visionen von einem lebenswerten Alltag, aber sie brauchen Planungssicherheit und klare Regeln. Auffällig ist, dass die Menschen in den Gemeinden über alle Parteigrenzen hinweg konstruktiv über Lösungen sprechen, während die Bundespolitik bremst − angeblich aus Rücksicht auf die Bevölkerung.
Wo sehen Sie die größten Chancen für die Zukunft?
Wir können uns unabhängiger machen, indem wir erneuerbare Energie ausbauen. Es gibt auch große Chancen in zukunftsfitten Branchen wie der Kreislaufwirtschaft, wo etwa Baustoffe oder Verpackungen wiederverwertetet werden, oder der Bahnindustrie, wo Österreich bei Exporten von Schienenfahrzeugen bereits Nummer vier am Weltmarkt ist. Wir dürfen diese Gelegenheiten nicht verpassen.
Die Politik hat jetzt die Verantwortung, diese Visionen umzusetzen.Christian Kdolsky, Zukunftsallianz
Was müssen wir jetzt konkret tun?
Die Politik muss den Mut haben, das umzusetzen, was vielerorts schon Alltag ist. Es geht darum, zu zeigen, was man gewinnt, wenn man sein Leben umstellt – mehr Freiheit, weniger Kosten, bessere Lebensqualität. Ob es um Carsharing, sicherere Radwege oder lokale Nahversorgung geht: Es sind die kleinen Veränderungen im Alltag, die den Unterschied machen. Energie in Energiegemeinschaften; mehr Freizeit durch kürzere Wege und weniger Stau; Gesundheit durch Zufußgehen und Fahrradfahren; sichere Jobs in aufstrebenden Branchen. Bei vielen Vorteilen brauchen wir aber die Politik.
Was nehmen Sie aus den Gesprächen in den Gemeinden mit?
Die Menschen haben große Sorgen, aber auch große Wünsche. Sie wollen, dass die Zukunft wieder positiver wird. Es ist unsere Aufgabe, ihnen die Wege zu zeigen, wie sie das schaffen können – gemeinsam und pragmatisch. Die Klimakrise muss anders erzählt werden: als Chance auf ein besseres Leben.
Wie kann die Zukunft gelingen?
Der Zukunftsplan der Bevölkerung zeigt, dass die Menschen bereit sind, ihren Teil beizutragen – wenn sie die Möglichkeiten dazu haben. Es braucht bessere Mobilität, gerechtere Kostenverteilung und mehr Lebensqualität in den Ortskernen. Die Politik hat jetzt die Verantwortung, diese Visionen umzusetzen.
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Infos und Quellen
Genese
Was wird die neue Regierung im kommenden Jahr umsetzen? Der Verein Zukunftsallianz – aus dem Klimavolksbegehren entstanden – gibt nicht auf und hat in 50 Gemeinden die Anliegen und Wünsche der Bevölkerung gesammelt, die er 2025 einer neuen Regierung vorlegen will.
Gesprächspartner
Christian Kdolsky, Sprecher der Zukunftsallianz, eine Initiative des Klimavolksbegehrens.
Daten und Fakten
Auswahl Zitate Bürger:innen aus den Gemeinden:
„Den riesigen Parkplatz im Ortszentrum zu einem Park oder so zu machen. Also zu einem netten Treffpunkt für Menschen.“„Man hat das Gefühl, dass die hohe Politik konsequent dagegen arbeitet. Warum soll ich dann etwas tun?“
„Ich würde den Menschen sagen, wie es um unseren Planeten steht und die Positiv-Vision zum politischen Programm des Landes machen.“
„Dass über Parteigrenzen hinweg die besten Lösungen für alle Menschen durchgesetzt werden. Ohne die ewige Haxlbeisserei, dafür mit bestem wissenschaftlichem und ethischem Hintergrund.“
Die Zukunftsallianz sieht kontraproduktive Subventionen: 4,1 bis 5,7 Milliarden Euro pro Jahr. Dazu zählen u. a. die Pendlerpauschale mit 510 Millionen Euro jährlich, das Dieselprivileg mit bis zu 1,1 Milliarden Euro jährlich, die Dienstwagenpauschale mit bis zu einer Milliarde pro Jahr.
Die geschätzten Ausgleichszahlungen beim Verfehlen der EU-Klimaziele: Laut Schätzungen sind das zwischen 4,7 Milliarden Euro und 9,2 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030.
Klimawandelbedingte Schäden ab 2030: mindestens 2,5 bis 5,2 Milliarden jährlich, um das Jahr 2050 4,3 bis 10,8 Milliarden jährlich.
Das Hochwasser 2024 verursachte mindestens 1,3 Milliarden Euro Schaden.
Bei Exporten von Schienenfahrzeugen liegt Österreich weltweit an vierter Stelle.
Quellen
Kontext-Institut: Einsparungspotenzial
Rechnungshof: Ausgleichszahlungen beim Verfehlen der EU-Klimaziele
Wegener Center Graz: Teure Klimakrise
Kontext-Institut: Kosten für Hochwasser-Schäden