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Wohnungswucher Wien: Wer kann sich das noch leisten?

4 Min
Wohnen in Wien wird teurer
© Autor: Markus Günther, Urban Journalism Network

Lange galt Wien als Hauptstadt des sozialen und leistbaren Wohnens. Doch im europäischen Vergleich schneidet Wien aktuell weniger gut ab. Kannst du in unserem interaktiven Wohnungsspiel erraten, wie teuer die Hauptstadt ist?


    • In Wien sind über die Hälfte der Mietwohnungen subventioniert, doch Neuzuzügler haben kaum Zugang zu diesen.
    • Menschen in systemrelevanten Berufen müssen oft über 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für Neubau-Mieten ausgeben.
    • Die Mieten steigen österreichweit weiter, ein neuer Mietendeckel ist erst ab 2028 geplant.
    • Über 50 % der 750.000 Mietwohnungen in Wien sind subventioniert.
    • Im europäischen Vergleich der Wohnungsmieten liegt Wien im Mittelfeld.
    • Für Neubauten zahlen fast alle systemrelevante Berufsgruppen über 30 % des Nettoeinkommens für Miete.
    Mehr dazu in den Infos & Quellen

Wenn es ums Wohnen geht, wird Wien gern als Musterstadt genannt. Im Vergleich zu anderen europäischen Städten galt die österreichische Hauptstadt als sehr günstig. Das liegt vor allem daran, dass es in Wien viele Gemeindebauten und soziale Genossenschafts- oder gemeinnützige Wohnungen gibt – von den 750.000 Mietwohnungen sind mehr als die Hälfte staatlich subventioniert.

Doch in der Realität haben Menschen, die neu in der Stadt sind, keinen Anspruch auf vergünstigte Wohnungen. Anspruch auf eine Gemeindebauwohnung gibt es erst nach zwei Jahren, in gemeinnützigen Wohnungen sind die Wartelisten meist sehr lang – dazu kommt meistens auch noch ein Betrag von mehreren zehntausend Euro, um sich in eine Genossenschaft einzukaufen. Viele sind deshalb auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen.

Eine Recherchekooperation der WZ gemeinsam mit dem Urban Journalism Network, dem ORF sowie dem Berliner Tagesspiegel zeigt: Besonders Menschen in systemrelevanten Berufen fällt es mittlerweile schwer, sich das Leben in Wien zu leisten. Das Bild der Sozialstadt Wien wackelt.

The Housing Games

Hast du dich schon einmal gefragt, ob du dir in Berlin noch eine Wohnung leisten könntest, oder wie viele Quadratmeter du für dasselbe Geld in Prag bekommst?

Die folgende Grafik zeigt dir den europäischen Vergleich der Mietpreise.

Der Wohnraum in Wien wird teurer, im europäischen Vergleich schneidet die Bundeshauptstadt nur mehr mittelmäßig ab.

Doch wie viel Prozent des Einkommens müssen die Menschen, die die Stadt am Laufen halten, tatsächlich für ihre Miete ausgeben?

Für einen Neubau müssen in ganz Wien beinahe alle auswählten Berufsgruppen mehr als 30 Prozent ihres monatlichen Nettoeinkommens für die Miete einer 50-Quadratmeterwohnung ausgeben. Altbauwohnungen hingegen sind weitaus erschwinglicher, da diese einer Preisobergrenze unterliegen. Ebenso stellen Sozial- und gemeinnützige Bauten eine Ausnahme dar.

Wie viele Quadratmeter können sich Menschen in diesen Berufsgruppen tatsächlich leisten, wenn sie 30 Prozent ihres Nettogehalts ausgeben?

Ein:e Krankenpfleger:in in Wien kann sich also eine 40 m² Wohnung leisten, sofern man bereit ist auch 30 Prozent des Gehalts dafür auszugeben. Das sind knapp zwei Zimmer.

Doch wie viele Arbeitstage müssen Menschen in systemrelevanten Berufen tatsächlich arbeiten, um die Monatsmiete einer 50 m², zu bezahlen?

Österreich: Mieten steigen weiter

Die in den Grafiken verwendeten Mietpreise beziehen sich zwar auf neue Angebote in Wien, doch die Bestandsmieten stiegen in ganz Österreich in diesem Jahr weiterhin an. Im ersten Quartal 2025 meldete Statistik Austria, dass die Zehn-Euro-Marke pro Quadratmeter bei Warmmieten erreicht wurde.

Dazu kommen Wohnungsnot und Leerstand, vor allem in Innsbruck und Wien. Zwar wurden Altbautmieten heuer bereits gedeckelt, für Neubauten gilt aber weiterhin das Gesetz von Angebot und Nachfrage.

Erst ab 2028 soll bei allen Mietverhältnissen ein neuer gedeckelter Index eingeführt werden – so zumindest der Plan der aktuellen Bundesregierung. Gleichzeitig steigen jedoch Betriebs- und Energiekosten sowie Lebensmittelpreise weiterhin an. Die Frage bleibt also, wie lange Wien noch leistbar sein wird.

Das Projekt "The Housing Games" wurde vom Urban Journalism Network in Zusammenarbeit mit den folgenden Medienpartnern entwickelt und koordiniert: Tagesspiegel (Deutschland), Denik Referendum (Tschechien), Apache (Belgien), ORF (Österreich), Wiener Zeitung (Österreich), IrpiMedia (Italien), Gazeta Wyborcza (Polen), iTromsø (Norwegen), Göteborgs-Posten (Schweden).

Das Projekt wurde finanziell vom Journalism Fund und IJ4EU (Investigative Journalism for Europe) unterstützt.


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Infos und Quellen

The Housing Games – Wer kann es sich noch leisten, in der Stadt zu wohnen?

Das europäische Projekt „The Housing Games“ schaut, ob es sich Menschen in systemrelevanten Berufen noch leisten können, in ihrer Stadt zu wohnen. Von Krankenpfleger:innen und Reinigungskräften bis hin zu Lehrer:innen und Rettungsfahrer:innen – sie sind die tragenden Menschen in der Stadt. Sie machen das tägliche Leben möglich und sorgen dafür, dass unsere städtischen Gesellschaften funktionieren. Trotzdem können sich wichtige Arbeitskräfte die Orte, an denen sie arbeiten, immer weniger leisten.

Die COVID-19-Pandemie hat deutlich gemacht, dass Städte ohne systemrelevante Arbeitskräfte nicht funktionieren können – und dass ihre Arbeit nicht hinter Bildschirmen erledigt werden kann. Für unser körperliches und soziales Wohlbefinden ist es daher unerlässlich, dass sie in den Städten, in denen sie arbeiten, eine Unterkunft finden. Doch einige dieser Beschäftigten verdienen oft nur geringe Löhne, was es ihnen schwer macht, Arbeit und Wohnen unter einen Hut zu bringen.

Dieses Projekt vergleicht Löhne mit Mieten und Immobilienpreisen in europäischen Städten, um die wachsende Kluft zwischen dem Wert unverzichtbarer Arbeit und den Kosten für einen Ort, den man sein Zuhause nennen kann, aufzudecken.

Das Team

  • Bene Brandhofer (UJN) – Gestaltung des Quiz und Datenvisualisierungen
  • David Meidinger (UJN) – Datenanalyse und -entwicklung
  • Hendrik Lehmann (UJN) – Leiter der Datenvisualisierungsentwicklung
  • Gaby Khazalova (UJN) – Leiterin der Recherche und Datenanalyse
  • Sarah Pilz (UJN) – Datenerhebung und Datenanalyse
  • Markus Günther (UJN) – Gestaltung des Quiz und der Datenvisualisierungen
  • Johan Schuijt (UJN) – Entwicklung

Daten und Fakten

  • Die Daten der Mietpreise stammen von Immopreise.at und wurden der WZ freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
  • Die Einkommensdaten wurden der WZ von Statistik Austria zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei um die Einkommensdaten von 2023 nach ÖISCO-08 Norm, welche für 2024 korrigiert wurden.
  • In Wien gibt es 1.800 Gemeindebauten, in denen ca. 500.000 Menschen wohnen.
  • Anspruch auf die Gemeindebauten von Wiener Wohnen haben Personen, die einen Hauptwohnsitz in Wien seit mindestens zwei Jahren haben, sowie ein Einkommen, das die festgelegten Grenzen nicht überschreitet.
  • Anspruch auf eine Genossenschaftswohnung in Wien hat man ebenfalls erst, nachdem man mindestens zwei Jahren durchgehend einen Hauptwohnsitz in Wien hat und eine gewisse Einkommensgrenze nicht überschreiten.
  • Je nach Genossenschaft wird auch ein gewissen „Finanzierungsbeitrag“ fällig, ein (mietzinsmindernden) Grund- und/oder Baukostenbeitrag, der je nach Alter, Lage und Größe der "Genossenschaftswohnung" variieren kann. Wenn das Mietverhältnis beendet wird, wird dieser in der Regel mit einer jährlichen Abschreibung von einem Prozent zurückbezahlt.
  • Abseits dessen ist man auf den freien Wohnungsmarkt angewiesen.

Quellen

Das Thema in der WZ

Das Thema in anderen Medien

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