
Foto: Wagih Felbermayer
Der Sozialismus will den Wohlstand nicht bekämpfen, sondern gerecht verteilen.
Es ist ja nicht so, dass erst etwas erarbeitet und dann verteilt wird. Das Erarbeiten ist zugleich schon das Verteilen. Wenn ich arbeite, erwerbe ich Eigentum. Wenn wir Eigentum, das erworben worden ist, neu verteilen, hat das Rückwirkungen auf das, was künftig erarbeitet werden wird. Der Anreiz, viel herzustellen, ist viel höher, wenn ich alles behalten darf, als wenn ich weiß, dass der Großteil davon künftig durch Steuern abgezogen wird.
Einer der wichtigsten Theoretiker des modernen Staates ist Thomas Hobbes, der erklärte: Der Mensch ist des Menschen Wolf. Er benötigt ein Ungeheuer, das ihn vor anderen Menschen schützt: den Staat. Demnach brauchen wir in Sicherheitsfragen den Staat für Schutzmaßnahmen.
Die Idee von Hobbes war, dass Personen laufend Konflikte miteinander haben. Verträge allein reichen nicht, weil sich die Unterzeichner nicht daran halten werden. Folglich brauchen wir laut Hobbes einen Monopolisten, der Streitschlichter ist und bestimmt, was richtig ist und was falsch, auch in jenen Konflikten, in denen er selber miteinbezogen ist.
Den Fehler dieser Idee erkennen wir sofort: Wenn der Staat selbst entscheidet, ob sein Eingriff in die Eigentumsrechte anderer Personen rechtens ist, wird er meistens diesen Eingriff für korrekt halten. Ein Streitschlichter, der selber Konflikte verursacht und dann über sich selber Gericht sitzen soll, bedeutet die größtmögliche Gefahr für Eigentumsschutz und Freiheit.
In Chicago beschwerten sich zum Beispiel mehrere Personen über Polizeibrutalität. In 95 Prozent aller Fälle wurden die Beschwerden ganz einfach von den Gerichten abgeschmettert, nur in weniger als einem Prozent der Fälle wurde den Bürgern Recht gegeben. Dieses Ergebnis kann man voraussehen, wenn man bedenkt, dass Gericht und Polizei Teil derselben Organisation sind.
Innerstaatliche Kontrollinstanzen halten Sie für kein sinnvolles Mittel?
Stellen Sie sich vor, Sie wären der Staat und würden zur Selbstkontrolle Ihren Onkel als Richter einsetzen, die Tante als Finanzkontrolleurin und Ihr Vater sitzt in der Ethik-Kommission. Sie alle eint das Interesse, die Einnahmen Ihrer Organisation zu maximieren und Ihre Macht auszubauen. Natürlich gibt es zuweilen Meinungsunterschiede zwischen Verfassungsgericht, Regierung und Parlament. Dennoch ist unschwer zu erkennen, dass das Verfassungsgericht immer das Interesse hat, den eigenen Bereich, über den es bestimmt, auszuweiten und die Finanzierung des Staates insgesamt zu fördern.
Aber alle müssen sich doch an die Gesetze halten, auch die Politiker!
Nein, eben nicht. In allen Gesellschaften gibt es den Unterschied zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht. Wenn ich Ihnen als Privatperson etwas wegnehme oder Sie zur Zwangsarbeit bestelle, werde ich dafür verurteilt. Wenn ich das aber als öffentlich Bediensteter tue, gilt das als "Steuern eintreiben" oder "Einziehung zum Wehrdienst". Nicht alle Personen unterliegen den gleichen Gesetzen. Als öffentliche Person darf ich Dinge tun, die ich als Privatperson niemals tun dürfte. Was man bei Privatpersonen "stehlen und hehlen" nennt, gilt beim Staat als Sozialpolitik.
Für das Funktionieren eines freien Wettbewerbs ist die Achtung der Grundrechte aller Menschen entscheidend. Bedarf es dafür nicht der Kontrollinstanzen?
Doch, die sind notwendig. Die Frage ist nur, ob es immer nur eine Kontrollinstanz geben muss, oder ob es nicht auch mehrere sein könnten. Die zentrale Frage ist doch: Wie können wir unser Leben und Eigentum am besten schützen? Und die Antwort lautet: Einerseits darf sich jeder selbst schützen. Andererseits wird man sich in einer komplexeren Gesellschaft wie der unseren auch auf spezialisierte Organisationen verlassen, wie Versicherungsgesellschaften, Polizeidienste und Schiedsrichterstellen. Diese Institutionen müssten aber denselben Prinzipien folgen, wie alle Privatpersonen auch. Das heißt: Ich werde ausschließlich mit selbst erarbeiteten Mitteln tätig. Und: Ich zwinge niemanden, die Dienstleistungen ausschließlich von mir und von niemand anderem zu kaufen.
Verabsolutieren Sie da nicht den ökonomischen Ansatz und übertragen ihn auf alle anderen menschlichen Bereiche?
Auf allen Gebieten ist Wettbewerb gut, Monopole hingegen schlecht. Wenn es nur einen einzigen Autohersteller gäbe, wären die Preise für Autos viel höher, die Qualität schlechter. Für einen Unternehmer ist es natürlich schön, ein Monopol zu haben, nur für den Konsumenten ist es eine Katastrophe. Warum soll das gerade bei den für das menschliche Leben wichtigsten Dingen anders sein, wie dem Schutz von Leben und Eigentum? Warum muss es hier ein Monopol geben? Warum nehmen wir in Kauf, dass hier die Qualität des Schutzes niedriger und der Preis höher sein wird? Ich sehe kein Argument dafür, dass wir hier anders verfahren müssten als in allen anderen Bereichen.
Durch Wirtschaftsliberalisierung können ebenfalls Wirtschaftsmonopole entstehen.
Deshalb können wir aber nicht im Vorhinein ein Monopol einsetzen, um freien Wettbewerb einzurichten. Ich sehe das genau umgekehrt. Monopole entstehen nämlich fast ausschließlich wegen staatlicher Privilegien, die bestimmte Unternehmen vor Konkurrenz schützen. Freier Wettbewerb ist dadurch gekennzeichnet, dass jeder frei in einen Markt eintreten kann.