
Foto: Wagih Felbermayer
In der Welt von Professor Hoppe gibt es also keine Staaten?
Es gibt nur Organisationen, die alle den gleichen Regeln unterworfen sind, wie andere Personen auch. Jeder tut mit seinem Eigentum, was er will, sofern er nicht das Eigentum anderer beschädigt. Zwangsmaßnahmen sind kriminell und werden auf allen Ebenen der Rechtssprechung bestraft.
Gibt es denn einen Staat oder eine Region auf der Welt, in der Sie Ihre Vorstellungen am ehesten verwirklicht sehen?
Da fallen mir Kleinstaaten wie Liechtenstein ein, die sehr niedrige Steuern einheben und sich zum Freihandel bekennen, weil ansonsten die Abwanderungsgefahr hoch ist. Je kleiner die Einheit, desto gefährlicher sind protektionistische Maßnahmen. Ein riesiges Land wie die USA kann ohne Außenhandel aufgrund seines internen Marktes noch länger bestehen.
Ein Weltstaat hätte eine uniforme Steuerstruktur zur Folge. Es gäbe keine steuer-regulatorischen Gründe, den Ort zu wechseln. Dass viele liberale Kleinstaaten wichtig sind, sieht man an der Gegenüberstellung von China und Europa. Die Chinesen sind im Hinblick auf ihr Begabungspotential den Europäern mindestens ebenbürtig. Trotzdem ist nicht so viel daraus geworden. Warum? Ein wesentlicher Grund ist Europas Zersplitterung im Gegensatz zu Chinas Zentralisierung.
Die Politik der EU scheint sich ja zurzeit dieser Zersplitterung anzunähern . . .
Aber gerade die EU macht den Versuch, jede Steuerkonkurrenz auszuschalten. Deshalb gibt es ja die Angriffe seitens der EU auf die Schweiz oder Liechtenstein, weil man deren niedrigen Steuersatz als unrechtmäßige Konkurrenz nicht akzeptieren will.
Allerdings unternahmen auch EU-Länder drastische Steuersenkungen. In einigen Staaten wie Estland oder der Slowakei wurde eine Flat Tax eingeführt.
Gegenwärtig gibt es noch Unterschiede innerhalb der ver schiedenen EU-Länder, weil sie von anderen Anfangspunkten ausgegangen sind. Aber die Tendenz zielt genau aufs Gegenteil: Die Gesetze werden von Brüssel erlassen, mit dem Ziel, Steuern, Gesetze und Regulierungen zu harmonisieren.
Welche Prognose stellen Sie der Europäischen Union?
Die EU ist ein Konglomerat von Wohlfahrtsstaaten. Regionen mit einer miserablen Politik werden belohnt, jene mit einer klugen Politik bestraft. Das führt langfristig immer zu schlechten Ergebnissen. Wohlstandsstaaten werden wie der Kommunismus zusammenbrechen. Allein die Staatsverschuldung ist langfristig nicht finanzierbar. In den nächsten 20 Jahren wird es zu drastischen Maßnahmen kommen müssen.
Was wäre Ihre erste Maßnahme, wenn Sie Politiker wären?
Von Politikern erwarte ich nichts. Wichtig ist meines Erachtens, dass sich in der Bevölkerung ein neues Klassenbewusstsein etabliert, freilich nicht im Sinne des Kommunismus. Wir müssen wegkommen von der Vorstellung, Kapitalisten seien Ausbeuter. Diese Propaganda wird vom Staat bewusst gesteuert, der genau weiß, dass das nicht in Ordnung ist, was er tut, und nach Ausreden für sein Handeln sucht.
Wir brauchen ein neues Bewusstsein: Staaten sind Übeltäter, weil sie von den Früchten derjenigen leben, die sie erarbeitet haben. Ausgebeutet werden all jene, die privatwirtschaftlich tätig sind.
Zur Person
Hans-Hermann Hoppe, geboren 1949 in Peine, studierte Philosophie, Soziologie, Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Saarbrücken, Frankfurt/ Main und an der University of Michigan in Ann Arbor. Er wurde 1974 in Frankfurt promoviert und 1981 habilitiert.
Seit 1986 ist Hoppe Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of Nevada in Las Vegas, außerdem leitender Wissenschafter des "Ludwig von Mises Institute" in Auburn/Alabama, das der Österreichischen Schule der Ökonomie verpflichtet ist, und er fungiert als einer der beiden Herausgeber des "Journal of Libertarian Studies", das am "Ludwig von Mises Institute" erscheint.
Hans-Hermann Hoppe gilt als bekanntester Vertreter der Denkschule des "Anarchokapitalismus", zu dessen wichtigsten Anliegen die Verteidigung des Marktes und die radikale Kritik am Staat, insbesondere an der Demokratie und dem Wohlfahrtsstaat, gehört. Hoppe zieht zwar die Monarchie der Demokratie vor, lehnt aber letztlich jeden Staat, gleich welcher Form, ab. Statt dessen bevorzugt er das Gesellschaftsmodell des Anarchokapitalismus zur "Aufrechterhaltung und Wahrung einer auf Privateigentum basierenden Austauschwirtschaftsordnung".
Publikationen (Auswahl):
Handeln und Erkennen. Zur Kritik des Empirismus am Beispiel der Philosophie David Humes. Lang, Bern 1976.
Eigentum, Anarchie und Staat. Studien zur Theorie des Kapitalismus. Westdeutscher Verlag, Opladen 1987.
Demokratie. Der Gott, der keiner ist. Manuscriptum, Leipzig 2003.
Sozialismus oder Kapitalismus. Gestaltung und Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Capitalista Verlag, Grevenbroich 2005.