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Kolumbien ist der falsche Richter in der Venezuela-Krise

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Analysen
Duque (r.) umarmt Guaidó.
© reu

Menschenrechtler in Kolumbien leben mindestens so gefährlich wie venezolanische Demonstranten.


Es gibt ein altes Sprichwort, das besagt, wenn Du mit einem Finger auf andere zeigst, zeigen die vier anderen auf dich selbst zurück. In der aktuellen Venezuela-Krise passiert gerade genau das. Das Land, das sich am heftigsten über das Maduro-Regime echauffiert, ist das Nachbarland Kolumbien. Dafür gibt es gute Gründe. Kein anderes lateinamerikanischen Land engagiert sich so bei der Aufnahme der Hunderttausenden Flüchtlinge wie Kolumbien. Die Regierung von Präsident Iván Duque bemüht sich nach Kräften um die Integration der Migranten: Es gibt schnelle Aufenthaltsgenehmigungen und Arbeitserlaubnisse. Bogotá war auch Gastgeber der Lima-Gruppe, die sich zu Wochenbeginn einmal mehr mit der Venezuela-Krise auseinander setzte und den selbst ernannten Interimspräsidenten Venezuelas, Juan Guiadó, als Gastredner hatte.

Kolumbien hat angesichts des sozialen Sprengstoffes, den die Flüchtlingskrise mit sich bringt, ein großes Interesse daran, dass es zu einem politischen Wechsel und einem Neuanfang in Venezuela kommt. Das ist die eine Seite der Medaille.

Der Finger zeigt ins Innere

Doch während Kolumbien mit dem Finger auf die schweren Menschenrechtsverletzungen im sozialistischen Venezuela zeigt, die außergerichtlichen Hinrichtungen, die Folter, die Inhaftierung von Oppositionellen oder der Einsatz von tödlicher Gewalt gegen Demonstranten, so muss sich das Land an den eigenen Aussagen messen lassen. Und da sieht es nicht gut aus für die rechtskonservative Regierung in Bogotá. Auch unter Präsident Duque nimmt die unendliche Mordserie gegen Menschenrechtler in Kolumbien kein Ende. Dem jungen Präsidenten ist es bisher nicht gelungen, das Problem in den Griff zu bekommen Duque gibt zwar Lippenbekenntnisse ab, setzt hohe Belohnungen aus, doch getötet wird immer weiter. Soziale Aktivisten und Menschenrechtler in Kolumbien leben mindestens so gefährlich wie venezolanische Anti-Regierungsdemonstranten.

Inmitten der Krise um Venezuela platzt nun diese Nachricht: Neun unter Duque beförderte ranghohe Kommandeure der kolumbianischen Armee könnten nach Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in außergerichtliche Hinrichtungen oder anderen Machtmissbrauch innerhalb involviert sein. Mit unter den Verdächtigen: General Nicacio de Jesús Martínez Espinel, Kolumbiens Armeechef, soll in den Skandal um die sogenannten "falsos positivos" verstrickt zu sein. Dabei wurden zwischen 2002 und 2008 in der Ära des rechtskonservativen Präsidenten Álvaro Uribe (2002 bis 2010) unschuldige Zivilisten von Armeeangehörigen getötet, um sie anschließend als Guerillakämpfer auszugeben und dafür Vergünstigungen zu erhalten. Ein Land, das soviel eigene Probleme mit den Menschenrechten hat, eignet sich nicht als Richter über Venezuela. Im Gegenteil: Es leistet diesem Prozess sogar einen Bärendienst. Es wird nicht lange dauern, und das Maduro-Regime wird Duque den Spiegel vorhalten.

Vielleicht schlägt nun die Stunde eines moderateren Landes. Mexikos Präsident Andrés Manuel Lopez Obrador winkt bereits mit dem Zaunpfahl: "Um den Frieden in welchem Land auch immer zu erreichen, sind die Türen in unserem Land offen, damit sie Gespräche führen", sagte Lopez Obrador im Rahmen einer Pressekonferenz.