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Nordkorea-Poker wird zum Spiel auf Zeit

Von Klaus Huhold

Analysen

USA und Nordkorea spekulieren nun beide darauf, dass sich die andere zuerst bewegt.


Hanoi/Wien. Plötzlich beantwortet Kim Jong-un tatsächlich eine Reporterfrage. "Ich bin nicht pessimistisch", sagte er, nachdem er bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit Donald Trump während des Gipfels von der "Washington Post" zu dem Treffen befragt wurde. "Im Augenblick habe ich das Gefühl, dass es gute Ergebnisse geben wird." Zum ersten Mal hatte sich damit der nordkoreanische Diktator der westlichen Presse gestellt.

Das war aber auch der einzig außergewöhnliche Moment bei der Zusammenkunft des US-Präsidenten mit dem nordkoreanischen Machthaber. Sonst hat der Gipfel in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi - ganz im Gegensatz zu der Ankündigung von Kim - nichts Substanzielles gebracht. Ganz im Gegenteil: Die Gespräche wurden vorzeitig abgebrochen und auch ein geplantes gemeinsames Essen der beiden Delegationen wurde abgesagt. "Manchmal muss man einfach gehen, und es war einer dieser Momente", verkündete Trump.

Keinerlei Einigung

Woran es sich spießte, das machte der US-Präsident bei seiner Pressekonferenz nach dem Gesprächsabbruch klar. Demnach hatte Nordkorea gefordert, die wegen seines Atom- und Raketenprogramms verhängten Sanktionen in ihrer Gesamtheit aufzuheben. "Das konnten wir nicht machen", betonte Trump.

Die USA haben wiederum verlangt, dass Nordkorea nicht nur - wie schon im Vorfeld ventiliert - den Nuklearkomplex Yongbyon, in dem Uran angereichert wird, schließt. Sondern dass Pjöngjang auch noch weitere Atomanlagen aufgibt. Dazu war wiederum Kim nicht bereit. Nicht ganz ohne Stolz verkündete Trump, dass die nordkoreanische Delegation überrascht gewesen sei, wie gut die USA über das Atomprogramm Bescheid wüssten. Nach wie vor warnen viele Experten, dass Nordkorea, das keinerlei internationale Inspektoren in sein Land lässt, weiterhin wesentlich intensiver an seinem Atomwaffenarsenal arbeitet, als die abgeschottete Diktatur offiziell einräumt.

Gleichzeitig betonte Trump, welch gutes Verhältnis er weiterhin zu dem nordkoreanischen Diktator habe. "Wie mögen uns einfach." Außerdem sei er "optimistisch", dass man in Zukunft ein "wirklich gutes Ergebnis" erzielen werde.

Wie das gelingen soll, blieb aber offen. Trump hat auch nicht verraten, wie die nächsten, konkreten Schritte aussehen sollen.

Der US-Präsident hat sich zwar mit seinem Abgang als harter und auch unkonventioneller politischer Verhandler präsentiert - und damit auch ein deutliches Zeichen in Richtung anderer Staaten gesetzt. So diskutieren die USA derzeit mit China über eine Beilegung des Handelsstreits. Ob der frühere Realtity-TV-Star damit aber Nordkorea zu Zugeständnissen bewegen kann, ist fraglich.

Denn der Gipfel in dem altehrwürdigen Hotel Metropole hat die ernüchternde Erkenntnis gebracht, wie festgefahren die Positionen sind. Das zeigte sich auch dadurch, dass sich die beiden Seiten nicht einmal auf eine Kleinigkeit, einen symbolischen Akt einigen konnten -sei es die Einrichtung gegenseitiger Verbindungsbüros, sei es eine gemeinsame Verkündigung, dass man den Korea-Krieg (1950-53) formal beenden will. Für diesen gibt es bis heute keinen Friedensvertrag, sondern nur einen Waffenstillstand.

Vorschnelles Treffen

Das maue Ergebnis hinterlässt den Eindruck, dass dieser Gipfel acht Monate nach dem ersten Treffen in Singapur vorschnell angesetzt wurde. Und dass die Trump-Administration, die vollmundig die Unterzeichnung einer gemeinsamen Erklärung angekündigt hatte, unterschätzt hat, wie sehr Nordkorea auf seinen Forderungen beharren würde.

Das Kim-Regime sieht offenbar keinen Grund, seine Atomwaffen aufzugeben, wenn es nicht im Gegenzug dafür Substanzielles kommt. Für Trump wiederum ist die Verschrottung von Nordkoreas Atomwaffenarsenal die Vorbedingung dafür, dass er die Sanktionen aufhebt.

Damit wird der Nordkorea-Poker zu einem Spiel auf Zeit. Beide Seiten scheinen darauf zu spekulieren, dass sich die andere zuerst bewegt und zumindest zu einem ersten, kleineren Zugeständnis bereit ist. Beide haben Grund zu der Annahme und beide pokern dabei hoch. Für Trump ist die Nordkorea-Frage zu einem Prestigeprojekt geworden, bei dem er gerne Erfolge präsentieren würde. Gleichzeitig ist er nicht auf einen Durchbruch bei den Nordkorea-Verhandlungen angewiesen, seine Wähler bewegen andere Themen wie die Jobsituation in den USA mehr. Kim wiederum will die Wirtschaft modernisieren und ihn schmerzen die Sanktionen dabei sehr. Gleichzeitig war für Pjöngjang bisher immer der Besitz von Atomwaffen wichtiger als das ökonomische Fortkommen.

Viel Lächeln, wenig Vertrauen

Denn das Kim-Regime sieht die Atomwaffen als eine Überlebensgarantie an. Wenn Nordkorea jemals auf seine Atomwaffen vollkommen verzichtet, dann erst am Ende eines langwierigen Prozesses. Dafür wird es noch äußerst detaillierte Verhandlungen brauchen, für die ein gemeinsames Essen unter Freunden nicht ausreicht. Nordkorea wird dabei auch Sicherheitsgarantien wollen, die die USA alleine nicht geben können, für die auch China und die Vereinten Nationen eingebunden werden müssen.

Hinzu kommt: Trumps Amtszeit ist begrenzt, Kim wiederum möchte noch für Jahrzehnte Nordkoreas Herrscher bleiben. Er braucht Gewissheit, dass auch unter dem nächsten US-Präsidenten hält, was er mit Trump aushandelt. Doch ausgerechnet Trump hat ein abschreckendes Beispiel gesetzt: Mit einem Federstrich ließ er die USA aus dem Atom-Deal mit dem Iran, den die Obama-Administration jahrelang mit ausgehandelt hatte, aussteigen.

Was bleibt nach diesem Gipfel, ist das von Trump kolportierte Versprechen Kims, vorerst keine neuen Atomwaffentests durchzuführen - was es unwahrscheinlicher macht, dass die Lage auf der koreanischen Halbinsel erneut eskaliert. Es bleibt die Bereitschaft, weiter zu verhandeln. Aber all das Lächeln der beiden Staatschefs, all die Freundschaftsbekundungen Trumps können nicht überdecken, wie viel Misstrauen noch besteht.