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Ein Tag kollektiven Innehaltens zur Entschleunigung der Arbeitswelt

Von Brigitte Pechar

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Ein ganz unüblicher Zeitpunkt für eine Debatte über Ladenöffnungszeiten. Wie das Amen im Gebet geht die Diskussion über das Offenhalten der Geschäfte sonst alljährlich dem 8. Dezember voraus. Jetzt also schon im Juni - vielleicht, damit der Verfassungsgerichtshof, dem der Einkaufszentrumsbesitzer Richard Lugner eine Beschwerde gesandt hat, rechtzeitig vor der Weihnachtszeit ein Erkenntnis treffen kann.

In diesem Streit gibt es seit Jahrzehnten eine ungewöhnliche Allianz: Kirche und Gewerkschaft sind klar gegen die Störung der Sonntagsruhe. Überhaupt ist die Abwehrfront groß, schließt sie doch auch alle Landeshauptleute, die auf ihrem Gebiet für Tourismusregionen schon jetzt Sonntagsöffnungen zulassen können, ein. Und auch in der Wirtschaft ist die Unterstützung für eine Liberalisierung sehr zurückhaltend. Die Sektion Handel in der Wirtschaftskammer befürchtet negative Marktverzerrungen zugunsten der Großen.

Schaut man sich die Zahlen an, dann fragt man sich aber, ob die viel gepriesene Sonntagsruhe überhaupt noch ein Wert ist. Denn die Statistik Austria hat in einer Spezialauswertung gefragt, ob Abend-, Nacht- oder Wochenendarbeit einmal pro Monat mit den persönlichen Lebensumständen der Menschen vereinbar wäre. Und siehe da: 92 Prozent sagen, ja, das wäre vereinbar - und zwar sowohl Frauen als auch Männer. Schon jetzt arbeiten 675.000 Menschen (Selbständige und Unselbständige) regelmäßig mindestens an zwei Sonntagen im Monat - von insgesamt rund 4 Millionen Erwerbstätigen.

Offenbar - das ist eine Vermutung - hat die Zustimmung zu Sonntagsarbeit nicht unwesentlich mit der Frage der Entlohnung und der Selbstbestimmtheit der Arbeit zu tun. Denn wie sonst könnte man erklären, dass ausgerechnet die überwiegende Mehrheit der 350.000 Handelsangestellten keine Sonntagsarbeit leisten will, wobei 35.000 von ihnen das tun.

All diesen Gegebenheiten zum Trotz darf und muss sich eine Gesellschaft die Frage stellen, ob nicht zumindest ein gemeinsamer Tag da sein soll, an dem ein kollektives Innehalten stattfindet. Ja, wenn man selbst als Tourist im Ausland unterwegs ist, schätzt man das sonntägliche Shopping. Aber man darf trotzdem fragen, ob nicht Lebensqualität höher zu bewerten ist als der vermutete Verlust - 50 Millionen Euro pro Jahr, schätzt die Hotellerie. Ein gemeinsamer Ruhetag kann auch dazu dienen, unsere Berufswelt zu entschleunigen - ein wertvoller Faktor für Gesundheit und Zufriedenheit. Und ein gemeinsamer Ruhetag fördert Freundschaften und Familie. Muss also alles immer und überall erhältlich sein?