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Obama opfert eine Nahost-Lösung auf dem Altar seines Wahlkampfes

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Viele seien frustriert wegen der mangelnden Fortschritte bei einer Nahost-Lösung, "und ich, versichere ich Ihnen, bin es auch", bekannte US-Präsident Barack Obama heuer in seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung. Vor einem Jahr hatte er am selben Ort noch wesentlich optimistischer geklungen, als er den Palästinensern einen eigenen Staat versprochen hatte. Jetzt, da diese infolge ausbleibender Erfolge versuchen, auf eigene Faust das Versprechen wahr zu machen, stellt sich Obama aber auf die Seite Israels. 

Obamas Formulierung etwa, dass Israel die "historische Heimat" des jüdischen Volkes sei, war ganz nach dem Geschmack des ultranationalistischen Außenministers Avigdor Lieberman. Schließlich beruft sich Israel immer wieder auf die biblische Geschichte als Legitimation seiner Existenz, und das Kernland der Palästinenser, das Westjordanland, firmiert in seiner Diktion unter "Gebiet Judäa und Samaria". Und mit Vergnügen wurde in Jerusalem vermerkt, dass Obama diesmal in New York nicht über die Grenzen von 1967 und die jüdischen Siedlungen sprach, was in der Vergangenheit so oft für Verstimmung gesorgt hatte.

Dass Obama früher solche umstrittenen Themen aufgriff, hat seinen Rückhalt in der jüdischen Bevölkerung der USA deutlich geschwächt. Stimmte sie in der Präsidentschaftswahl noch zu 80 Prozent für Obama, so sind seine Beliebtheitswerte nun teilweise unter 60 Prozent gefallen. Schon versuchen die republikanischen Präsidentschaftskandidaten, in diese Lücke zu stoßen: Der aussichtsreiche Bewerber Rick Perry, der demnächst nach Israel reisen will, nannte Obamas Nahostpolitik "arrogant, naiv, fehlgeleitet und gefährlich".

Das stimmt den Präsidenten nicht nur wegen der Wählerstimmen der mehr als sechs Millionen Amerikaner jüdischen Glaubens nachdenklich, sondern auch, weil diese als bedeutende Spendergruppe gelten - und Wahlkampfgelder braucht Obama für den Urnengang im November 2012 dringend. Die muslimischen US-Bürger, die noch dazu zahlenmäßig gerade die Hälfte der jüdischen ausmachen, können das nicht kompensieren.

Bei den Moslems hat Obama viel von der Reputation verloren, die er sich mit seiner Versöhnungsrede in Kairo zu Beginn seiner Amtszeit erworben hatte. Um nicht als einziger Schuldiger an der Verhinderung des Palästinenserstaates dazustehen, möchte er nun vermeiden, dass nur die USA gegen die Aufnahme in die UNO stimmen, und sucht Verbündete.

Angesichts dessen sind in den nächsten 14 Monaten keine neuen Nahost-Initiativen der USA zu erwarten. Mit wenig wahrscheinlichen außenpolitischen Erfolgen wird die Wahl auch nicht zu gewinnen sein, da wird es nur um die Situation der heimischen Wirtschaft gehen. Den US-Bürgern ist das Hemd näher als der Rock - ebenso wie ihrem Präsidenten.