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Der Poker ums kaspische Gas

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Gerhard Roiss ist es gewohnt, in großen Zyklen zu denken. Als OMV-Chef muss er lange vorausplanen, um neue Gasfelder zu erschließen oder seine Pipelines zu füllen. Das merkt Roiss gerade an der Nabucco-Pipeline. Aber der jetzige Zeithorizont von 2018, an dem aserbaidschanisches Gas Nabucco versorgen könnte, ist kurz gesteckt im Vergleich zu dem, der für die Errichtung einer Pipeline quer durch das Kaspische Meer nötig wäre, damit auch turkmenisches Gas, wie von Brüssel erhofft, in den Westen fließen kann.

Das Ziel ist klar und von der EU oft definiert: Diversifizierung der Energieimporte, das heißt Verringerung der Abhängigkeit von russischen Zulieferungen. Zu diesem Zweck hat die EU im Jänner die prinzipielle Zustimmung Aserbaidschans zu einem "Südlichen Gaskorridor" eingeholt. Moskau hat bisher praktisch ein Monopol als Zulieferer von außen, die Gasaufbringung, die Europa (etwa in Norwegen oder Großbritannien) selbst zu leisten vermag, soll laut Prognosen kontinuierlich sinken. Russland will seine Sonderstellung verteidigen, hat eine Direktverbindung nach Deutschland (Nord Stream) bereits ausgebaut, eine South-Stream-Pipeline soll folgen.

Hauptproblem bei Nabucco ist, dass bisher zu wenig Zulieferungen gesichert sind. Roiss ist ein bisschen hoffnungsvoller aus Zentralasien zurückgekehrt, als er hingefahren war. Immerhin bekam er in Aserbaidschan zu hören, dass man an einer "großen Lösung" interessiert sei. Eine solche würde Nabucco mit einer Lieferkapazität von 31 Milliarden Kubikmetern jährlich bieten, im Gegensatz zu den kleinerformatigen Konkurrenzprojekten. Allerdings sind auch deren Betreiber nicht untätig: Die Griechen warben zur selben Zeit, als Österreich in Baku für Nabucco unterwegs war, für die Türkei-Griechenland-Italien-Pipeline, und der aserische Vize-Energieminister bezeichnete die transadriatische Pipeline als mögliche Südkorridor-Route.

Der Poker geht also weiter. Aserbaidschans Ziel ist vor allem, wirtschaftlich gut auszusteigen. Erleichtert könnte dies dadurch werden, dass laut der staatlichen Energiefirma Socar ab 2020 die Gasförderung auf bis zu 55 Milliarden Kubikmeter erhöht werden könnte. Die OMV will sich daran durch Erschließung eines eigenen Gasfeldes abseits des großen Schah-Deniz-II-Feldes beteiligen, das für die Versorgung von Nabucco im Gespräch ist. Eine Erweiterung der aserbaidschanischen Lieferkapazitäten würde den Kauf turkmenischen Gases etwas weniger dringlich machen.

Vom Energiebedarf Europas her bestünde ohnehin Bedarf an mehreren Pipelines - denn laut Prognosen wird bis 2020 die EU um 150 Milliarden Kubikmeter mehr Gas als heute benötigen.