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Unversehens in einem Wahljahr

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Bei den drei kommenden Landtagswahlen in Deutschland hat die SPD gute Chancen.|Warum Kanzlerin Merkel den Urnengängen gelassen entgegensieht.


Berlin. Eigentlich war für heuer nur die Wahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai vorgesehen. Aber dann zerbrach im Jänner die Jamaika-Koalition im Saarland, wo schon am 25. März gewählt wird. Seit Donnerstag hat sich den beiden kleinen Bundesländern noch jenes zugesellt, in dem rund ein Viertel aller Deutschen wohnen: In Nordrhein-Westfalen wird Anfang Mai zu den Urnen geschritten. Rechnet man noch die nach dem Rücktritt von Christian Wulff notwendig gewordene Wahl des Bundespräsidenten hinzu, die die Bundesversammlung diesen Sonntag vornimmt, ist Deutschland unversehens in einem Frühjahr voller nicht geplanter Wahlen gelandet.

Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt sich gelassen. Aber vieles deutet daraufhin, dass die drei Wahlen nicht ihre CDU, sondern die SPD als Sieger sehen werden. Zumindest wird ohne sie in den drei Ländern kaum eine Regierungsbildung erfolgen können. Im Saarland, wo sich Konservative und Sozialdemokraten bis vor kurzem noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, liegt die SPD mittlerweile knapp vorn, weil sich CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer wegen Kostenexplosionen bei einem Museumsbau vor einem Untersuchungsausschuss verantworten muss.

Im nördlichen Schleswig-Holstein sehen die Umfragen beide großen Parteien gleichauf. Aber auch wenn die CDU hier gewönne, hätte sie das gleiche Problem wie bei den anderen beiden Wahlgängen - sie stünde laut Prognosen ohne ihren bisher bevorzugten Koalitionspartner da. Die Regierungspartei FDP dümpelt in den Umfragen wie auf der Bundesebene auch in den Ländern bei Werten zwischen einem und drei Prozent herum.

Buhlen um die Grünen

Folgerichtig lässt sich Umweltminister Norbert Röttgen, der in Nordrhein-Westfalen eine CDU-Mehrheit anstrebt, auch alle Koalitionsoptionen offen. Die Grünen erteilten den Gedankenspielen allerdings postwendend eine Absage: "Wenn Rot-Grün die Mehrheit hat, machen wir Rot-Grün", sagte die Vizevorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, am Donnerstag. Und nach einer rot-grünen Mehrheit sieht es auch nach der jüngsten ARD-Blitzumfrage aus, die die SPD vier Prozentpunkte vor der CDU ortet.

Der Bundesminister ist trotzdem zuversichtlich, den Umschwung noch herbeiführen zu können. Er gab ebenso wie Merkel die Wahlkampflinie vor: Das linke Regierungsbündnis sei nach zwei Jahren gescheitert, weil es nur auf Neuverschuldung setze. Die "Schuldenmacherei zu beenden" will Röttgen offenbar zum Hauptthema seines Wahlkampfes machen, ohne bisher jedoch konkrete Einsparungsmöglichkeiten zu nennen.

Eine Belastung dürfte für Röttgen allerdings sein, dass er vorderhand eine Aussage darüber verweigert, ob er auch als Oppositionschef nach Düsseldorf wechseln oder auf seinem Regierungsposten in Berlin verbleiben würde. SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft bohrte in dieser Wunde, indem sie verkündete, in jedem Fall in Nordrhein-Westfalen zu bleiben und nicht etwa Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl 2013 werden zu wollen. Die SPD hat ja bekanntlich noch nicht über ihren Kandidaten entschieden.

Kraft ortet auch gleich "Signalwirkung" für Berlin. Es wäre nicht das erste Mal, dass Impulse für die Bundespolitik von Nordrhein-Westfalen ausgehen. Als dort 2005 Rot-Grün die Landtagswahl verlor, rief der damalige Kanzler Gerhard Schröder vorzeitige Neuwahlen aus - die dann von Angela Merkel gewonnen wurden. Die Kanzlerin wird diesen Fehler daher nicht wiederholen, zumal sie weiß, dass sie auf ihren jetzigen Koalitionspartner FDP nach der nächsten Bundestagswahl wohl verzichten wird müssen.

Aus für Rösler?

Unsicher ist freilich, mit welchen Personen an ihrer Seite sie noch bis 2013 weitermachen kann. FDP-Generalsekretär Patrick Döring leugnet zwar, dass ein Scheitern der FDP in Nordrhein-Westfalen für seinen Parteichef Philipp Rösler das politische Ende bedeuten würde. Rösler wird dann aber aller Voraussicht nach drei verlorene Landtagswahlen zu verkraften haben. Der letzte Einzug in ein Landesparlament gelang der FDP noch unter seinem Vorgänger Guido Westerwelle im März 2011 in Baden-Württemberg. Nur der Mangel an personellen Alternativen könnte Rösler noch seinen Kopf retten.

Abseits der Personaldiskussion ist es aber unwahrscheinlich, dass die FDP durch einen Koalitionsbruch versucht, die Wählerstimmung zu ihren Gunsten zu drehen. Echte Signalwirkung dürfte die Wahl in Nordrhein-Westfalen daher nur für die Piraten haben: Die Partei dürfte den Prognosen zufolge nach Berlin zum zweiten Mal den Einzug in ein Landesparlament schaffen.