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Zwei Urteile für mehr politische Hygiene

Von Wolfgang Zaunbauer

Analysen

Was die Strafen für Martinz und Strasser für Österreichs Politik bedeuten.


Wien. Für "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk ist es "das wichtigste Urteil seit dem Weinskandal". Tatsächlich sind die dreieinhalb Jahre Haft, die Ex-Innenminister Ernst Strasser am Donnerstagabend in der Lobbying-Affäre wegen Bestechung ausfasste, wegweisend. Gemeinsam mit jenen viereinhalb Jahren, für die der frühere Kärntner Landesrat Josef Martinz hinter Gitter muss, könnte das Strasser-Urteil eine neue Ära in der österreichischen Politik einleiten - so es denn hält.

Mit den Urteilen gegen die beiden ehemaligen ÖVP-Spitzenpolitiker macht die österreichische Justiz deutlich, dass Korruption gerade im politischen Bereich kein Kavaliersdelikt ist. Während Martinz nach der rechtskräftigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) demnächst eine Aufforderung zum Haftantritt erhält, hat Strasser noch eine gewisse Schonfrist. Allgemein wird allerdings erwartet, dass auch seine Verurteilung rechtskräftig wird. Damit würde erstmals seit Franz Olah 1970 ein ehemaliger Bundesminister (auch Olah war Chef des Innenressorts) ins Gefängnis wandern.

Martinz war bereit, mehrere Millionen Euro an öffentlichen Geldern für ein wertloses Gutachten bezahlen zu lassen, um so auf Umwegen Geld für seine Partei zu lukrieren. Sich nicht selbst bereichert zu haben - "ich habe es doch für die Partei getan" - macht die Sache nicht besser.

Bei Strasser war das Ziel ganz klar Selbstbereicherung. Dass kein Geld floss, heißt nicht, dass "eh nichts passiert" ist. Hier muss Strasser - ebenso wie seinerzeit der Kärntner Landesrat Uwe Scheuch in der "Part-of-the-Game"-Affäre um verkaufte Staatsbürgerschaften - zur Kenntnis nehmen, dass alleine die Forderung, der geäußerte Wunsch, strafbar ist. Im Gegensatz zu Strasser kam Scheuch allerdings mit Geld- und einer bedingten Haftstrafe davon.

Schluss mit "a bisserlwas geht immer"

Dass solche Urteile in manchen (politischen) Kreisen auf Unverständnis stoßen, zeugt von einer noch immer weit verbreiteten "Anything goes"-Attitüde - "mach ma scho", "a bisserl was geht immer". Nach dem Urteil gegen Uwe Scheuch erklärte ein kleiner freiheitlicher Parteifunktionär dem Autor, "wenn man nichts mehr für seine Leute tun kann, geht doch keiner mehr in die Politik". Und genau hier liegt der Denkfehler. Politiker sind nicht dazu da, ihre oder die Wünsche ihrer Spezis zu erfüllen. Vielmehr müssen sie endlich die Härte finden, auch einmal zu ihren Partei-, Golf, Jagd- und sonstigen Freunden zu sagen: "Tut mir leid, da kann ich nichts für Dich tun." Das schadet der politischen Karriere? So what! Die Urteile gegen Strasser und Martinz werden Korruption zwar nicht zum Verschwinden bringen, aber vielleicht zu einem Umdenkprozess in der Politik führen. Und wen das Umdenken überfordert, für den wird sich sicher eine freie Zelle finden.

Und Strasser? Für ihn wird es mit dem Urteil vom Donnerstagabend nicht einfacher - auch wenn die Strafe im Vergleich zum ersten Verfahren um ein halbes Jahr milder ausfiel. Richterin Helene Gnida wird peinlich genau darauf achten, dass sie nicht die Fehler des Erstrichters macht. Beobachter rechnen daher mit einer Bestätigung des Urteils auch in der nächsten Instanz.

Davon geht auch der Wiener Strafverteidiger Timo Gerersdorfer aus, auch wenn er im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" sagt: "Im Prinzip ist alles wieder offen." Tatsächlich könnte der OGH das Urteil wie schon einmal kippen. Damit rechnet Gerersdorfer aber eher nicht. Dem Vernehmen nach wird sich derselbe Senat wie beim ersten Prozess der Causa annehmen - und der hat ziemlich deutlich gesagt, was im ersten Urteil fehlte, damit es durchgeht. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde sollte Strasser also besser nicht hoffen. Schon eher auf die Berufung.

Doch noch Chancenauf Fußfesseln

Hier sieht Gerersdorfer gute Chancen, etwa weil die Richterin Strasser einen ordentlichen Lebenswandel als Strafmilderungsgrund absprach - das sei schon sehr ungewöhnlich für einen nicht vorbestraften, so der Jurist. In der zweiten Instanz könnte auch das Fußfesselverbot fallen, das Gnida für die erste Hälfte von Strassers Haftzeit ausgesprochen hat. Nach derzeitigem Stand könnte er erst nach 21 Monaten einen Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest stellen. Nach dieser Zeit kommt allerdings auch schon die vorzeitige bedingte Haftentlassung in Frage.

Strafverteidiger Gerersdorfer rechnet damit, dass Strassers Strafe in der zweiten Instanz auf drei Jahre - davon eines unbedingt - reduziert wird. Noch optimistischer ist Strassers Verteidiger Thomas Kralik. Er glaubt: "Am Ende des Tages ist es ein Freispruch." Für die politische Hygiene und das erforderliche Umdenken in Sachen "a bisserl was geht immer" wäre das freilich ein fatales Signal.