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Der ungehörte Hilferuf aus dem Donbass

Von Veronika Eschbacher

Analysen

Der Ausgang des Referendums in der Ostukraine sieht auf den ersten Blick eindeutig aus. Jedoch nicht mehr, wenn man genauer hinsieht.


89 Prozent Zustimmung für eine Unabhängigkeit in Donezk und 96 Prozent in Luhansk - die Ergebnisse des umstrittenen Referendums in den zwei ostukrainischen Gebieten klingen beeindruckend. Und auch wenn diese Zahlen vielleicht sogar stimmen mögen - immerhin gingen fast ausschließlich jene zum Referendum, die für eine Abspaltung eintreten -, so sind zumindest die Angaben über die Wahlbeteiligung (in Donezk angeblich 75 Prozent) dem Land der Separatistenträume entnommen. Dies zeigt nicht nur das Faktum, dass es in ganz Donezk, einer Millionenstadt, nur acht Wahllokale gab und die angegebene Wählermenge wohl logistisch kaum zu bewerkstelligen gewesen wäre. Und das zeigt auch der Versuch eines deutschen Journalisten, der einen Einheimischen in acht Wahllokale schickte - dieser konnte ohne Probleme in ausnahmslos allen abstimmen, da es kaum Wählerlisten gab.

Seit die Separatisten in Donezk am Werk sind, haben sie mit einer massiven, gezielten Einschüchterungskampagne all jene, die für einen Verbleib in der Ukraine sind, mundtot gemacht. Gemäß einer Umfrage eines ukrainischen Soziologieinstituts von vor drei Wochen waren noch gut zwei Drittel gegen die Eigenständigkeit der Region. Aufgrund der Repressalien der neuen Herren im Donbass erheben diese Menschen ihre Stimme aber nicht.

Aber auch jene, die beim Referendum waren und für eine Abspaltung eintreten, haben Schwierigkeiten damit, die Folgen ihrer Entscheidung einzuschätzen. Eine Aufklärungskampagne gab es nicht. Bei einem Lokalaugenschein etwa in Schachtjorsk und Horliwka konnten Menschen, die für eine Unabhängigkeit ihrer Region abstimmten, nicht sagen, wie die weiteren Schritte derer, die das Referendum initiiert hatten, aussehen würden. Vielmehr begründeten sie ihre Wahl vor allem damit, dass dies eine Möglichkeit sei, ihre Ablehnung gegenüber Kiew zum Ausdruck zu bringen. Gegenüber dem "Regime", das "Krieg gegen seine eigenen Menschen führt". Nicht zuletzt drückten alle aus, dass sie mit ihrer Wahl auch die Hoffnung auf ein besseres, menschenwürdiges Leben verbinden, in dem es nicht immer nur ausschließlich ums (finanzielle) Überleben gehe.

Der Machtwechsel in Kiew und die Anti-Terror-Operation der neuen Regierung sind für sie Auslöser einer zusätzlichen Instabilität, die ihnen so sehr zusetzt, dass eine nüchterne Reaktion ausgeschlossen ist. Daher ist es wohl gerechtfertigt, wenn der Großteil der internationalen Gemeinschaft das Ergebnis des Referendums nicht anerkennt. Aber gerade die Regierung in Kiew sollte die doch höher als erwartete Beteiligung ernst nehmen. Es völlig zu ignorieren und eine "Farce" zu nennen, wie es Übergangspräsident Alexander Turtschinow tat, wird die "Terroristen" - wie die Regierung die Bewohner beider Gebiete mittlerweile nennt, die sie über einen Kamm schert - nicht auf den gemeinsamen Weg zurückbringen, sondern sie noch enger an radikale Separatisten binden.