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No Future, no Story

Von Walter Hämmerle

Analysen

Analyse: Immer mehr Wähler sprechen SPÖ und ÖVP die Fähigkeit ab, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Themen-Hoheit über den Stammtischen ist der große Trumpf der Freiheitlichen.


Wien/Graz. Wie konnte das nur passieren? Diese Frage trieb auch am Tag nach dem tektonischen Wählerverschiebungen im Südosten der Republik das rot-schwarze Establishment um. Die FPÖ hielt sich dagegen nicht mit allzu kopflastigen Analysen auf, sondern erfreute sich an der simplen Tatsache ihrer Wahlsiege in der Steiermark und im Burgenland.

SPÖ und ÖVP müssen sich dagegen nun auf eine Ursachenforschung ihres Debakels einlassen, jedenfalls dann, wenn sie an das alte Prinzip von der Selbsterkenntnis als erstem Weg zur Verbesserung glauben. Dabei ist die Analyse noch die weitaus leichtere Aufgabe, wirklich schwierig sind die Konsequenzen für die alltägliche Politik.

Die Ursachenforschung erleichtert, dass zwei Wahlanalysen (von Peter Hajek und vom Sora-Institut) etliche Hinweise liefern, warum die Wähler den beiden ehemaligen Großparteien in Scharen den Laufpass gegeben haben. ÖVP-Wähler der Landtagswahlen 2010 sind am Sonntag laut Sora übrigens signifikant häufiger zur FPÖ abgewandert (56.000) als SPÖ-Anhänger (31.000). Damit hätten die Blauen mehr Stimmen von den Schwarzen erobert, als sie aus dem eigenen Wählerreservoir von 2010 mobilisieren konnten (52.000). Das muss einem als Partei auch erst einmal gelingen.

Überhaupt war die Mobilisierung die große Achillesfersen - nicht nur von SPÖ und ÖVP, sondern auch von Grünen und Kommunisten. Die SPÖ überzeugte nur 61 Prozent ihrer Wähler von der letzten Landtagswahl, die ÖVP 59 Prozent, die Grünen gar nur 42 und die KPÖ erschreckende 34 Prozent. Dagegen erreichen die Freiheitlichen hier 73 Prozent.

Fast noch mehr zu denken geben müsste den beiden steirischen "Reformpartnern" der Entzug der Zukunftskompetenz durch die Wähler. 38 Prozent der Steirer geben an, besorgt in die Zukunft zu blicken, nur 27 Prozent tun dies mit Zuversicht, 34 Prozent sind in Sachen Ausblick neutral. Im Rest Österreichs dürfte die Stimmung nicht sehr viel anders sein.

Der Entzug der Zukunftskompetenz ist zweifellos das schlimmstmögliche Szenario für Parteien, die sich selbst ganz selbstverständlich in Regierungsverantwortung sehen. "Für die Bürger ist entscheidend, welcher Partei sie es zutrauen, das Land in die richtige Richtung zu führen", sagt Eva Zeglovits vom Meinungsforschungsinstitut Ifes. SPÖ wie ÖVP haben hier längst ganz grundsätzliche Probleme. Deutlich wird das etwa beim Asylthema. Zeglovits: "Wenn es nicht gelingt, einige hundert Asylwerber in richtigen Häusern unterzubringen, dann trauen die Menschen dieser Regierung auch nicht zu, die anderen, weitaus größeren Probleme des Landes in den Griff zu bekommen."

Zum Entzug der Zukunftskompetenz passt der Verlust der Themenkompetenz. SPÖ und ÖVP haben sich inhaltlich vom Wahlkampf völlig abgemeldet. Ihr Fokus lag ausschließlich auf der Fortsetzung der eigenen "Reformpartnerschaft". Tatsächlich rangierte diese Frage in den politischen Debatten der Bürger unter "ferner liefen". Im Vordergrund standen die Themen Wirtschaft und Arbeitsplätze, Zuwanderung und Integration, Kosten des täglichen Lebens sowie Sicherheit und Kriminalität. Diese Themen wurden ausschließlich von der FPÖ vorgegeben und inhaltlich dominiert. Und, am allerwichtigsten: Den Freiheitlichen gelingt es, jeden dieser Bereiche in ihr Meta-Thema von den zu vielen Ausländern im Land zu integrieren. "Vom politischen Marketing her ist das genial", sagt Zeglovits, "zumal es den anderen Parteien nicht gelingt, eine alternative Geschichte den Wählern glaubwürdig zu erzählen."

Die Dynamik am Wählermarkt macht deutlich, dass sich SPÖ und ÖVP einzig und allein bei Senioren und Frauen einer halbwegs stabilen Mehrheit sicher sein können. Sowohl Hajek als auch Sora sehen hier die beiden Regierungsparteien deutlich voran, wobei sich beim Ausmaß der Männerlastigkeit der FPÖ die beiden Institute nicht ganz einig sind.

Die Differenzen liegen allerdings noch im Bereich der Schwankungsbreite, die hier +/- 5 Prozent ausmacht. Dass sich eher Männer als Frauen zu rechtspopulistischen Parteien hingezogen fühlen und dies keineswegs ein österreichisches Spezifikum ist, führt die Meinungsforscherin Zeglovits auf die aggressivere Wort- und Bildsprache dieser Bewegungen zurück. Und hier gilt: je aggressiver, desto männlicher, was wiederum durchaus auf den steirischen FPÖ-Wahlkampf zutrifft.