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Beste Feinde

Von Walter Hämmerle

Analysen

Rot-Blau: Auf den Spuren einer wechselvollen Beziehung.


Wien. Violett halten ziemlich viele für eine wunderschöne Farbe. Veilchen und Flieder blühen in dieser Fasson, und die Fußballer von Austria Wien laufen so bei Heimspielen auf. Was als Mischung von Rot und Blau als Farbton perfekt funktioniert, ist politisch heiß umstritten. Sozialdemokratie und Freiheitliche eint eine wechselvolle Beziehung, die seit Jahrzehnten von einer innig gepflegten Abneigung geprägt wird. Dabei gab es davor und seitdem durchaus Phasen kühl kalkulierter Partnerschaft, die mitunter offen gelebt, manchmal verschämt praktiziert wurden.

Die Natur der politischen Beziehungen von Rot und Blau ist für viele in der Kanzlerpartei Emotion pur, rührt sie doch - gemessen an der eigenen Rhetorik - am Kern linker Politik: dem Anti-Faschismus. In der Politik bestimmen Gefühle allerdings selten allein den Gang der Dinge. Es gibt da auch noch so Nebensächlichkeiten wie sachpolitische Interessen und machtpolitische Überlegungen. Und mitunter kann es dann passieren, dass Emotionen Mittel zum Zweck werden - ungeachtet der bestehenden weltanschaulichen und sachpolitischen Unterschiede. Auch eine Politik der Gefühle ist selten ein kopfloses Unterfangen.

Das Sprichwort "der Feind meines Feindes ist mein Freund" gilt nicht nur für militärische Auseinandersetzungen, sondern auch für die Politik, diese friedliche Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Und die Sozialdemokraten und das ehemalige dritte Lager standen einander im Verlauf der Geschichte nicht immer als Gegner oder zumindest als Konkurrenten auf verschiedenen Seiten gegenüber, sondern hatten immer wieder auch gemeinsame Interessen. Zu Beginn ihrer Geschichte am Ende des 19. Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren das etwa der Kampf gegen den politischen Einfluss der katholischen Kirche, der Einsatz für eine Ausweitung des Wahlrechts oder das Eintreten für einen Anschluss des kleinen Deutsch-Österreichs an das viel größere Deutschland.

Nach 1945 versuchten dann SPÖ und ÖVP die aus dem Verband der Unabhängigen (VdU) hervorgegangene FPÖ als Drohkulisse gegen die jeweils andere Großpartei zu instrumentalisieren. Der schwarze Säulenheilige Julius Raab drängte mit einer solchen Finte - er avisierte 1953 dem sozialdemokratischen Bundespräsidenten Körner eine schwarz-blaue Koalition, im Wissen, dass dieser ablehnen würde - seinen Freund Leopold Figl aus dem Kanzleramt. 1970 erkaufte sich dann die SPÖ unter Bruno Kreisky die Unterstützung der Blauen für eine rote Minderheitsregierung mit der Zusage einer Wahlrechtsreform auf Kosten der bis dahin bevorzugten ÖVP, von der die FPÖ überproportional profitierte.

Kreisky war es dann auch, der 1983 seinem Nachfolger Fred Sinowatz eine fertig ausverhandelte rot-blaue Koalition mit der damals sozialliberal ausgerichteten FPÖ Norbert Stegers als politisches Erbe hinterließ. Als dann die FPÖ nur drei Jahre später und ihr politisches Ende aufgrund chronischer Erfolglosigkeit vor Augen auf den Rechtspopulismus umsattelte, indem sie 1986 Jörg Haider zum Parteichef kürte, nahm Franz Vranitzky das ohnehin absehbare Koalitionsende vorweg.

Haider richtete die FPÖ in den nächsten Jahren rhetorisch strikt auf Anti-SPÖ-Kurs aus, dabei war das begnadetste Chamäleon der österreichischen Innenpolitik linken und etatistischen Anwandlungen nicht grundsätzlich abgeneigt. Immerhin gab es die Parole aus, die FPÖ zur neuen Arbeitspartei machen zu wollen. Dass Haider fast manisch und jedenfalls gezielt immer wieder mit NS-Codes provozierte, wollte und konnte Vranitzky nicht folgenlos akzeptieren. Das SPÖ-Dogma "Nie wieder mit der FPÖ" war geboren.

In den folgenden Jahren entwickelte sich die eigentlich politische Frage einer Koalition mit der FPÖ regelmäßig zum moralischen Lackmustest für die Parteien stilisiert. Zu Beginn hatte vor allem die Volkspartei ihre liebe Mühe und Not, der Parole aus ganzem Herzen zu folgen. Immerhin hatte die Tabuisierung einer Koalition mit der FPÖ für die SPÖ als damals noch strukturell stärkste Kraft den angenehmen Nebeneffekt, der ÖVP den Weg ins Kanzleramt dauerhaft zu verbauen. Manche ÖVP-Obmänner, etwa Erhard Busek, fanden sich mit dem Schicksal eines Dauer-Vizes leichter ab, als andere.

Als Wolfgang Schüssel 2000 den Tabubruch wagte, begannen in der SPÖ die ersten Zweifel an der ultimativen Klugheit des strikten Nein zur FPÖ zu wachsen. Zumal ja der politische Alltag der Republik durchaus Kooperationen aller Parteien sehr wohl vorsah. Dafür sorgte allein schon das Proporzprinzip in allen Gemeinden und den meisten Bundesländern. 2004 etwa schaffte es Jörg Haider, in Kärnten eine blau-rote Allianz zu schmieden und sich von der SPÖ zum Landeshauptmann wählen zu lassen. Zuvor war Jahre lang die ÖVP als drittstärkste Kraft in Klagefurt der Profiteur des Kalten Krieges in Rot-Blau. Das wurde dann der SPÖ-Landespartei doch irgendwann zu viel.

Aber auch im Bund nutzten SPÖ und FPÖ immer wieder Bereichskoalitionen zum wechselseitigen Vorteil auf Kosten Dritter. Etwa im ORF, wo die oppositionelle SPÖ und Blaue, die damals im orangen Gewand des BZÖ umgingen, sich gegen die ÖVP verbündeten und den SPÖ-nahen Alexander Wrabetz zum General kürten. Wie überhaupt Alfred Gusenbauer, der damalige SPÖ-Vorsitzende, wiederholt eine intakte Gesprächsbasis zu Haider, dem damaligen ÖVP-Partner, inszenierte, etwa beim gemeinsamen Spargelessen.

Nach dem überraschenden Sieg bei der Nationalratswahl 2006 und und der Wiedererrichtung der großen Koalition unter SPÖ-Führung gab es für rot-blaue Avancen zunächst keinen Grund mehr, zumal ja auch der FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hieß, der 2005 eine nach der Abspaltung des BZÖ darniederliegende FPÖ übernahm. Damit war es mit der schwarz-blauen Achse im Bund vorerst vorbei, sah die FPÖ doch die Schüssel-FPÖ als Mastermind hinter der Abspaltung des BZÖ. Neben dem Hass auf die ÖVP machte sich Strache aber auch daran, das Profil der Blauen als einer "sozialen Heimatpartei" zu schärfen, die gezielt um frustrierte Wähler der Sozialdemokratie warb.

Mit dem Einzug Werner Faymanns ins Kanzleramt 2008 rückte die Abgrenzung zur FPÖ wieder ins Zentrum der SPÖ-Strategie. Aufgrund der politischen und gerichtlichen Aufarbeitung der zahlreichen Korruptionsfälle sowie der milliadenschweren Pleite der Kärntner Hypo Alpe Adria stellte diesen Kurs auch in der SPÖ praktisch niemand in Frage. Das ging sogar so weit, dass am SPÖ-Parteitag 2014 ein Beschluss gegen eine Koalition mit der FPÖ auf allen politischen Ebenen beschlossen wurde.

Doch dann kamen am 31. Mai 2015 die Landtagswahlen im Burgenland - bereits am dritten Tag danach war Rot-Blau fixiert. Seitdem hat die SPÖ ein Problem.