Washington, D.C./Wien. Donald Trump, Witzfigur, Reality-Soap-Star, Präsidentschaftskandidat. Dass jemand wie der Multimilliardär aus New York es bis ins Finale schaffen konnte, ist ein Zeichen für den traurigen Zustand der amerikanischen Innenpolitik. Die Gründe dafür sind vielfältig:

Eine verrotte republikanische Partei, die über Jahre von den ultrakonservativen Tea-Party-Aktivisten von innen zerstört und schließlich 2016 von den radikalpopulistischen Trumpisten gekapert wurde.

Ein Vorwahl- und Wahlsystem, in dem nichts wichtiger ist als Parteispenden. Je mehr, desto besser. Money talks - Geld ist Macht - so wurde in den USA die Demokratie zur Plutokratie pervertiert.

Nicht zuletzt dadurch ist die politische Klasse immer mehr zu einem von der Öffentlichkeit abgeschlossenen Zirkel geworden: Nach George H.W. Bush (1989-1993) und George W. Bush (2001-2009) läuft nun alles auf Hillary Clinton hinaus - ihr Mann Bill Clinton war von 1993 bis 2001 im Weißen Haus. Die US-Demokratie verkommt zu einem dynastischen System - nicht zuletzt deswegen, weil das Investment in eine politische Marke dermaßen teuer ist.

Der wohl wichtigste Faktor: Eine kurzatmige Mediokratie im doppelten Wortsinn, in der erbarmungslos Qualität der Quote geopfert wird und in der so jemand wie Donald Trump der feuchte Traum aller TV-Manager ist. Noch nie zuvor waren die Quoten für Fernsehdebatten und das, was man bei Sendern wie Fox News für "Nachrichten" hält, so hoch wie 2016. Trump ist der natürliche Kandidat einer durchmediatisierten Show-Business-Postdemokratie.

Der Medientheoretiker Neil Postman hat in einem viel beachteten, kulturpessimistischen Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" bereits Mitte der 80er Jahre einen tiefgreifenden Wandel der US-amerikanischen Kultur von einer inhalts- zu einer unterhaltungsorientierten Gesellschaft diagnostiziert. Durch die Ablösung des wortbestimmten "Zeitalters der Erörterung" durch das bildbestimmte "Zeitalter des Showbusiness" werde Erkenntnisstreben durch bloße Zerstreuung ersetzt - und zwar in jedem denkbaren Lebensbereich, schrieb Postman. In so einer Welt siege die Emotion über die Ratio, Schnelligkeit und Kurzlebigkeit der Fernsehbilder würden eine Reflexion der vermittelten Inhalte verhindern, weshalb die Präsentation selbst entscheidendes Kriterium der Urteilsbildung wird. Die Politik, so Postman, sei längst eine Sparte des Showbusiness geworden. Das war, notabene, noch vor Blogs, Websites, Userkommentaren, Blogs, Facebook, Twitter, Shitstorms und Hatemails und dem mörderischen 24/7 Nachrichtenzyklus.

Postman erinnerte 1985, als das Buch in den USA in die Buchhandlungen kam, an George Orwells Buch "1984": "Als es kam und die Prophezeiung nicht eintrat, stimmten nachdenkliche Amerikaner verhaltene Loblieder an - auf sich selbst. Die Wurzeln der freiheitlichen Demokratie hatten gehalten. Mochte anderswo der Terror ausgebrochen sein - uns zumindest hatten Orwells Albträume nicht heimgesucht."

Man hatte vergessen, dass es neben Orwells "1984" eine zweite, weniger bekannte Roman-Dystopie mit einem ähnlichen Thema gibt: Aldous Huxleys "Schöne neue Welt". Während Orwell vor der Unterdrückung durch eine äußere Macht ausgegangen war, bedarf es in Huxleys Vision dagegen keines Großen Bruders, um den Menschen ihre Autonomie, ihre Einsichten und ihre Geschichte zu rauben. Die Menschen in Huxleys schöner neuer Welt beten die Technologien an, die ihre Denkfähigkeit zunichtemachen. Während Orwell vor den Zensoren warnt, fürchtet Huxley jene, die uns mit Informationen so sehr überhäufen, dass wir uns vor ihnen nur in Passivität und Selbstbespiegelung retten können. Die Verfechter der bürgerlichen Freiheiten hätten nicht berücksichtigt, so Huxley in Dreißig Jahre danach oder "Wiedersehen mir der ‚Schönen neuen Welt" (Brave New World Revisited), dass "das Verlangen des Menschen nach Zerstreuungen fast grenzenlos ist". In "1984", so fügt Huxley hinzu, werden die Menschen kontrolliert, indem man ihnen Schmerz zufügt. In "Schöne neue Welt" werden sie dadurch kontrolliert, dass man ihnen Vergnügen zufügt. Der 2003 verstorbene Neil Postman war zweifellos mehr Huxleyaner als Orwellianer.

Peinlichkeit Trump

Dann ist da noch Trump selbst: Der republikanische Präsidentschaftskandidat ist so etwas wie Silvio Berlusconi auf Steroiden - oder wohl besser auf 100 Milligramm Viagra. Die beiden Showmen haben ein ähnliches Frauenbild, eine vergleichbare Business-Ethik, beide nehmen Anleihen bei Benito Mussolinis Rhetorik-Ticks. Doch Berlusconi war viermal Ministerpräsident Italiens und führte das Land nach jahrelangem Niedergang beinahe endgültig in den Abgrund. Nach den Video-Enthüllungen aus dem Jahr 2005 über Trumps Prahlereien, wie gerne er Frauen sexuell belästigt, ist es mit Trumps Chancen auf das Präsidentenamt aber wohl vorbei. Vor allem, weil damit zu rechnen ist, dass in den Archiven des Fernsehsenders NBC noch weiteres für Trump toxisches Material lagert.