Aus all diesen Gründen hält Tibi die Machtübernahme der Islamisten für unausweichlich, Freiheit unter den Muslimbrüdern sei "nicht vorstellbar". Libyen sei ein Land, das von "bewaffneten Gangs" dominiert werde, an Demokratie sei auch hier nicht zu denken, zumal Libyen auf besonders totalitäre politische Traditionen zurückblicke. Außerdem sind viele, vor allem ältere Menschen in der arabischen Welt der Unruhe und Unsicherheit überdrüssig, sie rufen nach einer Ordnungsmacht, sei es nun die Armee oder seien es die Islamisten. Tibi ist davon überzeugt, dass die Spannungen zwischen den arabischen Ländern und Israel im nächsten Jahr massiv zunehmen werden.
Optimisten geben die Sache aber nicht verloren, versuchen vielmehr den Schwung der Arabischen Revolution ins Neue Jahr mitzunehmen. Sie machen denen Mut, die noch an ein Happy End glauben. Diese Kenner der Region - unter ihnen ORF-Korrespondent Karim El-Gawhary - verweisen darauf, dass mit den Umstürzen die Zeit der politischen Monopole im arabischen Raum nunmehr vorbei sei.
Der begonnene Prozess der Demokratisierung, sagen die Optimisten, sei unumkehrbar. Zwar werde die Zukunft in den arabischen Ländern turbulent, sei das Chaos durchaus vorprogrammiert, und doch habe diesmal das Volk den Steuerknüppel in der Hand. Der gemeine Mann, die gemeine Frau von der Straße würden den Karren lenken. Diese Prognosen gehen davon aus, dass sich die Menschen in Tunesien, Ägypten und Libyen, später vielleicht auch in Syrien, nie wieder von einer einzelnen Persönlichkeit oder einer einzelnen politischen Macht dominieren lassen. Jetzt würden in einem spannenden und unvorhersehbaren Prozess die Bedingungen ausverhandelt, unter denen die nachrevolutionären Staaten ihre Zukunft gestalten. Auf allen Ebenen, auch in vielen Betrieben, sei ein demokratischer Prozess in Gang gekommen, die autoritären Strukturen würden aufgebrochen. Die Araber hätten durch die Befreiung von den Tyrannen erstmals Würde erlangt, eine Erfahrung, die man nicht so schnell der Herrschaft machthungriger Generäle oder totalitärer Religionsgelehrter opfern werde, heißt es.
Viel sei möglich, doch die Revolutionäre der ersten Stunde würden es nicht zulassen, dass Islamisten ihre Revolution kidnappen, so die Hoffnungsfrohen.