Eine Kooperation des syrischen Präsident Bashar al-Assad bei den Ermittlungen zum Giftgaseinsatz in Syrien sei nicht zu erwarten, sagte US-Präsident Barack Obama in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN am Freitag. Angesprochen auf die "rote Linie", wie er den Giftgaseinsatz bezeichnete, sagte Obama, man müsse die Besorgnis erregenden Ereignisse in Syrien genau beobachten: "Syrien hat die vollste Aufmerksamkeit der USA."
"Kosten berücksichtigen"
Bei der Planung von Einsätzen in Syrien und Ägypten müsste man allerdings auch mögliche Kosten durch US-Einsätze in Syrien berücksichtigen, so der Präsident. Dies deutet darauf hin, dass Washington momentan keinen Militärschlag in Ägypten oder Syrien in Erwägung zieht.
In den USA steht Obama zunehmend unter Druck und hat Untersuchungen angekündigt. Gleichzeitig sprach sich John McCain für gezielte Luftangriffe auf Luft- und Raketenstellungen in Syrien aus. Die Untätigkeit der USA ermutige andere Staaten, ebenfalls hart gegen ihre Bürger vorzugehen.
Ban Ki-Moon droht mit Konsequenzen
Zuvor hatte der UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon vor ernsthaften Konsequenzen gewarnt. "Jeder Einsatz von Chemiewaffen, ungeachtet ihrer Art, des Täters und der Umstände, ist eine Verletzung des Völkerrechts", sagte Ban am Freitag. "Ein solches Verbrechen gegen die Menschlichkeit sollte ernste Konsequenzen für denjenigen haben, der es begeht." Ban sprach von einer "großen Herausforderung für die internationale Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit" und drängte darauf, den UNO-Waffenexperten Zugang zum angeblichen Tatort zu gewähren.
Großbritannien sieht Assad als Täter
Großbritannien vermutet hinter dem mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen Getreue des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Er gehe davon aus, dass die syrische Regierung etwas zu verbergen habe, sagte Außenminister William Hague am Freitag.
Als verschwindend gering bezeichnete er die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei den Berichten über den Chemiewaffeneinsatz um eine Verschwörung der Rebellen handele. Sollten UN-Inspektoren keinen Zugang zum betreffenden Gebiet erhalten, werde sich Großbritannien um ein stärkeres Mandat der Vereinten Nationen bemühen.
Bis zu 1.300 Todesopfer durch Giftgas
Die syrische Opposition wirft der Armee vor, bei einem Giftgas-Angriff in der Nacht auf Mittwoch zwischen 500 und 1.300 Menschen in Vororten von Damaskus getötet zu haben. Die Regierung hat dies als "unlogisch und erfunden" zurückgewiesen. In der Region wurde am Donnerstag weiter gekämpft.
Die Zahl der Opfer könnte nach Ansicht der Rebellen noch weiter ansteigen. Man habe ein Viertel im Vorort Zamalka entdeckt, in dem "die Häuser voller Toter" seien. Ob es sich um ein beispielloses Kriegsverbrechen des Assad-Regimes oder eine ausgeklügelte Inszenierung der Rebellen, die in Damaskus in die Defensive gedrängt werden, bleibt vorerst unbeantwortet.
Russland: Syrische Regierung soll kooperieren
Syriens Verbündeter Russland erklärte, man werde sich einer Untersuchung nicht in den Weg stellen. Am Freitag appellierte Russland an die syrische Regierung, mit den UNO-Waffenexperten zu kooperieren. Zuvor hatte der Sprecher des russischen Außenministeriums am Donnerstag erklärt, die syrische Haltung zu den UN-Inspektoren müsse respektiert werden. Ressortchef Sergej Lawrow und sein US-Kollege John Kerry seien bei einem Telefonat am Donnerstag übereingekommen, dass eine objektive Überprüfung des Vorfalls erforderlich sei.
Eine Gruppe der Waffenexperten sei bereits eingetroffen. Es gehe dabei um eine Untersuchung früherer Vorwürfe, die damals vom Sicherheitsrat und damit auch Russland beschlossen worden sei. Auch Russland habe Interesse an einer offiziellen Aufklärung der Vorfälle. "Wie könnten wir gegen die Ermittlungen sein?", sagte der Sprecher.
Nachdem erstmals Vorwürfe erhoben worden waren, Assad habe im Kampf gegen die Rebellen Chemiewaffen benutzt, wurden die Inspektoren in das Land geschickt. Hingegen wirf die Regierung den Rebellen vor, auf Massenvernichtungswaffen zurückgegriffen zu haben.
"Hohe Wahrscheinlichkeit" von Einsatz von Chemiewaffen
Vieles spreche tatsächlich für einen Einsatz von Chemiewaffen, erklärte der Giftgasexperte Martin Weiler von der ABC-Abwehrschule in Korneuburg. Die Symptome, die auf den Videos aus Syrien zu sehen sind, "deuten mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Nervenkampfstoffe hin", sagte der Toxikologe am Donnerstag im Gespräch mit der APA.
Diese Kampfstoffe würden die Reizweiterleitung zwischen Nerven und Muskeln unterbrechen. Ein Großteil der Opfer sterbe an Sauerstoffmangel infolge aussetzender Atmung. Charakteristisch seien ganz enge, stecknadelgroße Pupillen, die im Kontakt mit anderen Giften nicht auftreten würden, sagte er. Eben diese Pupillen seien auf den Videoaufnahmen zu sehen. Nachgewiesen werden könne der Giftgas-Einsatz über Blutproben der Opfer.