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Bote der kollektiven Ängste

Von Julia Rumplmayr

Gruselige Aliens als Kunstobjekt: HR Giger bei der Arbeit im Jahr 1978.
© Mia Bonzanigo

HR Giger zeigt seinen Kosmos aus Obsessionen als Featured Artist bei der Ars Electronica.


Übergroße leere Augen, kahle Kinderköpfe, sehnige Beine im Magazin einer Pistole. In einem der berühmtesten Bilder HR Gigers, der "Gebärmaschine" aus 1967, werden gruselige Embryonen aus einer Waffe katapultiert. Sie sind selbst mit kleinen Pistolen und Schutzbrillen ausgestattet - als könnten sie sie brauchen in der Welt, die sie draußen erwartet. Gigers Welt ist düster, dunkel und voll seelenloser Gestalten, die aus Menschen zu Maschinen wurden. Voller Kreaturen, die Geburt und Tod zur gleichen Zeit in sich vereinen, meist weibliche Körper, die von metallischen Maschinen bearbeitet werden. Ab Donnerstag hält die obskure Welt Gigers Einzug ins Linzer Kunstmuseum Lentos und den Deep Space des Ars Electronica Center.

Biotechnologie und Cyber-Art

Der Schweizer Surrealist HR Giger ist mit seiner Kunst der Biomechanik "Featured Artist" des Ars Electronica Festivals, das am 5. September unter dem Titel "Total Recall" startet. Im dunklen Tiefgeschoß des Lentos widmet man sich einem Aspekt von Gigers Werk, dem Topos der Biomechanik, der sich inhaltlich mit der Themenwelt der Ars zwischen Biotechnologie und Cyber-Art verknüpfen lässt. Bei Giger verschmelzen Mensch und Maschine, mutieren zu entmenschlichten Vorfahren der Cyborgs. Während von außen Gefahren wie ein atomarer Schlag drohen, entstehen im klaustrophoben
Inneren neue Kreaturen, die imstande sind, sich dieser Welt zu widersetzen. Die Ausstellung im Lentos setzt den Schwerpunkt auf Gigers biomechanische Werke der 60er bis 80er, spannt den Bogen über Gigers "Necronom"-Zyklus, über den Regisseur
Ridley Scott auf ihn aufmerksam wurde und ihn 1979 für "Alien" engagierte, bis zum jüngsten Kino-Film "Prometheus" aus am Jahr 2012. "Alien", dessen Bilderwelt Giger schuf, brachte ihm internationalen Kultstatus und 1980 einen Academy Award. Giger wurde zu einem Star der Populärkultur, wenn auch schon vor "Alien": Gigers Werke waren Poster in Jugendzimmern und Vorlagen in Tattoostudios, Werke wie "Gebärmaschine" waren schon vor am Jahr 1979 megapopulär.

Giger, 1940 als Hans Rudolf Giger im Schweizer Chur geboren, begann seinen Weg zur Kunst als Designer und Innenarchitekt, schuf in den 60er Jahren seine ersten Zeichnungen, entwickelte für seine Malerei eine eigene Airbrush-Technik.

Covers und Bars

Seine künstlerische Sprache zieht sich durch alle Disziplinen seiner Arbeit, bis zur Gestaltung von Giger-Bars in Japan und der Schweiz oder preisgekrönten Plattencovers. In seinem Mittelalterschloss St. Germain in der Schweiz richtete er sich ein eigenes Giger-Museum ein, in dem er seine Kunstsammlung und einen großen Teil seiner eigenen Werke zeigt.

"Mich fasziniert dieses Phänomen", sagt Kurator Andreas Hirsch über HR Giger. "Dass jemand als Künstler losstartet, Teil der Avantgarde in der Züricher Kunstszene wird und sich dann immer tiefer in seinen Kosmos aus Obsessionen und Ängsten eingräbt. Er verarbeitet persönliche Ängste, die aber als kollektive Ängste rezipiert werden." Hirsch kuratierte 2011 auch eine große Giger-Retrospektive im KunstHaus Wien, die Ausstellung in Linz entstand auf Initiative Hirschs, der seit 1996 auch immer wieder für die Ars Electronica arbeitet. Im Gegensatz zur umfassenden Wiener Retrospektive wählt die Lentos-Ausstellung den engeren Blick auf Gigers Biomechanoiden, zeigt hier exemplarisch mit Skulpturen, Gemälden, Zeichnungen und Kurzfilmen aber auch einen breiten Blick auf Gigers Werk.

Populärkultur als Kunst

Parallel dazu werden im Deep Space des Ars Electronica Centers zwölf Werke Gigers als hochauflösende Gigapixelbilder gezeigt. In den letzten Jahren mehren sich die Giger-Ausstellungen, in Wien war Giger 2006 und 2011 zu sehen, jetzt zwei Jahre später in Linz. "Das ist ein Prozess seit der Jahrtausendwende, dass Giger in Etappen aus der Populärkultur in den Kunstbetrieb zurückgeholt wird", sagt Hirsch. "Einerseits tun sich Museen heute leichter mit Popkultur, aber es musste auch Zeit nach dem Alien-Hype vergehen." Dass Giger nun Featured Artist der Ars Electronica ist, sei ein weiterer Kontext, mit dem wieder neue Publikumsgruppen erreicht werden. Der Künstler selbst bleibt ein Mythos, den er auch gerne bedient. Es kursieren Geschichten über die Beginne seiner Obsessionen, etwa als er als Kind in seinem Schweizer Elternhaus eine Geisterbahn einrichtete und mit seiner Faszination für das Dunkle irritierte. Er werde oft gefragt, ob der Schöpfer solcher Bilder auch selbst ein dämonischer Mensch sei, erzählt der Kurator. "Im Gegenteil. Er ist ein umgänglicher, freundlicher Mensch, nicht komplizierter als andere. Er hat nur ein sehr großes Bedürfnis nach Privatheit. Dass er zur Ausstellungseröffnung nach Linz kommt, ist sehr speziell."