Wer lange in den Himmel schaut, kann sie erkennen: Wolken, die wie Gesichter aussehen, Wolken, die scheinbar von oben herunterlächeln. Aber nicht nur Menschen nehmen die weißen Wattefetzen als Gesichter wahr, Computer verwechseln sie regelrecht mit menschlichen Gesichtern. Der koreanische Künstler Kim Yong Hun hat 150.000 Wolken fotografiert und sie durch ein Gesichtserkennungsprogramm gejagt, das Ergebnis hängt nun im Foyer des Ars Electronica Centers. Eine Vielzahl lächelnder Wolken, die Computer als menschliche Gesichter wahrnehmen.
Die Wahrnehmung von Menschen und Computern ist ein zentrales Thema des Künstlerduos Shinseungback Kimyonghun, das als Featured Artists der Ars Electronica eine Ausstellung in Linz zeigt. In vielen Werken arbeiten Kim Yong Hun und sein Partner Shin Seung Back mit Gesichtserkennungsprogrammen, wie bei dem Wolkengemälde "Cloud Face". "Portrait" sammelt alle Gesichter, die in einem Film vorkommen, und legt sie übereinander - das Ergebnis ist ein verschwommenes Porträt, ein "Durchschnittsgesicht". Die Beschäftigung mit dem Gesicht ist dabei aber nur ein Vehikel, erklärt Kim Yong Hun im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": "Wenn ich beobachte, wie Menschen Gesichter sehen und wie Computer, dann lerne ich mehr darüber, wie Menschen und Computer denken."
Menschen? Nichts Besonderes!
Computer sind für ihn Sehmaschinen: "Computer werden in der Zukunft besser sehen und erkennen als wir, viel besser. So wie Autos sich besser fortbewegen als wir." In einer Zukunft, in der Menschen das Sehen abgenommen wird, werden wir auch weniger denken, mutmaßt Kim Yong Hun. "Wir merken uns schon jetzt keine Telefonnummern mehr. Das wird einfach eine neue Art des Denkens, eine neue Phase der Evolution." Kulturpessimismus ist ihm fremd: "Wenn wir die Veränderung zufrieden akzeptieren, sind wir auch zufrieden." Computer sind in der Lage, nahezu alles zu lernen, und werden den Menschen bald überflügeln, meint Kim Yong Hun. Grund zur Angst sei dies für ihn trotzdem nicht: "Ich sehe Menschen, Tiere, Pflanzen und Computer auf einer Stufe. Ich halte uns Menschen für nichts so Besonderes."
Die Arbeiten von Shinseungback Kimyonghun sind auf die ganze Stadt verteilt, im Ars Electronica Center, in einem Frisiersalon und in einem Klassenzimmer. Hier steht der "Nonfacial Mirror", ein Spiegel, der keine Gesichter zeigt und sich abwendet, wenn man hineinsieht. Im Ars Electronica Center ist eine andere spannende Arbeit zu sehen: Für "A Million Seasons" sammelten die Künstler je eine Million Pixel von Bildern, die auf Flickr mit den Tags "spring", "summer", "autumn" und "winter" versehen waren. Das Ergebnis sind diffuse Jahreszeitenbilder. Die Bilder, die Google zu bestimmten Begriffen liefert, waren Grundlage für "The Gods Script". Eine Reihe von Worten aus dem Roman von Jorge Luis Borges wird kombiniert mit Bildsuchergebnissen bei Google. Der Roman ist nicht zufällig gewählt: "Eines Tages kann ein Algorithmus ein Gott für uns sein", meint Kim Yong Hun. "Einfach deshalb, weil wir an ihn glauben. Wir glauben bereits an Google."