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Leere in Vordernberg

Von Martina Pock

Politik

Nach den Protesten vor der Eröffnung des Schubhaftzentrums haben sich die Wogen geglättet. Ein Lokalaugenschein.


Vordernberg. Fast zwei Monate ist es jetzt her, dass die ersten Schubhäftlinge das umstrittene Anhaltezentrum in Vordernberg bezogen haben. Von einem regen Zulauf kann bis jetzt aber keine Rede sein: Dieser Tage sind es etwa sechs Männer, die das Zentrum mit einer Kapazität von bis zu 220 Insassen bewohnen. Für ihre Betreuung ist unter anderem die Sicherheitsfirma G4S zuständig. Das Innenministerium hat deshalb keinerlei Bedenken, die Volksanwaltschaft will nach einem negativen Zwischenbericht weiter prüfen.

Das Ambiente im kleinen Bistro kurz vor der Ortseinfahrt von Vordernberg ist gediegen. An einem Tisch sitzen zwei Männer, einer blättert in den Sportseiten einer Tageszeitung, der andere isst eine unter Schlagobers begrabene Süßspeise, während im Radio Kenny Rogers in einem Lied Ruby davor warnt, ihre Liebe in die Stadt zu tragen. Das Holzhäuschen an der Eisenstraße, keine 20 Kilometer nördlich von Leoben, unterscheidet sich kaum von den tausenden anderen an Österreichs Landstraßen - mit einem Unterschied: Gleich dahinter befindet sich ein Anhaltezentrum. Hier verbringen Asylwerber seit Ende Februar ihre letzten Tage auf österreichischem Boden, bevor sie innerhalb von zwei bis sechs Wochen in ihre Herkunftsstaaten zurückgeschickt werden.

Die Stimmung im Anhaltezentrum unterscheidet sich kaum von der im Lokal. Kaum einer würde vermuten, dass hier bereits Menschen wohnen. Einzig das Geräusch eines Balles, der an den hohen Metallabsperrungszaun prallt, zeugt von Leben innerhalb des Komplexes aus Holz und Beton. Das Interieur in den insgesamt acht Wohngruppen ist modern, aber schlicht. In jedem Zimmer befinden sich ein Badezimmer, eine Toilette und vier Betten, abgetrennt durch niedrige Holzwände. Sie sollen für die Insassen etwas Privatsphäre gewährleisten. Auch Fernseher sollen demnächst montiert werden. Bald soll es auch in jedem Zimmer Vorhänge geben.

Sonderhafträume,Stehklo und Gummizelle

Weniger geräumig ist es hingegen in den Sonderhafträumen. "Wenn sich jemand nicht ordnungsgemäß verhält, hat er hier die Gelegenheit, noch einmal nachzudenken", erklärt Oberstleutnant Herwig Rath, Kommandant des Anhaltezentrums. In den Zweibettzimmern fehlt die Toilettentür - aus Sicherheitsgründen. Im Sonderhaftraum der "zweiten Klasse" gibt es gar kein Bett. Der Raum mit Stehklo ist verfliest, auf ein Podest wird eine Gummimatte gelegt. Eine vollkommen mit Gummi ausgekleidete Zelle liegt gleich daneben - für die besonders schlimmen Fälle. Für die anderen werden Sportanlagen und eine Bibliothek zur Verfügung gestellt, auch Computerkurse sollen dafür sorgen, dass sich die Insassen beschäftigen können.

In den betonierten Innenhöfen herrscht Leere. Einzig Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirma G4S sitzen in der Sonne und rauchen. Ihr Einsatz im Anhaltezentrum war von Beginn an umstritten. Laut dem Zwischenbericht der Volksanwaltschaft ist "die Auslagerung von Aufgaben zum Betrieb des Schubhaftzentrums an private Betreiber teilweise verfassungsrechtlich problematisch".

"Waffen nur für die Polizei, nicht für Private"

Ebenso wie das Fehlen "gesetzlicher Regelungen über den Rechtsschutz gegen Übergriffe privater Wachebediensteter". Eine Aufgabenteilung sei nicht gleichzusetzen mit einer Verantwortungsteilung, stellt Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die Sichtweise des Ressorts klar. Auch würde es zu keinem behördlichen Zwang des privaten Wachpersonals an den Insassen kommen. Das heißt, die Tagesanweisung, in die Zelle zu gehen, darf nur von einem Polizisten ausgesprochen werden.

Wenn es zu einer Eskalation kommen sollte, sind die Verwaltungshelfer angewiesen, deeskalierend einzuwirken, jedoch nur verbal. In weiterer Folge müssen sie die Polizisten verständigen. Mitarbeiter von G4S dürfen den Insassen zwar eine Freizeitgestaltung ermöglichen, jedoch nicht anordnen. Daneben übernehmen sie Kompetenzen wie die Essenausgabe und die Gebäudereinigung. Wenn sie angegriffen werden sollten, besteht für sie nur ein Notwehrrecht, wie Grundböck erklärt.

Auch Oberstleutnant Rath betont immer wieder, dass es eine klare Trennung zwischen behördlichen und unterstützenden Aufgaben gibt. "Das private Sicherheitspersonal tut nur das, was wir, die Exekutive, ihnen sagen. Die Verantwortung liegt immer beim Innenministerium. Wenn ein Mitarbeiter von G4S etwas falsch macht, dann bin auch ich dafür verantwortlich." Das Tragen von Faustfeuerwaffen ist auch ausschließlich den Polizisten vorbehalten. Allerdings ist dies nur in der Sicherheitszentrale neben dem Eingangsbereich der Fall. Ansonsten führen die Exekutivbeamten nur Handfesseln, Pfefferspray, einen Leatherman und einen Taser mit sich, der im Einsatzfall verwendet werden kann.

Die Anzahl des Personals richtet sich nach der Anzahl der Insassen. Zum Zeitpunkt des Lokalaugenscheins wohnen rund sechs Personen im Anhaltezentrum, mehr als zehn waren es bisher nie. Zum Grund für die geringe Zahl an Asylwerbern sagt Grundböck: "Die Kapazität von bis zu 220 Insassen richtet sich nach einem langjährigen Schnitt von 150 bis 200 Menschen. Derzeit liegen wir in Österreich, aber auch in anderen Ländern deutlich darunter." Diese Entwicklungen seien zeitversetzt zu den Asylanträgen zu sehen. "Im Regelfall zeigen sich diese nicht im selben Jahr."

Derzeit seien trotz einer steigenden Anzahl von Asylanträgen (2013 waren es 17.503) nur etwa 50 Menschen in Österreich in Schubhaft. Außerdem sei es von Anfang geplant gewesen, das Anhaltezentrum in Vordernberg nicht von Beginn an voll zu belegen, sondern den Betrieb schrittweise aufzunehmen.

Volksanwaltschaftprüft weiter

Die Volksanwaltschaft prüft indes weiter, wie Sprecherin Christina Heintel mitteilt. Auf dem Prüfstand stehen etwa der Umfang der Aufsichts- und Kontrollrechte und die Durchführungsrechte des Innenministeriums in Bezug auf die Leistungserbringung durch die Gemeinde Vordernberg. Aber auch die Frage, welche Vorkehrungen die Gemeinde bei Nicht- beziehungsweise Schlechterfüllung des Vertrags mit dem Generalunternehmen getroffen hat, sowie das Vorliegen einer erforderlichen Bewilligung der Eignung des Personals von G4S.