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Ping-Pong der Verantwortlichkeiten

Von Simon Rosner

Asyl

Österreich Asylsystem scheitert selbst an einer kleinen Belastungsprobe, Mikl-Leitner will nun mehr Kompetenz bei Zuweisung von Flüchtlingen.


Wien. Die aktuellen Zahlen schauen so aus: 693 Asylwerber kamen im August aus Syrien nach Österreich, das sind 58 Personen mehr als im Juli. Die UNO meldete am Wochenende 70.000 Flüchtlinge, vor allem Kurden, die aus Syrien in der Türkei Zuflucht suchten. Innerhalb von 24 Stunden. An diesem Wochenende.

Anhand dieser Zahlen kann es also schon verwundern, dass Österreich derzeit offenbar ein enormes Problem hat, Geflüchteten ein Bett und ein Dach zu bieten. Das Innenministerium war deshalb sogar beim Roten Kreuz vorstellig, ob dieses kurzfristig Zeltstädte errichten könne, um die Asylwerber unterzubringen. Außerdem wird gerade untersucht, ob es als Assistenzeinsatz des Bundesheers durchgeht, Asylwerber in Kasernen unterzubringen. Mit dieser Konstruktion könnte das Innenministerium Probleme bei der Flächenwidmung umgehen, die sich aufgetan hatten, als eine Kaserne in Linz zu einer Unterkunft werden sollte.

Zeltstädte? Umgewidmete Kasernen? "Ich hoffe sehr, dass das nur ein Druckmittel der Politik ist", sagt Anny Knapp vom Verein Asylkoordination. "Zeltstädte wären wirklich ein Armutszeugnis." Verglichen mit den absoluten Zahlen aus der Türkei, wo sich gegenwärtig rund 1,3 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufhalten sollen, ist die Zahl der Asylwerber in Österreich gering. Dennoch gibt es eine deutliche Steigerung. Im August suchten insgesamt 2341 Personen um Asyl an, das sind um 200 mehr als noch im Juli. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass Österreich am Ende des Jahres die meisten Asylanträge seit 2002 vermelden wird.

Damals war das System der Kompetenzen und Unterbringung ein anderes, aber kein funktionierendes, keines, das im Einklang mit den Vorgaben der EU war. 2004 wurde die Grundversorgung neu geregelt, danach nahm die Zahl der Flüchtlinge ab.

Nun wird das vor zehn Jahren installierte System einer Belastungsprobe unterzogen, wobei es nicht einmal eine besonders hohe ist, wenn man sie in Bezug auf historische Flüchtlingswellen sieht, etwa beim Krieg in Jugoslawien in den Neunzigern. Dennoch scheint es nun, als würde das System durch die Zunahme der Anträge kollabieren, zumindest realpolitisch.

Wie Innenministerium und auch Länder dieser Zeitung bestätigen, mangelt es beispielsweise nicht an den Angeboten von Privaten, Hotels und Pensionen zu Asylheimen umzuwidmen. Doch fast überall in Österreich versuchen die Gemeinden, dies zu verhindern und intervenieren bei den zuständigen Abteilungen im Land. "In neun von zehn Fällen gibt es ein klares Nein von den Bürgermeistern", heißt es aus dem Büro der Tiroler Landesrätin Christine Baur (Grüne).

Zwar können die Gemeinden rechtlich kein Veto einlegen, doch es fällt den Ländern schwer, ihre Vorhaben gegen massive Widerstände durchzudrücken. Private Betreiber geben ihre Angebote zwar auch dem Innenministerium weiter, der Protest der Gemeinde wird dadurch aber nur umgeleitet, wie jüngst in Spital am Semmering zu sehen war.

Neues Konzept

Die Zunahme der Asylanträge dürfte nun zur Folge haben, dass die Länder strikter werden. Und geht es nach Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, soll dies auch so bleiben. Sie wird bei der Konferenz der Flüchtlingsreferenten der Länder am Dienstag und Mittwoch in Klagenfurt ihr Konzept einer neuen Systematik im Asylbereich präsentieren. Künftig soll in einem beschleunigten Verfahren an Ort und Stelle binnen zwei Tagen geprüft werden, ob ein Asylantrag zulässig ist oder nicht. Dann sollen die Flüchtlinge im selben Bundesland versorgt und betreut werden, und das Verfahren soll ebenfalls dort abgewickelt werden.

Kärnten, Niederösterreich und das Burgenland befürchten, das Gros der Belastung tragen zu müssen, da die meisten Flüchtlinge aus dem Süden und Osten einreisen. Um dies zu verhindern, soll künftig eine Koordinierungsstelle im Innenministerium die Asylwerber an andere Bundesländer zuweisen, sollten die Kapazitäten erreicht sein.

Das ist ein wichtiger Unterschied zur jetzigen Situation, wie Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Ministeriums, erklärt. "Dann warten wir nämlich nicht mehr darauf, dass die Länder Asylwerber aus Traiskirchen übernehmen, sondern haben eine aktive Rolle in der Zuweisung." Beim Konzept Mikl-Leitners wird es dann nicht mehr möglich sein, dass ein Bundesland so lange mit der Übernahme von Asylwerbern wartet, bis ein anderes einspringt und sich das Problem dadurch kurzzeitig löst, sondern es werden den Ländern Personen zugewiesen, um die sie sich dann auch kümmern müssen.

Schruns als Vorbild

"Es ist eine Frage des Wollens und nicht des Könnens", sagt Michael Chalupka, Direktor der Diakonie. Wird Mikl-Leitners Plan in Gesetz gegossen, wäre es auch eine Frage des Müssens, was - realpolitisch - helfen könnte. Ist einmal eine Unterkunft realisiert, sind die Erfahrungen der Gemeinde oftmals nicht schlecht. In Schruns etwa hat eine Bürgerinitiative sogar das Bleiberecht von 13 Flüchtlingsfamilien erkämpft.

Bei der Konferenz der zuständigen Referenten in Klagenfurt in den kommenden Tagen wird es unter anderem auch darum gehen, wie die Integration in den Gemeinden und damit die Akzeptanz in der Bevölkerung bei den Bürgermeistern verbessert werden kann. Zentral sieht hier Tirols Landesrätin Baur, in Bildung und Arbeit zu investieren, Salzburgs Landesrätin Martina Berthold will als "Minimalforderung" den Zugang zu Mangelberufen für Asylwerber öffnen.

Durch mehr Deutschkurse, bessere Beschäftigungsmöglichkeiten und intensiverer psychologischer Betreuung für traumatisierte Flüchtlinge soll Asylwerbern eine Tagesstruktur gegeben werden, die derzeit oftmals nur aus Warten besteht. Tirol hat mittlerweile auch immer mehr Asylheime selbst übernommen, die dortigen Leiter versuchen nun aktiv Kontakt zu Vereinen - vom Kirchenchor bis zum Fußballverein - aufzunehmen. Landesweit fehlen derzeit jedoch Standards bei der Betreuung und den Unterkünften. Auch diese werden auf der Konferenz Thema sein.