Berlin/Wien. (da) Es war eine deutlich geschrumpfte Gruppe, die am Dienstag im Reichstagsgebäude zusammenkam. 153 Abgeordnete der SPD trafen sich zur ersten Sitzung. 40 Mandatare weniger als in der vergangenen Legislaturperiode stellen die Sozialdemokraten, nachdem sie am vergangenen Sonntag mit 20,5 Prozent das schlechteste Ergebnis seit Gründung der Bundesrepublik erzielt hatten. Damit verfügt die SPD mit ihrer stolzen, mehr als 150-jährigen Geschichte nur über 58 Abgeordnete mehr als die rechtspopulistische AfD.

Der grandios gescheiterte Spitzenkandidat Martin Schulz kündigte nach dem Debakel nicht nur den Gang in die Opposition an. Sondern auch eine intensive Analyse der Fehler in den vergangenen Monaten und Jahren. Dazu sind alleine acht Regionalkonferenzen eingeplant. "Ich werde mich um Inhalte kümmern", sagte Schulz. Eilig hat es der SPD-Chef hingegen bei den Personalentscheidungen. Am Montag präsentierte er Arbeitsministerin Andrea Nahles als künftige Fraktionsvorsitzende. Ihre Wahl ist für den heutigen Mittwoch angesetzt. Laut dem scheidenden Fraktionsführer Thomas Oppermann habe sich der Fraktionsvorstand am Dienstag einstimmig für Nahles ausgesprochen.
"Im Hinterzimmer"
ausgemacht
Das Tempo der Personalentscheidung stieß nicht auf ungeteilte Zustimmung: "Ich bin dagegen, dass so was schon wieder im Hinterzimmer ausgekungelt wird", sagte Achim Post laut "Spiegel". Er ist Chef der traditionell einflussreichen nordrhein-westfälischen Landesgruppe der SPD im Bundestag. Allerdings hatten die Genossen tief im Westen bei der Landtagswahl im Mai eine schmerzliche Niederlage erlitten, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft wurde vom Christdemokraten Armin Laschet abgelöst. "Vorschnelle Festlegungen über die Fraktionsführung helfen nicht weiter, und daher lehnen wir diese ab", sagte Johannes Kahrs. Der Sprecher des Seeheimer Kreises, eines Sammelbeckens des rechten SPD-Flügels, mahnte: "Die neue Fraktion braucht jetzt Zeit, die notwendigen personellen Fragen in Ruhe zu diskutieren."
Keinerlei Bedenken meldeten die Seeheimer hingegen an, dass einer der ihren, Carsten Schneider, parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion werden soll. Dabei handelt es sich um die zweitwichtigste Funktion in der Fraktion. Der 41-jährige Schneider stammt aus Thüringens Landeshauptstadt Erfurt. Er sei damit "auch ein Signal an die neuen Länder, an den Osten", dass die SPD dort stärker werden wolle, sagte der bisherige Fraktionsführer Oppermann. In den neuen Bundesländern mussten die Sozialdemokraten am Sonntag bittere Ergebnisse hinnehmen. Während im Westen 22,1 Prozent für die SPD stimmten, waren es im Osten lediglich 14,3 Prozent; das ergibt Platz vier hinter CDU, AfD und Linkspartei. In Sachsen schaffte es die SPD gar nur knapp über die Zehn-Prozent-Marke. Auch soll der 41-jährige Schneider einen Generationswechsel signalisieren.
Inhaltlich bildet der Konservative ein Gegengewicht zur wahrscheinlichen Fraktionschefin Nahles. Sie wird dem linken Flügel zugerechnet. Dafür bleibt mit Hubertus Heil ein weiterer Vertreter des Seeheimer Kreises als Generalsekretär der Partei im Amt. Mit den Personalien hat Schulz fürs Erste beide Parteiflügel zufriedengestellt. Zwischen deren Vertretern herrscht Einigkeit über die Absage an Kanzlerin Angela Merkel, nochmals eine Koalition mit deren Union zu bilden.
Ob Generalsekretär Heil eine Dauerlösung ist, wird sich spätestens im Dezember zeigen, wenn der Parteitag stattfindet. Dann steht auch die Wahl des Parteichefs an. Martin Schulz hat bereits seine Kandidatur angekündigt. Er soll erst Interesse am Fraktionsvorsitz gezeigt, nach der Wahlniederlage am Sonntag aber davon Abstand genommen haben. Warum Schulz diese Konsequenz nicht in Sachen Parteivorsitz gezeigt hat, ließ der SPD-Chef bisher offen.