Alles neu macht der April: Tag drei des Donaufestivals wartete zur Abwechslung einmal mit etwas ganz Neuem auf, als mit den Horse Lords eine besondere musikalische Erfrischung zu Gast beim Donaufestival war. Das Instrumental-Quartett aus Baltimore generiert durch ihr Zusammenspiel nämlich völlig neue Musik und überraschte am Sonntag in der sehr gut besuchten Halle 2 mit ihrem typisch kühnen und sympathischen Mix aus traditionellen afrikanischen, vor allem Aka und Banda-Musik aus Zentralafrika sowie Wagogo aus Tansania, Gamelan aus Asien sowie westlichen Musiken, darunter Banjo, Free Jazz, Minimalismus, Punk. Einige Voraussetzungen für die eigenwillige Musik der vier Pferdestärken: Bass und Gitarre spielen in reiner Stimmung, der Saxophonist atmet kreisförmig, um kontinuierlich auf die Töne und Strukturen der anderen zu antworten und die Schlagwerke galoppieren im wahrsten Sinne des Wortes mit. Kein Musiker steht als Zugpferd im Vordergrund, Melodie und Struktur sind ineinander verwoben. Resultat vor der Bühne in Krems: Ein enthusiasmiertes Publikum und glückliche Gesichter. Und die Horse Lords fuhren nach dem Konzert ohne ihre mitgebrachten CDs nach Hause.

SayakaBotanic vom Duo group A tönt auf ihrer Violine. - © david visnjic, donaufestival
SayakaBotanic vom Duo group A tönt auf ihrer Violine. - © david visnjic, donaufestival

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"Aufbruch und Tradition" lautet das Credo des diesjährigen Festivals und mit den oben genannten ist ersteres in musikalischer Hinsicht erfüllt. Wenngleich die Horse Lords zu den markanten Ausreißern des Festivals zählen, denn durch das Programm zieht sich heuer als Roter Faden Noise in all seinen Facetten. Herausragend diesbezüglich vor allem das japanische Duo group A, das den Freitagabend beendete und die Erwartungen nach Sex Metal, Goth-Lolita und Noise-Geisha, wie im Publikum verheißungsvoll zu hören war, nicht erfüllte. So kamen Tommi Tokyo und Sayaka Botanic, im Vorjahr zu Gast beim steirischen Herbst, weder in den von vielen erhofften durchsichtigen weißen Kleidchen noch in den angekündigten DIY-Reishüten am Kopf in den Stadtsaal, sondern pechschwarz und kabukihaft und warteten passend zum Outfit mit Industrial und Synth-Wave der ganz dunklen Seite auf - mit langsam verzerrten Violin-Klängen, viel Effekten, Synthesizer-Kreationen und durchdringenden Stahl-Sounds, die von einem kleinen Metallstab kamen und von Sängerin Tokyo entweder mit einem Messer oder mit der Handfläche zum Klingen und Dröhnen gebracht wurde.

Kontrapunkte der anderen Art hallten am Sonntag wiederum in der Minoritenkirche etwas abseits vom Festivalgelände wider. Der deutsche Free-Jazz-Pionier Peter Brötzmann und die US-amerikanische Pedal-Steel-Guitar-Virtuosin Heather Leigh improvisieren seit rund einem Jahr miteinander, beim Donaufestival präsentierten sie im routinierten Zusammenspiel ihren ersten gemeinsamen Tonträger "Sex Tape" (erschienen bei Trost) bei einer intensiven Darbietung. So beraubte Leigh ihrer Pedal-Steel-Gitarre die Country-Vergangenheit und ließ mit ihrem 12-saitigen Instrument die volle Bandbreite an Sounds ertönen und durch Loop-Schleifen ziehen. Sie zupfte und strich zu den Drones und entlockt ihrem Instrument mal harfenhaft betörende Klänge, dann wieder verzerrte Metall-Sounds, während Brötzmann abwechselnd auf Klarinette, Saxofon und Tárogató, einem hölzernen Zwitterinstrument aus den beiden erstgenannten, gewitzt Kontrapunkte setzte und mitunter gar Melodien und melancholische Töne hinausposaunte. Und laut war es auch.

Neu in diesem Jahr nicht nur der künstlerische Leiter Thomas Edlinger sondern auch die Gestaltung des Festivalgeländes: In der großen Halle etwa gibt es heuer statt Konzerte fast ausschließlich Performances. Videoinstallationen wiederum sind bereits im Eingangsbereich nicht zu übersehen, wo außerdem eine rote Gitterkonstruktionen nicht nur als Schauobjekt sondern auch als Trennwand fungiert. Draußen wiederum können sich während des Festivals Zerstörwillige bei einer Performance zum Thema Angstmanagement vergnügen, indem sie behelmt mit Baseballschlägern ganze 30 Sekunden lang auf alte Möbel eindreschen dürfen. Auch das ist Noise.

Und nachdem Lärm obendrein von Maschinen generiert wird, dürfen auch diese beim Festival nicht fehlen. Vor allem wenn laut Programmheft das Festival heuer thematisch um das Thema Mensch Maschine kreist und dabei Fragen aufwerfen möchte ohne Antworten zu geben. Die muss der Besucher schon selber suchen. Wie etwa bei der Installation des belgischen Künstlers Kris Verdonck "In Void", in der sich außerirdische Gebilde ausbreiten und wieder zusammenziehen, ein niedlicher Roboter im Presslufthammer-Format hüpft und niederfällt und ein riesiger, flauschiger Ball in der Ecke zum meditativen Zentrum wird. Die Frage: Ist menschliche Empathie für Maschinen möglich? Die Antwort liefern mitunter die Einstürzenden Neubauten, die am Montagabend das fast an allen Tagen restlos ausverkaufte lange Festivalwochenende beendeten: "Nicht unbedingt, aber vielleicht."