Am Wochenende übergab Bulgarien den EU-Ratsvorsitz an Österreich. Am Rande der Auftakt-Veranstaltung in Schladming nahm Regierungssprecher Peter Launsky-Tieffenthal zu den österreichischen Vorhaben Stellung.
"Wiener Zeitung": Üblicherweise finden Staffelübergaben des EU-Ratsvorsitzes als formelle Akte hinter verschlossenen Türen statt. Warum hat man sich entschieden, die Veranstaltung als Volksfest in Schladming zu inszenieren?
Peter Launsky-Tieffenthal: Bundeskanzler Sebastian Kurz hat von Anfang an den Wunsch gehabt, den EU-Ratsvorsitz und das Engagement Österreichs in den nächsten sechs Monaten mehr an die Bürger heranzuführen. Also lag eine Feier in der Natur gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern nahe. Schladming liegt im Zentrum Österreichs und grenzt an drei Bundesländer.
Die Bergwelt bietet die Möglichkeit, einen Blick über die Grenzen in Richtung Slowenien zu werfen, was auch eine gewisse Symbolik mit sich bringt. Der Vorschlag des Bundeskanzlers ist sowohl von EU-Ratspräsident Donald Tusk als auch vom bulgarischen Ministerpräsidenten Bojko Borissow mit Freude aufgenommen worden - und ich glaube, sie haben das außergewöhnliche Panorama es genossen.
Die Sicherheitsvorkehrungen waren nicht zu übersehen - von welchen Bedrohungszenarien ist man ausgegangen?
Die Zeiten haben sich seit dem 11. September 2001 verändert, Sicherheit ist zu einem festen Bestandteil des öffentlichen Le-bens geworden. Dem muss man Rechnung tragen. Es gibt grundsätzlich eine enge Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften, sowohl mit der Polizei als auch mit dem Verteidigungsministerium und dem Bundesheer - nicht nur am heutigen Tag, sondern für den gesamten Zeitraum der nächsten sechs Monate. Stets mit dem Bemühen den Alltag der Öffentlichkeit nicht allzu sehr zu beeinträchtigen.
Hier in Schladming wird in wenigen Wochen Andreas Gabalier mehr über "Heimat" als über die EU singen. Wie viele der heutigen Besucher waren wohl tatsächliche EU-Freunde?
Es gehört zu einer lebendigen Demokratie Befürworter und Kritiker zu haben. Natürlich gibt es in Österreich kritische Meinungen gegenüber der Entwicklung in der Europäischen Union. Insgesamt begrüßt aber eine überwiegende Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher die Mitgliedschaft in der Europäischen Union und die Rolle, die Österreich dort spielen kann. Viele Menschen aus dieser Gruppe sind heute auch hier gewesen, weil sie schon ein bisschen stolz sein kön-nen. Erstmals nach 14 Jahren hat Österreich wieder die Möglichkeit, nicht nur politische Themen mitzubestimmen, sondern sich auch als guter Gastgeber zu erweisen. So haben wir auch heute versucht, die Rolle eines guten Gastgebers nicht nur für die politischen Entscheidungsträger der Union wahrzunehmen, sondern auch für die breite Öffentlichkeit.
Vizekanzler Heinz Christian Strache und ein Großteil der FPÖ-Riege ließ sich allerdings nicht blicken.
Dafür gibt es einen Grund: Der Vizekanzler konnte aus nicht verschiebbaren, familiären Gründen leider nicht kommen.
Österreich wird wegen der Regierungsbeteiligung der FPÖ in-ternational beobachtet. Übt das einen gewissen Druck auf den Ratsvorsitz aus?
Man muss sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass diese Bundesregierung auf Grundlage eines Arbeitsprogramms tätig ist, welches eindeutig pro-europäisch ausgerichtet ist. Diese pro-europische Ausrichtung wurde von Tag 1 an wahrgenommen und umgesetzt. Gerade wenn einem ein Projekt wie die EU sehr am Herzen liegt, ist es notwendig, es auch zu hinterfragen und so weiter zu entwickeln, dass es den Bürgerinnen und Bürgern näher kommt und ihren Bedürfnissen besser ent-spricht.
Inwiefern hat der letzte EU-Gipfel in Brüssel die Weichen für den kommenden Ratsvorsitz gestellt?
Es ist zu einer Trendwende in der Frage der Migration und der Bekämpfung der illegalen Migration gekommen. Der Schutz der Außengrenzen wird von immer mehr Mitgliedsstaaten als notwendig und prioritär erachtet. Damit verbunden ist der Vorschlag, Menschen auf beispielsweise afrikanisches Gebiet zurückzubringen, die im Mittelmehr etwa vor der libyschen Küste aufgegriffen werden. Dort sollen sie versorgt und betreut wer-den. Das sind wichtige Positionen, die erstmals in dieser Form in einem Abschlussdokument der Europäischen Union stehen.
Welche Höhepunkte werden auf Österreich in den nächsten sechs Monaten zukommen?
Österreich muss eine Doppelaufgabe erfüllen: Einerseits dür-fen wir die eigenen Positionen nicht vergessen, andererseits müssen wir der ehrliche Makler und Brückenbauer zwischen den verschiedenen Positionen innerhalb der Union sein. Im Mittelpunkt steht das Bemühen, die Union und die Mitglied-staaten zu einer gemeinsam Position zu führen. Es stehen eine Vielzahl an Veranstaltungen an, in Österreich alleine über 300. 13 davon sind informelle Ministertreffen, der Höhepunkt ist der Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 20. September in Salzburg. Wir freuen uns, dass zahlreiche Veranstaltungen in den Bundesländern stattfinden, etwa in Innsbruck, in Linz, in Graz oder in Schloßhof in Niederösterreich.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte wird Österreich setzen?
Der Ratsvorsitz fungiert unter dem Motto "Ein Europa, das schützt", und damit meinen wir nicht nur den Kampf gegen ille-gale Migration und den Schutz der Außengrenzen. Nur, wenn es uns gelingt, die Außengrenzen zu schützen, können wir die Bewegungsfreiheit innerhalb der Union maximal sicherstellen. Der Schutz bezieht sich auch auf die Sicherung des Wohlstandes, den wir in Europa und in Österreich erreicht haben - ins-besondere unter Heranziehung der Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung bietet. Der dritte Punkt ist Schutz im Sinne von Stabilität in unserer erweiterten Nachbarschaft, insbesondere den Ländern des Westbalkans und Südosteuropas, wo wir uns bemühen, diese Länder näher an die EU heranzuführen. Wir freuen uns, dass es unter dem bulgarischen Vorsitz gelungen ist, dazu sehr konkrete Signale gegenüber Mazedonien und Albanien zu setzen. Wir werden darauf aufbauen und weiterarbeiten.