Wien. (czar) Federica Mogherini möchte nicht von einer Last sprechen. Die EU-Außenbeauftragte bevorzugt das Wort "Verantwortung", wenn es um die Verteilung von Migranten in Europa geht. Um die kreisten erneut die Debatten der EU-Politiker am Donnerstag. In Wien waren zunächst die Verteidigungsminister der Union und danach die Außenminister zusammengekommen. Dabei drängte Italien auf Änderungen der Regeln bei der EU-Mission Sophia im Mittelmeer - eben mit der Begründung, dass "die Lasten" bei der Aufnahme von Asylwerbern geteilt werden sollten. Rom schlug ein Rotationsprinzip für Häfen vor, in denen die Flüchtlinge an Land gehen sollen. Zwar steht bei der Operation Sophia die Bekämpfung der Schlepperkriminalität an erster Stelle. Doch sind die Schiffe auch verpflichtet, in Seenot geratene Menschen zu bergen.

Für diese will Italien nicht mehr zum großen Teil alleine zuständig sein. Es dürfe nicht sein, dass das Land "allein mit einem Notstand umgehen muss, der die ganze EU betrifft", befand Verteidigungsministerin Elisabetta Trenta. Doch nach dem Treffen mit ihren Amtskollegen konstatierte sie, in Wien "offene, aber auch geschlossene Tore" gefunden zu haben. Denn eine Einigung kam bei der Zusammenkunft nicht zustande.

Immerhin hätten alle Mitgliedstaaten ihre Unterstützung für Sophia deklariert, berichtete Mogherini. Für weiter gehende Beschlüsse sei es weder der richtige Ort noch das richtige Format gewesen, fügte sie hinzu. Das Treffen der Verteidigungsminister war nämlich ein informelles, und dabei werden keine Entscheidungen gefällt.

Gleichzeitig wollte Mogherini die Dimensionen klarstellen: Die Rettungseinsätze im Rahmen der Mission Sophia machten gerade einmal ein Zehntel aller Einsätze aus. Und seitdem die Operation laufe, sei die Zahl der Ankünfte von Flüchtlingen, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen, um 80 Prozent gesunken. Ebenso seien weniger Menschen ertrunken. Seit 2014 bis Ende 2017 wurden 42.000 Flüchtlinge gerettet. Daher stellt sich für die EU-Außenbeauftragte die Frage: "Wollen wir zu der Situation zurückkehren, die vor Sophia war?"

Die Zukunft der EU-Mission ist dennoch ungewiss. Noch bis Jahresende läuft das derzeitige Mandat. Dessen Verlängerung hatte Italien bereits im Vorjahr zunächst blockiert. Nun droht es ebenfalls mit einem Ausstieg aus dem Anti-Schlepper-Einsatz. Sophia verfügt über vier Schiffseinheiten, drei Hubschrauber und drei Flugzeuge zur Luftüberwachung. Zu ihren Aufgaben zählt seit 2016 auch die Überwachung illegaler Öltransporte aus Libyen und die Ausbildung der libyschen Küstenwache.

Österreich wirbt für eigenes Grenzschutz-Modell

Hinter der Debatte um Sophia steckt allerdings eine andere, die in der EU bereits seit Jahren geführt wird: Es geht um die Fragen, welches Land Flüchtlinge aufnimmt und sie versorgt, ob es einen verbindlichen Schlüssel dafür geben soll und ob das derzeitige Dublin-System haltbar ist, das die Bearbeitung von Asylanträgen dem Staat zuweist, in dem ein Migrant zuerst in die EU gelangt ist. Die Überlegungen zu einem Verteilungsmechanismus sind bisher aber nicht realisiert worden, ebenso wenig die Ideen zu einer Reform der Dublin-Regelungen.

In der Zwischenzeit hat sich die EU-Diskussion um Flüchtlingspolitik auch verschoben, hin zu einem Thema, bei dem mehr Konsens herrscht: Die Außengrenzen der EU sollten verstärkt gesichert werden, lautet der Tenor. Wien empfiehlt dafür ein eigenes Modell. So warb Verteidigungsminister Mario Kunasek für den "bewährten österreichischen Assistenzeinsatz" und meinte, dass auf EU-Ebene ebenso Soldaten zur Unterstützung der Polizei an die Grenzen abgestellt werden könnten. Das sei bei anderen Mitgliedern auf Interesse gestoßen, erklärte Kunasek. Tatsächlich fand auch Mogherini, die das Ministertreffen leitete, die Idee "nützlich".

Anders sah dies hingegen Kunaseks deutsche Amtskollegin, Ursula von der Leyen. Ihr Land habe in der Verfassung "eine ganz klare Trennung" festgeschrieben. Grenzschutz sei Polizeisache und Aufgabe der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Diese müsse allerdings weiter gestärkt werden, sowohl personell als auch materiell. Das hatten die EU-Staats- und Regierungschefs freilich schon bei ihrem Gipfeltreffen im Juni beschlossen - jedoch ohne Details zu fixieren.