Madrid/London/Wien. (is/apa/reu) Madrid war die erste Station seiner Tour dHorizon. Im Laufe der kommenden Tage wird Bundeskanzler Sebastian Kurz noch in Berlin und Paris erwartet. Spanien, Deutschland und Frankreich haben viel mitzureden, wenn es um die Lösung brennender EU-Themen geht. Vor allem deren Positionen zum Brexit und zur Flüchtlingsfrage wird Kurz als Vertreter des österreichischen EU-Vorsitzes im Vorfeld wichtiger Unionstreffen auszuloten haben. Der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union steht auf dem nächste Woche in Salzburg stattfindenden informellen EU-Gipfel ganz oben auf der Agenda. Im Dezember folgt ein EU-Afrika-Gipfel, der um die Frage kreist, wie Europa dort Arbeitsplätze schaffen kann, um die Migration nach Europa zu drosseln.
Letzteres Thema stand auch im Zentrum des Gesprächs, das Kurz am Mittwoch in Madrid mit seinem sozialdemokratischen Amtskollegen Pedro Sanchez führte. Zuvor wurde der Kanzler vom spanischen König Felipe VI. empfangen. Am Sonntag wird Kurz in Berlin von Kanzlerin Angela Merkel erwartet, tags darauf folgen Konsultationen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Paris.
Für Madrid ist die Flüchtlingsfrage derzeit besonders wichtig: Nach der von Österreichs damaligen Außenminister Kurz forcierten Schließung der Balkanroute und der restriktiven Flüchtlingspolitik der neuen rechtspopulistischen Regierung in Italien haben sich die Migrationsströme aus Afrika wieder ins westliche Mittelmeer verlagert. Zumal Sanchez mehrmals ein humanitäres Zeichen gesetzt hatte, indem er in Seenot geratene Flüchtlinge aus Afrika an Land gehen ließ, die von Italien und Malta abgewiesen worden waren.
Madrid hat daher großes Interesse an der Ausarbeitung einer EU-Strategie, die den Migrationsstrom bremst. Dass Kurz am Wochenende die Abhaltung eines EU-Afrika-Gipfels bestätigt hat, wurde von Madrid daher besonders positiv aufgenommen. Das Treffen soll Anfang Dezember in Wien stattfinden.
Parteirevolte gegen Mays Brexit-Kurs verschärft sich
Bereits am Freitag und Samstag kommender Woche treten in Salzburg die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedstaaten zusammen. Hier wird es vorrangig um das Prozedere des Brexit gehen. Die Zeit drängt. Am 29. März verlässt das Land die Union. Bei den Verhandlungen mit Großbritannien über die Gestaltung der Beziehungen danach sind viele Punkte bis heute ungelöst. Eine Revolte innerhalb der konservativen Tories gegen den in ihren Augen "zu weichen" Brexit-Kurs ihrer Premierministerin Theresa May erschwert eine Einigung.
Rund 50 Abgeordnete aus dem Lager der Brexit-Hardliner sollen gar an Mays Sturz arbeiten. Wie BBC berichtet, hatte sich die Gruppe ("European Research Group") am Dienstagabend getroffen, um darüber zu beraten, wie und wann sie May loswerden könnte. Zu ihren Gegnern zählt auch Ex-Außenminister Boris Johnson, der aus Protest gegen Mays weichen Brexit-Kurs im Juli seinen Posten hingeworfen hatte.
Angeführt wird der erzkonservative Flügel von Jacob Rees-Mogg; gegenüber dem britischen Sender versicherte er, dass er May weiterhin unterstütze - allerdings müsse sie ihre Brexit-Strategie umgehend ändern. Beobachter schließen nicht aus, dass es auf dem Parteitag der Konservativen Anfang Oktober tatsächlich zu einem parteiinternen Coup kommen könnte. Ambitionen auf das Amt des Premiers werden unter anderem Johnson nachgesagt. Angesichts des ungelösten Machtkampfes in London ist in nächster Zeit kaum ein Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen mit Brüssel zu erwarten. Eine No-Deal-Variante wird immer wahrscheinlicher. Eine der bisher ungelösten Fragen ist, wie eine Trennung vom EU-Binnenmarkt ohne eine Grenze zwischen der britischen Provinz Nordirland und der weiterhin zur EU gehörenden Republik Irland funktionieren und wie der Warenverkehr dort kontrolliert werden soll. Die konservativen Brexit-Hardliner schlugen gestern lediglich einen lockeren Freihandelsvertrag vor.