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Berlin verleiht der SPD Rückenwind

Von Klaus Huhold

Europaarchiv

SPD profitiert von der Schwäche der Bundesregierung. | Zerstrittene FDP wird für Merkel immer mehr zum Unsicherheitsfaktor.


Berlin/Wien. Die SPD spürt Aufwind. Zuerst legte sie bei der Landtagswahl in Bremen leicht zu und blieb stärkste Partei, dann triumphierten die Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie mit 35,7 Prozent und großem Vorsprung die Wahl gewannen. Und jetzt folgt Berlin.

Vor einem Jahr sprach noch vieles dafür, dass die Wahl in der Hauptstadt in einem Fiasko für die SPD endet: Dem amtierenden SPD-Bürgermeister Klaus Wowereit wurde Amtsmüdigkeit nachgesagt, und die Umfragen sahen die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Renate Künast schon gleichauf mit den Sozialdemokraten.

Doch vor der Wahl am Sonntag hat sich das Blatt nun gewendet. Wowereit hat noch einmal bewiesen, welch gewiefter Wahlkämpfer er ist. Der Jurist lässt die Grünen und auch die CDU laut Umfragen weit hinter sich und hat zehn Prozent Vorsprung. Die SPD hat vor allem der Person des populären Bürgermeisters ihren bevorstehenden Erfolg in Berlin zu verdanken. Wowereit hängt die Spitzenkandidaten der anderen Parteien bei den Beliebtheitswerten klar ab, der Wahlkampf war ganz auf den leutseligen 57-Jährigen zugeschnitten.
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Merkel wirkt bei der Euro-Rettung ratlos

Gleichzeitig wird die Wahl in der Stadt an der Spree der SPD bundesweit weiteren Rückenwind geben. Sie profitiert im Moment von der Schwäche der Bundesregierung rund um Kanzlerin Angela Merkel. "Zurzeit macht die Regierung bei der Euro-Rettung einen schlechten Eindruck", sagt der Politikwissenschafter Carsten Koschmieder von der Freien Universität Berlin. "Die Bevölkerung hat den Eindruck, dass Merkel ratlos ist, keinen klaren Kurs vorgibt und nur reagiert, wenn etwas auf den Märkten passiert."

Und dann ist da noch der Koalitionspartner FDP, der Merkel das Kanzler-Dasein derzeit nicht einfacher macht. Dass der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler eine "geordnete Insolvenz" für Griechenland nicht ausschloss, torpedierte den Krisenkurs von Merkel. Dieser ist auch innerhalb der Union nicht unumstritten. Einige CSU-Politiker können Röslers Vorstoß ebenfalls etwas abgewinnen.

Die Aussage Röslers kann auch als Flucht nach vorne interpretiert werden. Laut einer Umfrage von Infratest dimap schaffte es die FDP kurz nach Röslers Verbaloffensive erstmals seit langem wieder, eine Zustimmungsrate von fünf Prozent zu erlangen. Auch der Vorsitzende der Hauptstadt-FDP Christoph Meyer machte zuletzt Stimmung dagegen, dass "die Berliner die Zeche für die Schulden anderer zahlen". Ob er damit das drohende FDP-Debakel in Berlin noch abwenden kann, ist aber fraglich. Die Liberalen drohen aus dem Rathaus zu fliegen.

Spekulationen über Bruch Union-FDP

Dies wäre die nächste große Niederlage der Liberalen bei Landtagswahlen. Sie würde Rösler weiter unter Druck setzen. Denn es ist jetzt schon mehr als fünf Monate her, seitdem er Guido Westerwelle als Parteichef abgelöst hat. Bisher schaffte er es nicht, die FDP aus ihrem Tief herauszuführen. Die Liberalen sind zudem auch untereinander zerstritten. Es gibt heftige Diskussionen, wie weit Griechenland geholfen werden soll. In der FDP regt sich Widerstand gegen einen dauerhaften Euro-Rettungsschirm. Die Partei ist mittlerweile zu einem derartigen Unsicherheitsfaktor geworden, dass deutsche Medien schon spekulieren, dass die schwarz-gelbe Koalition mit der Zeit zerbrechen könnte.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier richtete schon aus, dass seine Partei "jetzt" für eine große Koalition nicht zur Verfügung stehe. Die Sozialdemokraten rüsten schon für die nächste Bundestagswahl, die, wenn sie nicht verfrüht kommt, planmäßig 2013 über die Bühne geht. Auch wenn die Union in Umfragen noch vor der SPD liegt, hätte Rot-Grün derzeit aufgrund der Schwäche der FDP eine satte Mehrheit.

Und die Berlin-Wahl dürfte die SPD darin stärken, dass sie die Führungsrolle in so einem Bündnis innehat. Nach dem von der Atomdebatte getragenen Höhenflug der Grünen wurden ja schon Stimmen laut, dass auch die Ökopartei einen Kanzlerkandidaten braucht. Diese Rufe dürften laut Beobachtern nun leiser werden, wenn die SPD in Berlin die Grünen derart klar hinter sich lässt wie prognostiziert.