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Prozess gegen mutmaßliche Metro-Attentäter in Minsk

Von Gerhard Lechner

Europaarchiv

Anschlagsmotive völlig unklar. | Angeklagten droht Erschießung.


Minsk. Es war ein für Minsk unübliches Bild: Explosionen erschütterten am 11. April die Metrostation "Oktjabrskaja" in unmittelbarer Nähe des Amtssitzes von Präsident Alexander Lukaschenko, Rauch quoll aus der Station - ein Anschlag hatte sich ereignet, 15 Menschen starben.

Nun begann in Weißrusslands Hauptstadt der Prozess gegen jene zwei Männer, die für das Attentat verantwortlich sein sollen: Dmitri Konowalow und Wladislaw Kowaljow, beide 25 Jahre alt und Weißrussen. Sie sollen eine Tasche mit einer Bombe unter einer Sitzbank in der Station deponiert und per Fernzünder hochgehen haben lassen. Den Angeklagten droht die Todesstrafe durch Erschießung.

Über die Motive der mutmaßlichen Täter herrscht völlige Unklarheit. Die üblichen Terrorgründe scheiden aus: Weder gibt es nennenswerte nationale Minderheiten, die sich abspalten wollen, noch ist das Land in einen Auslandseinsatz verwickelt, der den Groll islamistischer Gruppen auf sich ziehen könnte. Dieser Umstand und der Zeitpunkt des Anschlags - im April begann die ökonomische Talfahrt des Landes - ließ manche darüber spekulieren, das Attentat sei ein Einschüchterungsakt der Obrigkeit gewesen. Auch wurden die mutmaßlichen Täter auffallend schnell ausfindig gemacht. Doch in dem Fall hätten die Behörden wohl die Gunst der Stunde genutzt und den Terroranschlag als Verschwörung von Gegnern des Präsidenten hingestellt. Das geschah aber nicht: Man erklärte, es gäbe keine Hinweise auf Hintermänner der Tat. "Zumindest die Beweislage gegen Konowalow ist sehr dicht", sagte Pawel Swerdlow vom Europäischen Radio für Belarus der "Wiener Zeitung". Der Journalist gehört sonst zu den Kritikern Lukaschenkos. Auch er kann über die Motive des Anschlags nur rätseln, vermutet einfach eine nihilistische, "böse Tat".

Währung bricht ein

Während man in Minsk über das Attentat rätselt, setzt sich die wirtschaftliche Krise im Land fort: Angesichts schmelzender Devisenreserven hat Weißrussland bereits zum zweiten Mal im Jahr seine Währung abgewertet. Der weißrussische Rubel gab um 40 Prozent gegenüber dem Euro nach. Der Versuch Lukaschenkos, den Rubel mittels staatlich verfügter Tauschkurse zu stabilisieren, war zuvor gescheitert, da sich ein Währungs-Schwarzmarkt entwickelte.