Jugend ohne Chance

Es ist die Generation Chancenlos: "Die jungen Roma von heute sind aufgewachsen in Wohnheimghettos und Sonderschulen", sagt Roman Krystof von der staatlichen Agentur für soziale Eingliederung in Roma-Lokalitäten. "Die Wahrscheinlichkeit, dass sie nie jemanden näher kennengelernt haben, der längerfristig einer geregelten Arbeit nachgeht, ist groß", meint Krystof. Das Leben der meisten Roma ist ein einziger Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit und Armut. Wer hineingeboren wird in diese posttraditionalistische Parallelgesellschaft, in der die höchste Autorität den Wucherkönigen, Drogenhändlern und Zuhältern der Ghettos gilt, kommt aus eigener Kraft nicht heraus. Was bleibt, sind Alkohol, Drogen und Spielautomaten. Und die Wut auf die "gadzos", die "Weißen". Doch deren Hass auf die "cikáni" kocht mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft junger Roma weiter hoch.

Der Brandherd liegt im "Schluckenauer Zipfel", einer der ärmsten und entlegensten Gegenden Böhmens. Nachdem eine Gruppe von etwa 20 jugendlichen Roma Ende August in Rumburk, unweit von Novy Bor, sechs "Weiße" verprügelt hatte, nahmen die Bewohner der Stadt selber die Prügel in die Hand. Etwa 500 Leute marschierten an einem heißen Freitagabend Ende August auf ein Roma-Wohnheim los. "Die wollten jemanden lynchen", glaubt Frantisek Kostlan, der das Geschehen beobachtete. "Hätte die Polizei nicht eingegriffen, wäre es zu einem Pogrom gekommen, davon bin ich überzeugt", sagt er kopfschüttelnd.

Seit dem Angriff herrscht mindestens zweimal wöchentlich Pogromstimmung in Rumburk und im benachbarten Varnsdorf. Angestachelt von immer neuen Nachrichten über Roma-Kinderbanden, die vor allem schwächere Menschen beschimpfen und bestehlen: Behinderte, Alte, andere Kinder. Angeführt wird die Meute entweder von den Neonazis der Arbeiterpartei für soziale Gerechtigkeit (DSSS) oder von Lukas Kohout, einem verurteilten Hochstapler mit Politambitionen, den seine Ehefrau wegen eines Rom verlassen hat.

"Wir sind anständige Menschen", steht auf den Transparenten, die die Demonstranten neben ihren Tschechien-Fahnen hochhalten. "Man sollte die Zigeuner alle in Busse setzen und irgendwo ganz weit wegbringen", fordert ein junger Mann. Andere Demonstranten scheinen eine endgültigere Lösung zu bevorzugen. "Cikani do plynu!", rufen sie - "Zigeuner ins Gas!" Von den ursprünglich 8000 tschechischen Roma und Sinti, die noch 1939 in Böhmen und Mähren lebten, haben nur 600 den Roma-Holocaust überlebt.