Zum Hauptinhalt springen

Mutmaßlicher "Filmemacher" der Terrorzelle in Haft

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Deutsche Polizei nahm zwei weitere verdächtige Rechtsextremisten fest.


Berlin. 15 Minuten dauert der Film, der die heitere Welt des "Paulchen-Panther"-Zeichentricks mit den blutigen Taten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) unterlegt. In einen Zusammenschnitt von mehreren "Pink Panther"-Folgen sind Fotos von den Tatorten einkopiert - ein Blumenladen, ein Döner-Stand, ein Gemüsehandel - und Fotos von den Opfern, neun Migranten, in ihrem Blut liegend, offenbar von den Tätern selbst aufgenommen. Die DVD, mit der sich der NSU zu den Morden bekennen wollte, war in der ausgebrannten Wohnung in Zwickau gefunden worden, in der das mutmaßliche Mörder-Trio zuletzt gelebt hatte.

Der aufwendige Schnitt der Produktion ließ bei den Ermittlern rasch Zweifel aufkommen, ob die drei Neonazis, von denen zwei Selbstmord begingen, das Machwerk selbst produziert haben könnten. Nun dürfte der "Filmemacher" gefasst sein. In der Nähe von Potsdam wurde der 32-jährige, aus Zwickau stammende André E. von der Anti-Terror-Einheit GSG9 festgenommen. Laut Bundesanwaltschaft stand er "seit 2003 in einem engen Kontakt mit den Mitgliedern des NSU", im Jahr 2007 soll er die DVD hergestellt haben. Außerdem habe der Mann im Mai 2009 den Rechtsterroristen Bahnkarten besorgt.

Hinweise auf größeres Netz

Zudem wurden am Donnerstag die Wohnung von André E. und drei weitere Wohnungen in Dresden und Jena untersucht. André E. soll früher im sächsischen Johanngeorgenstadt der rechtsextremen "Brigade Ost" angehört haben, später mit seiner Ehefrau nach Zwickau gezogen sein. Dort hat er eine Medienfirma betrieben, die unter anderem mit Videoschnitten beauftragt wurde.

Laut "Spiegel online" hatten mehrere Mitglieder der lose organisierten "Brigade Ost" Kontakt zum Zwickauer Trio. Einer davon, Matthias D., soll die Wohnungen angemietet haben, in denen das Trio zuletzt Unterschlupf fand.

Das ARD-Magazin "Monitor" berichtete von Verbindungen der Zwickauer Terrorzelle zum Netzwerk "Blood and Honour" - dessen bewaffneter Arm "Combat 18" habe Ende der 1990er Anleitungen für Anschläge entwickelt.

Gleichfalls am Donnerstag verhaftet wurde der 43-jährige Bruder des am Sonntag festgenommenen Holger G. aus Lauenau in Niedersachsen. Dirk G. soll laut "Weser-Kurier" Kontakte zur NPD gehabt haben.

Waren NPD-Leute involviert?

Damit rückt die rechtsextreme NPD, die in zwei deutschen Landtagen sitzt, in den Mittelpunkt der Beobachtung. Laut dem Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Thomas Oppermann (SPD), gebe es Hinweise, dass in der Unterstützerszene der Rechtsterroristen auch NPD-Mitglieder tätig waren. Dies sei eine wichtige Information für das angestrebte Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei, die jede Verbindung zu den Terroristen leugnet. Oppermann sprach sich dafür aus, alle V-Leute, die der Verfassungsschutz in der NPD hat, abzuschalten.

2003 war ein Verbotsantrag gescheitert, weil der Verfassungsgerichtshof die Rolle der V-Leute, von denen viele in NPD-Spitzenpositionen saßen, ungeklärt sah. Zu einer Prüfung, ob die NPD verfassungswidrig agiert, kam es erst gar nicht. Das soll bei einem eventuellen neuen Verbotsantrag vermieden werden. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will deshalb prüfen lassen, ob die Ausschaltung von Verbindungsleuten an der Parteispitze genügt, um ein NPD-Verbot durchzusetzen. Denn gerade Informationen aus der "unteren Etage" der Partei hält Friedrich für unverzichtbar.

Überdies kündigte er an, dass eine Expertenkommission die Vorgänge rund um die Mordserie untersuchen wird - auch um Schlüsse für die Politik ziehen zu können. Die drei Experten, darunter Ex-Präsidenten des Verfassungsschutzes und Bundeskriminalamtes, sollen alle Polizei- und Geheimdienst-Akten prüfen. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz attestierte dem Innenminister dennoch "Schockstarre" und legte ihm den Rücktritt nahe.

Als Geste der Anteilnahme hat Bundespräsident Christian Wulff unterdessen am Mittwochabend Angehörige der Opfer der Neonazi-Mordserie zu einem vertraulichen Gespräch empfangen. Kanzlerin Angela Merkel nannte das Treffen ein "Zeichen der Zuwendung und Verbundenheit des ganzen deutschen Volkes". Dem NSU wird der Mord an acht türkischen und einem griechischen Kleingewerbetreibenden sowie einer Polizistin angelastet.