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Slowenien vor politischem Umsturz

Von WZ-Korrespondent Christian Wehrschütz

Europaarchiv

Ex-Regierungschef Janez Jansa gilt als klarer Favorit.


Laibach. Bei der Parlamentswahl am Sonntag steht Slowenien nicht nur ein Machtwechsel, sondern möglicherweise auch ein politisches Erdbeben bevor. So dürften drei der bisher sieben Parlamentsparteien an der Vier-Prozent-Hürde scheitern. Nach Umfragen wird die ultranationalistische Slowenische Nationalpartei ebenso aus dem Parlament fliegen wie die Liberalen (LDS) und die Partei Zares (Fürwahr), die sich vor Jahren von den Liberalen abgespalten hat. Beide bildeten gemeinsam mit der Pensionistenpartei Desus und unter Führung der Sozialdemokratischen Partei von Borut Pahor eine Mitte-Links-Regierung, die 2008 die konservative Koalition von Janez Jansa ablöste.

Doch die Wende hielt nur dreieinhalb Jahre. Zum Opfer fiel die Vier-Parteien-Koalition der Egomanie ihrer wichtigsten Repräsentanten, der mangelnden Fähigkeit von Pahor, Kompromisse zu erzielen, und der tiefen sozialen und wirtschaftlichen Krise. Hinzu kamen noch einige Affären, die am Image der Regierung nagten.

Sozialdemokraten wird Absturz vorausgesagt

Wie sehr sich die politischen Kräfteverhältnisse am kommenden Sonntag bei den ersten vorgezogenen Wahlen in der jungen Geschichte Sloweniens verändern dürften, zeigen Prognosen für die Sozialdemokraten. Sie dürften von knapp 30 Prozent auf etwa 10 Prozent abstürzen, wobei diese Zahl bereits auf einem Aufholprozess von Borut Pahor beruht, der mit sehr guten Auftritten bei den TV-Konfrontationen punkten konnte. Trotzdem wird Pahor seine Führungsrolle im linken Lager an Zoran Jankovic, den populären Bürgermeister von Laibach und ehemaligen Generaldirektor der Handelskette Mercator, verlieren.

Laibachs Bürgermeister liegt auf Platz zwei

Jankovic und seine Bewegung "Positives Slowenien" liegen mit etwa 25 Prozent am zweiten Platz. Jankovic hat ein klar sozialdemokratisches Programm, das durch einen "New Deal", durch Investitionen in die Infrastruktur, durch Reformen des Arbeitsmarktes, des Gesundheits- und Pensionssystems Slowenien aus der Krise führen will. Jankovic hat nur dann Chancen, Ministerpräsident zu werden, wenn sein Abstand zu Janez Jansa nicht zu groß ist und Jansa keine Partner für die Bildung einer Regierung finden sollte. Eine Koalition mit Jansa hat Jankovic jedenfalls ausgeschlossen.

Janez Jansa wiederum kann mit seiner Partei mit 30 bis 35 Prozent der Stimmen rechnen. Gelingt auch zwei kleineren Rechtsparteien (Nova Slovenia und der Volkspartei) der Wiedereinzug ins Parlament, so könnte Jansa wohl zum ersten Mal in der Geschichte Sloweniens eine stabile Koalition rechts der Mitte bilden.

Ebenfalls ins Parlament einziehen dürfte wieder die Pensionistenpartei und die Bürgerliste des ehemaligen Ministers für Verwaltung (unter Jansa), Gregor Virant. Der Hoffnungsträger mit liberalem Wirtschaftsprogramm erlebte durch einen Finanzskandal jedoch einen politischen Absturz und fiel von fast 20 auf an die 10 Prozent zurück und wird vermutlich nicht einmal das Zünglein an der Waage sein. Im Wahlkampf war bekannt geworden, dass Virant nach seiner Ministerzeit die volle Entgeltfortzahlung kassierte, obwohl er mit Beratungstätigkeiten hohe Einkünfte erzielte. Davon profitiert Jansa, dem auch zugutekommt, dass seine wirtschaftspolitischen Versäumnisse in Zeiten der Hochkonjunktur vergessen und der Mitte-Links-Regierung auf den Kopf gefallen sind. Jansa wirbt vor allem mit dem Wort Gerechtigkeit und plakatiert: "Für Gerechtigkeit, Arbeitsplätze und nachhaltiges Wachstum. Für eine gerechte Gesellschaft ist es klug, gleiche Startchancen für alle zu schaffen."

Alle diese Ziele werden jedoch nur erreichbar sein, wenn Slowenien seine Referendumsgesetzgebung ändert; denn viele gute Reformansätze wie etwa die Pensionsreform scheiterten unter Borut Pahor an Volksabstimmungen.

Öffentliche Verschuldung seit 2007 verdoppelt

Für Slowenien drängt jedenfalls die Zeit. Die Arbeitslosigkeit liegt bei acht, das Defizit bei 4,7 Prozent und die öffentliche Verschuldung zwar bei nur 43 Prozent, doch hat sie sich binnen vier Jahren de facto verdoppelt. Slowenien braucht somit rasch eine handlungsfähige Regierung, um als Mitglied der Eurozone das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte wahren zu können.