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Wulff verliert seinen Rückhalt

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Interventionen bei der Presse werden auch in den eigenen Reihen kritisiert.


Berlin. "Die Presse- und Rundfunkfreiheit ist für den Bundespräsidenten ein hohes Gut", ließ Christian Wulff über das Bundespräsidialamt ausrichten - über Vieraugen-Gespräche und Telefonate gebe er aber grundsätzlich keine Auskunft. Schon als das deutsche Staatsoberhaupt vor Weihnachten nach langem Zögern öffentlich zu den medialen Vorwürfen über seinen Privatkredit für einen Hauskauf Stellung nahm, hatte er den Wert der Pressefreiheit betont. Heute will seinen Beteuerungen aber niemand mehr glauben - denn nun weiß man, dass Wulff versucht hat, unliebsame Berichte über ihn zu unterdrücken.

Nun prüft die Staatsanwaltschaft Berlin sogar eine Privatanzeige gegen den Präsidenten wegen des Verdachts auf Nötigung, weil Wulff dem "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann den Abbruch der Beziehungen zur Zeitung und strafrechtliche Konsequenzen angedroht hatte, sollte das Blatt den Bericht über den Kredit veröffentlichen. Aber nicht nur auf die Handy-Mailbox des Journalisten hat Wulff gesprochen, er rief auch den Chef des Springer-Verlages Mathias Döpfner an, in dem die "Bild"-Zeitung erscheint, und bei der Mehrheitsaktionärin Friede Springer. Beide lehnten eine Intervention bei der Zeitung ab. "Wulff hat sich benommen wie ein Provinzbürgermeister, der glaubt, die ansässige Lokalzeitung nach Gutdünken maßregeln zu können", kommentierte die "tageszeitung".

Und offenbar ist dieses Vorgehen kein Einzelfall, wenn Wulff zwischen Pressefreiheit und eigenen Interessen abwägen muss: Wie die Zeitung "Die Welt" am Dienstag in ihrer Online-Ausgabe berichtete, habe der Bundespräsident bereits im vergangenen Sommer versucht, einen Bericht der "Welt am Sonntag" über seine Familienverhältnisse und seine Halbschwester zu verhindern.

"Schonfrist zu Ende"

Diese neuen Vorwürfe lassen die Zurückhaltung schwinden, mit der die Parteien aus Rücksicht auf das Amt bisher agiert haben. "Die politische Schonfrist geht zu Ende", meinte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, und legte dem Präsidenten indirekt nahe, sein Amt bis zur Aufklärung der Kreditaffäre ruhen zu lassen. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte sich kurz nach Weihnachten noch gegen einen Rücktritt Wulffs ausgesprochen.

Eine derartige Forderung wollen zwar auch weiterhin die meisten Parteienvertreter nicht in den Mund nehmen, aber Wulffs Rückhalt schwindet ebenfalls bei CDU, CSU und FDP, die ihn 2010 zum Präsidenten gewählt haben. Karl-Heinz Klare, CDU-Fraktionsvize im Landtag Niedersachsens, wo Wulff einst Ministerpräsident war, rief den Präsidenten zur Aufklärung auf: "Viele Parteifreunde haben bei mir angerufen. Alle äußerten sich negativ zu Wulffs Verhalten", sagte Klare.

Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Holger Zastrow meinte: "Wenn es so sein sollte, dass er als Bundespräsident persönlich zum Hörer greift, einen Chefredakteur anruft, auf die Mailbox spricht, dann ist das nicht die Größe, die ich von einem Bundespräsidenten erwarte." Die Spitzen der Regierungskoalition äußerten sich vorläufig allerdings nicht zu den neuen Entwicklungen.

Unterdessen tauchen neue Anschuldigungen auf, dass Wulff in seiner Zeit als Landeschef Politik und Freundschaft unzulässig vermischt habe. Der "stern" berichtet, dass Wulff dem Eventmanager Manfred Schmidt zumindest indirekt bei der Sponsorensuche für privatwirtschaftlich organisierte Prominentenpartys unter dem Titel "Nord-Süd-Dialog" behilflich war. Wulff, Schirmherr der Veranstaltungsreihe, habe einen Versicherungskonzern auf das Event aufmerksam gemacht, sein inzwischen entlassener Sprecher Olaf Glaeseker habe weitere Informationen übermittelt; Ähnliches sei bei dem Touristikunternehmen Tui geschehen. Glaeseker soll auf den Anwesen von Schmidt kostenlose Ferienaufenthalte in Spanien und Südfrankreich genossen haben.