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Hollande im Abwehrkampf

Von WZ-Korrespondentin Birgit Holzer

Europaarchiv

Der Kampf um die Präsidentschaft lässt neue Seiten des Herausforderers sehen.


Paris. Es ist die erstaunliche Verwandlung eines Mannes, die Frankreich in diesen Wochen und Monaten seines Präsidentschaftswahlkampfes erlebt. Aus einem gutmütig-jovialen Ex-Parteichef, der es nie zu einem Ministeramt gebracht und 2007 bei der Kandidatenkür seiner damaligen Lebenspartnerin Ségolène Royal das Feld überlassen hat, ist ein entschlossener Politiker geworden, der sich seine guten Chancen nicht mehr nehmen lassen will, nächster Präsident zu werden.

Auch äußerlich zeigt sich François Hollandes Entwicklung: Der Sozialist hat mindestens zehn Kilo abgespeckt, sich eine neue Frisur, eine modernere Brille und ein seriöseres Auftreten zugelegt - und mit der Journalistin Valérie Trierweiler eine neue Frau an seiner Seite, der viele einen großen Anteil an dieser Häutung des lange Unterschätzten zuschreiben.

Seit Monaten führt Hollande die Umfragen an und profitiert direkt von der Unbeliebtheit seines Hauptgegners Nicolas Sarkozy. Allerdings hat sich der Abstand auf rund vier Prozentpunkte verringert, seit der Präsident offiziell in den Wahlkampf eingetreten ist. Jeden Tag zaubert Sarkozy neue Vorschläge aus dem Hut, fährt unermüdlich händeschüttelnd durch das Land und verpasst seinem Rivalen gezielte Seitenhiebe: Der Sozialist sei ein Lügner mit einem unglaubwürdigen Programm.

Und der einst so träge Hollande reagiert, stichelt zurück und jongliert neuerdings genauso spielerisch mit immer weiteren Vorschlägen. Mit seiner Strategie à la Sarkozy überrumpelt Hollande selbst seine eigenen Leute, zuletzt mit einer Sonder-Steuer für Millionäre. Bei deren Jahreseinkommen sollte jener Teil, der eine Million Euro überschreite, mit 75 Prozent besteuert werden - wohlgemerkt nur diese Differenz und nicht das gesamte Einkommen, sodass der Gesamtsatz um die 50 Prozent liegen würde.

Doch diese Feinheit ging unter. Die gutverdienenden Top-Fußballer ließen sogleich wissen, angesichts solch "demagogischer" Ideen wähle man lieber die Konservativen. Betroffen wären Hollandes Team zufolge zwischen 7000 und 30.000 Haushalte, das "Observatorium der Ungerechtigkeiten" beziffert sie sogar nur auf 1000.

Offensichtlich setzte der 57-jährige Sozialist auf den Ankündigungseffekt, um sich Aufmerksamkeit zu sichern und mit einem linkeren Profil abzugrenzen von Sarkozy. "Hollande will weniger Reiche, ich will weniger Arme", spottete der zwar. Doch gilt er als "Präsident der Reichen", seit er seinen Wahlerfolg mit Frankreichs Geldelite in einem Nobel-Restaurant feierte und Steuervorteile für Wohlhabende einführte. Demgegenüber will Hollande Steuernischen schließen und so Neueinstellungen im Bildungssektor finanzieren. Allerdings hat auch er Budgetdisziplin und einen ausgeglichenen Haushalt bis 2017 angekündigt.

Auf der Suche nach Statur

Gewinnen kann er die Wahl aber nur, wenn er eine Mehrheit davon überzeugt, das Charisma und die Statur eines Präsidenten zu haben. Dass er bei seinen seltenen Auslandsbesuchen wie zuletzt in London nicht von den Staatschefs empfangen wird und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Anfrage unbeantwortet lässt, kommentiert das Regierungslager mit Hohn. Selbst die eigene Partei wollte eigentlich nicht Hollande, sondern Dominique Strauss-Kahn, spottete Sarkozy.

Tatsächlich profitierte Hollande von der Lücke, die der ehemalige IWF-Chef hinterließ, der vor seinem Sex-Skandal als große Hoffnung der Sozialisten galt. Der Schock über dessen Ausschweifungen läutete die Zeit des "Normalos" Hollande ein, der einen Sympathie-Bonus genießt. Seine Nettigkeit legt er nun aber ab - eine notwendige Wandlung, wenn er bei der Stichwahl am 6. Mai in den Pariser Élysée-Palast einziehen will.