Minsk. (leg) Kurz nach dem Frühstück hatte Ljubow Kowaljowa ein amtliches Schreiben erhalten. Die weißrussischen Behörden teilten ihr darin mit, dass das Urteil gegen ihren Sohn vollstreckt worden sei. Wladislaw Kowaljow wurde nach sowjetischer Methode mittels eines Genickschusses getötet - wie auch sein angeblicher Kompagnon Dmitri Konowalow. Die beiden Weißrussen sollen für das Bombenattentat im April vorigen Jahres verantwortlich sein, das in der Metrostation "Oktjabrskaya" im Zentrum der Hauptstadt Minsk 15 Todesopfer und 300 Verletzte forderte. Präsident Alexander Lukaschenko hatte eine Begnadigung der beiden zum Tode Verurteilten zuvor abgelehnt.

Die Hintergründe des Anschlags bleiben auch ein Jahr danach im Dunkeln. Der offiziellen Version, dass Konowalow und Kowaljow, die auf Überwachungskameras als Täter identifiziert wurden, die Tat sowohl ausgeheckt als auch durchgeführt haben, wollen viele Weißrussen jedenfalls nicht glauben - zu sehr "riecht" die Tat nach professionellen Drahtziehern. Vorstellbar wären etwa Streitigkeiten innerhalb des weißrussischen Systems, in dem sich - Gerüchten zufolge - Lukaschenkos älterer Sohn Viktor zunehmend nach vorne drängt. Dieser zeichnet im Präsidialamt für die nationale Sicherheit verantwortlich und soll auch im Waffenhandel eine tragende Rolle spielen. Oppositionelle nennen im Zusammenhang mit dem Bombenattentat immer wieder seinen Namen. Beweisen lässt sich in der weißrussischen Diktatur freilich nichts.

Feststeht nur, dass die Hinrichtungen selbst für weißrussische Verhältnisse ungewöhnlich rasch erfolgten. Dies nährt den Verdacht, der Machtapparat habe Mitwisser möglichst schnell beseitigen wollen. Die Hinrichtungen verstärken die Eiszeit zwischen Minsk und der EU, die Lukaschenko vergebens dazu aufgefordert hatte, die Urteile nicht vollstrecken zu lassen. Der Eishockey-Weltverband (IIHF) denkt bereits daran, Minsk die Ausrichtung der Eishockey-WM 2014 zu entziehen, mit der sich der erklärte Eishockey-Fan Lukaschenko gerne schmückt.