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Toulouse-Effekt im Wahlkampf

Von Alexander U. Mathé

Europaarchiv

Sicherheit wird zum Thema Nummer eins in Frankreich.


Paris/Wien. Die Mordserie, die ein 23-jähriger algerisch-stämmiger, muslimischer Franzose begangen haben soll, von dem es auch noch heißt, dass er dem Terrornetz Al-Kaida angehöre, wird zweifelsohne den französischen Wahlkampf beeinflussen. Einen Monat, bevor die Franzosen zum ersten Urnengang schreiten, um ihr Staatsoberhaupt zu wählen, ist das Thema Sicherheit an die Spitze der französischen Diskussionen gerückt.

Vor allem die Rechtspopulistin Marine Le Pen versucht die Situation für sich zu nutzen. Sie sieht sich und ihre Parolen bestätigt: "Die fundamentalistische Bedrohung in unserem Land ist unterschätzt worden. Politisch-religiöse Gruppen entwickeln sich aufgrund einer gewissen Laxheit", sagte die Chefin der Front National am Mittwoch. Nun müsse ein "Krieg" gegen diese Gruppen geführt werden.

Völlig entgegengesetzt agierte der Zentrumspolitiker François Bayrou. Er sprach von der Tat als Ausdruck einer "kranken Gesellschaft", die an ihren Spaltungen leide. Doch die Schuld daran gab er bestimmten Politikern: "Die einen gegen die anderen aufzubringen, auch wenn dies künstlich zu Wahlkampfzwecken geschieht, bedeutet, solche Emotionen zu entfachen." Das passte zwar sehr gut auf Le Pen, doch viele Analysten glaubten, damit sei auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gemeint, der sich um eine zweite Amtszeit bewirbt und im Wahlkampf einen scharfen Rechtsaußen-Kurs gegen Immigration gefahren hat. Außenminister Alain Juppé reagierte auf diese Äußerungen am Dienstag mit dem Satz, man solle einer "schrecklichen Tat nicht noch unwürdige Worte" hinzufügen.

Jüdischer Rat: "Politik soll Tat nicht benutzen"

Der Vorsitzende des Rates jüdischer Institutionen in Frankreich, Richard Prasquier, warnte die Politik ausdrücklich davor, die Taten zu instrumentalisieren: "Es gibt absolut keinen Zusammenhang zwischen dem politischen Klima, das man, wenn man will, als ungesund betrachten kann, und einer derart monströsen Tat." Offiziell hatten Sarkozy und der in den Umfragen führende Sozialist François Hollande bis zum Mittwoch sämtliche Wahlkampftermine und Fernsehauftritte abgesagt.

Doch in so einer Situation ist jeder Auftritt Teil des Wahlkampfs. So düste denn Sarkozy als Erster am Mittwoch nach Toulouse, um in der Perignon-Kaserne, nahe der Wohnung des mutmaßlichen Attentäters, mit den Soldaten zu sprechen. Die Konkurrenz - darunter Hollande und Le Pen - teilte sich einen Flieger und reiste ebenfalls umgehend in die "rosa Stadt". Doch wen man bei den Trauerfeierlichkeiten Hände von Betroffenen schütteln sah und Bedauern aussprechen hörte, war - verständlicherweise - der Präsident.

Sarkozy bemüht sich klar, von Schuldzuweisungen Abstand zu nehmen. Weniger ist in diesem Fall mehr, denn ein zu intensives Engagement würde ihm schnell als Missbrauch der Situation ausgelegt werden. Und wie genau jedes Wort abgewogen wird, zeigte ein Auftritt Sarkozys in einer Pariser Schule. Dort sagte der Präsident über die getöteten Kinder: "Das sind Kinder genau wie ihr." Sofort hagelte es Kritik für diese Äußerung. Sarkozy mache den Kindern Angst, hieß es.